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Paniertes Schnitzel mit Gurkensalat

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ALFRED POLGAR

Der Feuilletonist erklärt, warum das Wiener Schnitzel die Tafelnden in Menschenliebe vereint - und zwar ganz speziell in der Kombination mit Gurkensalat.

Im Wein liegt die Wahrheit, im guten Essen Liebe. Der Betrunkene spricht, wie ihm ums Herz ist, der Begessene hat plötzlich Herz, das er früher nicht hatte. Nachsicht, Verstehensfreude, Lust zur Gerechtigkeit überkommen ihn. Brücken der Sympathie spannen sich ins Nahe und Weite, ein rosenroter Nebel verkürzt Entfernungen und verdeckt Abgründe, und der Mensch ist gut. Seine Zunge setzt die zugeführten Kalorien in Geschwätz um, anders als die Zunge des Trunkenen, die Inhalt verschüttet aus der vollen Schale des Bewusstseins und zum Vorschein bringt, was auf deren Grunde lag.

Die Gesetze der seelischen Wirkung guten Essens, die mit der körperlichen Hand in Hand (oder besser: Seele im Bauch) geht, sind rätselvoll und undurchdringlich, aber es gibt da immerhin ein paar stets wiederkehrende Grundtypen.

Panierte Schnitzel mit Gurkensalat, zum Beispiel, fördern die Entwicklung einer Art Gemüt-Klebstoffes, der die Tafelrunde zur symbolischen Einheit verbindet. Mancher Esser spürt diese Einheit so stark, dass er das Bedürfnis hat, sie über die fliehende Speisestunde hinaus zu retten. Solcher Typus wird schon bei der Suppe von Menschenliebe heimgesucht, beim Braten hat er bereits alle Anwesenden zu sich geladen, beim Käse unverbrüchlichste Abmachungen für gemeinsam zu verbringende Ferien getroffen, und beim schwarzen Kaffee ist aus den Ferien schon das ganze Leben geworden.

Bekannt ist auch das Gegenstück zu diesem Typus: der pessimistische Gutfresser. Seine mürrische und bittere Grundstimmung entsteht durch sittliche Überkompensation des leiblichen Wohlgefühls. Dieser Typus fühlt durch sein Essbehagen das moralische Gesetz in sich beleidigt und produziert, zwecks Genugtuung des Beleidigten, Trübsal. Er schämt sich, dass es ihm mundet, und hat die Tendenz, zu zeigen, wie schlecht ihm schmeckt, dass es ihm gut schmeckt. Fragt man ihn: „Wollen Sie Kompott oder Salat?“, so erwidert er gallig: „Die Frage ist im Kommunistischen Manifest bereits entschieden“, und nimmt beides.

Sehr merkwürdig ist eine andere typische Reaktion auf gutes Essen, die darin besteht, dass der Esser – ganz unvermittelt und ohne gereizt worden zu sein – zu verschiedensten Fragen, zu denen er gar keine Stellung hat, Stellung nimmt. Plötzlich, ohne dass eine Assoziationsbrücke ihn dorthin geführt hätte, sagt er etwa: „Die X. hat doch den schönsten Sopran von allen Konzertsängerinnen.“ Es ist gar nicht wahr, dass die X. den schönsten Sopran hat, aber es ist auch gleichgültig; der Mann hätte ebenso gut sagen können: „Sie hat den hässlichsten Sopran“ oder „Sie hat den schönsten Bass“. Denn nicht darauf kommt es ihm an, eine Meinung zu äußern, sondern nur darauf, irgend etwas geistig zu kauen. Hierbei erzeugt er eben Sprechgeräusche.

Ich erklärte mir anfangs solche Lust am Urteilen ohne Urteil, am Standpunkte-Fixieren ohne Standpunkt als eine Ausartung des durch gutes Essen gesteigerten Ich-Gefühls ins Pantheistische, als eine Variante von „Seid umschlungen, Millionen“, als Folge erhöhter Vitalität, die ihre Überschüsse leichthin verausgaben will. Aber dann bin ich darauf gekommen, dass der wunderlichen Erscheinung ein einfacher psychologischer Vorgang zugrunde liegt: ein schlichtes Rülpsen des Gehirns.

Was so kuddelmuddlig drin herumschwimmt, wird von dem durch Fleisch und Süßspeise vermehrten Blutdruck nach außen und oben gerissen. Der Sprecher hat hierbei sichtliche Lustgefühle, wie sie gemeineren Naturen nach gutem Essen schon durch das gewöhnliche Aufstoßen, den bekannten singultus communis, bereitet werden.


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