Читать книгу Celeste - Siehst du mich? - Serena S. Murray - Страница 12

Edrè

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Melina schaute schwer atmend auf die leblosen Körper, die am Boden lagen. Ophir stand neben ihr und ließ den Kopf hängen. Sie selbst konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und ihr eigenes Blut tropfte unablässig auf den steinigen Boden.

„Celeste!“, schrie sie in die Leere, die sie nun umgab. Ein Schauer der Angst überfiel sie. Celeste war verschwunden. Einfach so, vor ihren Augen. Zusammen mit Azia. Ophir stieß ein Brüllen aus, doch auch er bekam keine Antwort. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken nur so umher.

Ihr rechter Knöchel schmerzte und ließ sie beinahe humpeln, als sie zu den Säulen hinüberging, die den menschlichen Weisen als Tempel dienten. Der Himmel war trüb und ein melancholisches Licht fiel auf die Nymphe hinunter, als sie zuerst zitternd einatmete, ehe sie eine Hand auf den erstaunlich warmen Stein der Säule legte. Doch nichts geschah.

Sie hatte gehofft, ein Bild zu bekommen, wohin ihre Freundin verschwunden war, doch dieses Glück blieb ihr verwehrt. Sie wollte schon enttäuscht die Hand entfernen, als sich die Hitze steigerte. Ihre Handfläche kribbelte, während ihr restlicher Körper die Hitze absorbierte. Über ihr knisterte es, doch noch ehe sie nach ihrem Schwert greifen konnte, das sich bereits sicher verstaut auf ihrem Rücken befand, wurde sie mit Wucht nach hinten geworfen. Der Aufprall raubte ihr den Atem, doch äußerlich ließ sie sich nichts anmerken.

In einer einzigen fließenden Bewegung stand sie auf, das Schwert kampfbereit in der Hand. Zugleich hielt sie Ophir mental zurück, da sie erst einmal sehen musste, mit welchem Gegner sie es jetzt aufnehmen musste.

„Bravo, schöne Frau. Es ist eine Freude, dich anzusehen.“

„Wer bist du?“, fragte sie den jungen Mann, der klatschend zwischen den Säulen stand. Ihr geflügelter Löwe knurrte, fand aber keine Beachtung.

„Ihr sterblichen Wesen habt noch immer nicht gelernt, wie man sich verhält.“ Die Worte waren vielleicht tadelnd, die Tonlage des Mannes passte jedoch überhaupt nicht dazu.

Melina musterte den Gott, der sich durch seine Worte verraten hatte. Anders als Hades war dieser hier blond. Ein Drei-Tage-Bart verdeckte ein markantes Gesicht, doch die Augen, in denen sich der Schalk abzeichnete, ruhten unablässig auf ihr.

„Na, kannst du es denn nicht erraten, Prinzessin?“

„Apollo“, wagte sie einen Versuch, der gleich mit einem erfreuten Lächeln belohnt wurde.

„Meine Schwester sagt immer, ich soll gut aussehende Kriegerinnen nicht unterschätzen, aber ich lerne wohl nie aus. Ja, du hast recht. Ich bin Apollo, Gott des Lichts, der Künste und der Musik, um nur einige meiner Titel zu nennen.“

„Hast du etwas mit Celestes Verschwinden zu tun?“

Das Lächeln verrutschte im Gesicht des Gottes und Melina war sich durchaus bewusst, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte – mal wieder. Aber sie brauchte Antworten und da der Gott ihr erschienen war, hatte sie vielleicht Glück.

„Nur indirekt. Aber keine Angst, sie ist nicht allein. Ihre Mission führt sie in eine andere Welt. Doch auch hier steht uns noch viel Arbeit bevor.“ Jetzt lächelte er sie wieder charmant an, doch erst nachdem er einen angewiderten Blick auf die Leichen der Lamien geworfen hatte.

„Um genau zu sein, steht dir noch viel Arbeit bevor.“

Misstrauisch musterte sie ihn und wartete auf eine weitere Erklärung.

„Dein Körper schmerzt und deine Wunden müssen dringend verarztet werden. Also fasse ich mich kurz. Diese Welt liegt mir und einigen anderen durchaus am Herzen. Und das nicht nur, weil wir es toll finden, Hades beim Däumchendrehen zu beobachten. Aber die Helle, die bereits die Welten gewechselt hat, hatte Hilfe. Und zwar von jemandem oder von etwas. Nun müsste man meinen, wir Götter könnten schnell herausfinden, um wen es sich handelt. Dummerweise ist dem nicht so. Wir sind ratlos und hatten bisher keinen Erfolg.“

Melina konnte sich denken, dass den Göttern ihr Misslingen nicht besonders gefallen hatte.

„Und jetzt kommst du ins Spiel. Wir Götter erteilen dir einen Auftrag, bei dessen erfolgreicher Erledigung du einen Gefallen von uns einfordern darfst. Wenn du jedoch versagst, Prinzessin der Bergnymphen, erwartet dich eine Strafe, die jedoch noch festgesetzt werden muss.“

Nanu, wo kam denn der stahlharte Ton des noch immer freundlich lächelnden Gottes her? Melina spürte, dass dieser Gott genauso kaltherzig und mächtig war, wie es die alten Legenden von ihm behaupteten.

„Und wenn ich mich weigere?“

„Dann, liebe Melina, sitzen wir noch heute über dich zu Gericht. Als Nymphe bist du ein Geschöpf Gaias, das ist dein Glück. Wärst du ein gewöhnlicher Mensch, würde ein Fingerschnippen genügen. Aber so müssen wir eben auf ein paar Tricks zurückgreifen.“

Melina blinzelte nur ein einziges Mal, doch mit einem Mal stand der Gott direkt vor ihr. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand tippte er ihr auf die Stirn. Ihr Blick wurde magisch von seinen Augen angezogen und für einen kurzen Moment schmeckte sie die Macht, die er ausstrahlte, auf der Zunge. In seinen klaren blauen Augen spiegelte sich ihr Bild wider, sodass sie das Zeichen der Sonne sah, das sich auf ihre Stirn einbrannte. Der Schmerz war überwältigend, doch er hielt nur ein paar Sekunden an und die göttliche Macht des Mannes vor ihr verhinderte, dass sie einfach umkippte. Ophir wollte sie beschützen, wurde aber mit einer einzigen Handbewegung des Gottes daran gehindert.

„Dieses Zeichen ist ein Geschenk, das ich schon seit Jahrhunderten nicht mehr vergeben habe, also nutze es weise. Zum einen verrät es mir, was du herausgefunden hast, zum anderen erlaubt es dir ab sofort, Lügen zu erkennen. Seine Fähigkeiten variieren, je nachdem, wie stark deine Nymphenfähigkeiten sind.“

Der Gott lachte, als sie ihn mit einem herablassenden Blick bedachte. „Du hast Mut, das muss ich dir lassen.“

Melina schalt sich innerlich. Sie war für diesen Gott nichts weiter als ein kleines Insekt, das er zerquetschen konnte, wenn ihm danach war. „Verzeih mir mein Verhalten, doch es kommt nicht oft vor, dass ein Gott mir sein Zeichen einbrennt und mich auf eine Mission schickt.“

Apollo lachte sichtlich amüsiert, doch seine Körperhaltung sagte ihr, dass auch er zu einem gewissen Teil angespannt war.

„Wie gesagt, ich habe dieses Geschenk schon lange nicht mehr vergeben. Ich erwarte Großes von dir, Melina, Prinzessin der Bergnymphen. Und nun entschuldige mich, da kommt jemand, der nach dir sehen möchte, und ich habe andere Dinge zu tun, als mich mit einem Chimären zu streiten.“

Mit diesen seltsamen Worten hörte Melina wieder das Knistern über sich, und dann war der Gott auch schon verschwunden. Und sie blieb allein mit ihrem Reittier und den toten Lamien zurück.

Celeste - Siehst du mich?

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