Читать книгу Traumdealer am Abstellgleis - Selina Haritz - Страница 8
KAPITEL ZWEI
Оглавление»Im Reich der Wirklichkeit ist man nie so glücklich wie im Reich der Gedanken.« (Schopenhauer)
Honig! Liebster Zaubertrank! Mit einer feinen Teetasse aus dünnwandigem Porzellan schöpfte ich mir eine Portion aus dem Springbrunnen heraus. Ich hielt die Tasse an mein Gesicht. Die Sonne spiegelte sich in der Oberfläche wieder und färbte alles in Bernstein. Ich setze das Porzellan an meine Lippen und trank bedächtig einen Schluck. Der Trunk umgarnte meine Zunge. Ich konnte den Geschmack der wilden Blumen schmecken, als naschte ich selbst daran. Langsam glitt mir der Honig den Gaumen hinab. Erst jetzt entfaltete er sein volles Aroma. Was für ein Abgang! Und zum krönenden Schluss breitete sich wohlige Wärme in meinen Bauch aus. Glückseligkeit.
Ich lehnte mich in den Sessel zurück, die Beine ruhten auf einem gepolsterten Hocker. Die Blumenwiese zu meiner Rechten erstreckte sich über die sanften Hügel bis zum wolkenlosen blauen Horizont. Ein kleines Wäldchen umrahmte sie im Norden, einige Rehe grasten darauf. Zu meiner Linken wuchs eine Gruppe violetter Ahornbäume und hielten Hängematten zwischen ihren Stämmen. Sie schaukelten im Wind hin und her wie Federn. Etwas weiter hinten floss der Honig träge in Richtung des Milchsees.
Ein breites Grinsen schob sich auf mein Gesicht. Die Welt war schön und jedes bittere Ende meilenweit entfernt. Ich steckte die Pfote in die Tasse, um auch die letzten Tropfen herauszubekommen. Während ich sie gedankenverloren abschleckte, beobachtete ich den Rehbock, der sich langsam seinem Rudel näherte – mit dem Stolz und der Anmut eines Königs. Die Rehe blickten zu ihm auf, trabten eines nach dem anderen zu ihm hin, um ihn zu begrüßen. Er senkte huldvoll den prächtigen Kopf. Meine Aufmerksamkeit wurde von zwei Meisen eingefordert, die sich zu mir auf den Tisch setzten und begannen ein kleines Stück von Mozart zu trällern. Ich wippte dazu im Takt mit der Pfote und brummte die Melodie mit. Es war ein wohliges Brummen, das zwar nicht immer den Ton traf, doch von Herzen kam. Die Vögel dankten es mir, indem sie einfach fortfuhren.
Unbewusst sang ich lauter mit, während ich hinab zum Flussufer ging. Das Zuckerwatteschilf leuchtete in allen Regenbogenfarben. Ich hockte mich ans Ufer, an eine von der Sonne besonders kraftvoll beschienene Stelle und wartete. Kleine Blasen deuteten an, dass hier der Honig heiß genug war. Flussaufwärts trieb gerade eine Languste direkt in die brodelnde Masse. Kurz darauf fischte ich sie mit einem Stöckchen heraus. Frittiertes Krustentier in Honig. Hmmmmm. Mit beiden Pfoten brach ich sie in der Mitte durch. Das Wasser lief mir in der Schnauze zusammen. Das Fleisch war weiß und duftete nach Meer und Abenteuer. Ich schälte sie aus der Hülle und wollte hineinbeißen, als mich eine Ladung Flüssigkeit im Gesicht traf. Ich versuchte es zu ignorieren, doch das Zeug floss bereits in Richtung meines Auges. Seufzend senkte ich die Languste wieder und griff mit der anderen Pfote hinauf.
Besser, ich hätte es gelassen. Die Sonne verdunkelte sich zum dumpfen Flackern einer Feuersauerkrautdose. Der Duft frisch gerösteter Schalentiere versank in dem verschmorten Plastiks. Panther hatte wieder vergessen, die Hülle von seiner Zigschachtel zu entfernen, ehe er sie ins Feuer geworfen hatte.