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Kapitel 5

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In Eframon

Waldiger Duft stieg aus den Räucherschalen auf. Itamo fächerte der Glut, die die getrockneten Kräuter verzehrte, Luft zu. Sie glomm, der Rauch stieg schmeichelnd zu ihm auf, träge kringelten die Schwaden sich um seinen Atem. Zuerst hatte er geglaubt, eine andere Welt, eine andere Dimension zu betreten, in der die Zeit langsamer ablief als außerhalb. Die Menschen bewegten sich wie in Wasser, sprachen ruhig und in gedämpfter Lautstärke. Die Sklaven, die überall sonst im Palast ihren Pflichten nacheilten, standen hier still zwischen den Säulen und neben den Vorhängen oder saßen bei den königlichen Schwestern, um von Zeit zu Zeit die Fächer zu bewegen oder die Schalen mit Früchten und Räucherwerk zu erneuern.

Itamo fühlte sich wie in Decken gewickelt. Sobald er den Ruhetempel verließ, schlug die Schnelligkeit und Kälte der äußeren Welt auf ihn ein. Inzwischen war er an den Wechsel einigermaßen gewöhnt.

Feriah gab ihm einen Wink, woraufhin Itamo hinüber zu der Tafel ging, auf der Karaffen und Schalen bereitstanden. Er mischte kühles Wasser mit einigen Tropfen einer seltenen Blütenessenz und trug es zum Lager der Schwestern. Dabei zelebrierte er jeden Schritt, jeden Handgriff, und selbst die Spannung der Muskeln auf seiner Stirn machte er sich bewusst. Um die Konzentration, die es brauchte, aufrecht zu erhalten, stellte Itamo sich vor, er hole Honig aus einem Erdbienennest. Wer nicht gestochen werden wollte, musste Sanftheit und Ruhe ausstrahlen, selbst wenn die Bienen über seine Arme kletterten, so dicht, dass zwischen ihnen kein Millimeter Haut mehr zu sehen war, und er ihre tausenden, kleinen Beinchen auf sich spürte. Ruhig bleiben und weitermachen, durch die Nase atmen, jede Faser des Körpers entspannen. Dann blieben auch die Bienen harmlos und erlaubten es ihm, einen Teil des Honigs aus dem Herzen ihres Nestes zu nehmen, solange er keine verletzte und nicht zu gierig war.

Statt in Erde tauchte Itamo seine Hand in die kostbare Flüssigkeit, um damit Feriahs Stirn zu benetzen. Sie genoss es mit geschlossenen Augen, den Kopf in den Nacken gelegt.

Die königliche Schwester Puwai verfolgte das Ritual und ihre Blicke waren wie Millionen winziger, krabbelnder Insektenbeine. „Nicht nur Euer Geschmack ist golden, Feriah. Auch Euer Glück bei der Jagd“, bemerkte sie.

Für jemanden wie Itamo war es eine große Ehre, die Essenzen zubereiten und sie seiner Herrin reichen zu dürfen. Er hatte sich aus dem Stand eines gewöhnlichen Sklaven befreit, was viele der anderen Diener ihm neideten. Dabei hatte Itamo es sich nicht ausgesucht, in den Palast verschleppt zu werden. Lieber hätte er als freier Mann in den Wäldern der Oduaki gelebt, anstatt Feriahs königliches Haupt nach einem kraftzehrenden Tag mit Wasser zu beträufeln.

Was den königlichen Schwestern als Anstrengung galt, entlockte den Sklaven höchstens ein wehmütiges Lächeln. Itamo hatte sich an die Maßstäbe gewöhnt. Er war zäh, hatte sogar Sabios Peitschenhiebe überlebt, obwohl die Heilung viele Wochen in Anspruch genommen und an seiner Lebenskraft gezehrt hatte. Wäre die Heilerin ihm nicht so wohlgesonnen gewesen, hätte man ihn bald den Hunden vorgeworfen, denn einen Sklaven, der aß und trank, ohne zu arbeiten, konnte im Palast niemand gebrauchen. Nur die Heilerin, die in ihren Berichten darauf beharrte, wie schnell und sicher seine Genesung voranschreite, und seine Herkunft retteten ihn.

Als nehme sie Bezug auf seine Gedanken, fuhr Puwai fort: „Die königliche Schwester Feriah hätte es Sabio nicht erlauben dürfen, das Fleisch des Sklaven derart zu versehren. An dem Eigentum seiner Herrin, erst recht, wenn es sich um ein so prachtvolles und seltenes Stück handelt, darf er nicht rühren.“

„Uns blieb keine Wahl“, seufzte Feriah abwesend.

Die königlichen Schwestern machten nicht umsonst Jagd auf die Oduaki. Für Feriah war er eine Trophäe, ein Tier aus einem fernen Land, sie schmückte sich mit seiner raren Schönheit. Als trage sie seine Haut, so tiefschwarz und geheimnisvoll, wie sie nur den Kindern der Oduaki zu eigen war. Der Körper, so makellos er sein konnte – bis Sabio ihn zu fassen bekam.

Für die zivilisierten Eframonen war sein Stamm eine Attraktion. Ein halbnomadisches Volk, das weder Ackerbau noch Viehzucht kannte, das über die Jahre ein Teil des Waldes geworden war, nahezu unauffindbar.

Nahezu unauffindbar.

Niemand wäre imstande gewesen, sie aufzuspüren. Niemals hätte Sabio die Gelegenheit bekommen, Itamo auszupeitschen. Hätte sein eigener Bruder sie nicht verraten. Bei dem Gedanken spannte sich Itamos Kiefer, dass seine Zähne knirschten. Es gab beileibe keinen Grund, ihn zu beneiden.

Puwai registrierte seine Anspannung und die Biene stach. „Findet Ihr es klug, einen Mann am Leben zu lassen, der solche Wunden trägt? Ihr werft ihm Ehre zu, die in keinem Verhältnis zu seiner Bedeutungslosigkeit steht. Nicht lange mehr und Ihr gestattet ihm, Euer Gefährte für die Nacht zu sein.“

Feriah mühte sich kaum, die Lider zu heben, um ihre Schwester anzublinzeln. Aber ihre Stimme war schneidend, als sie sagte: „Dann wünscht Ihr Euch also, Einfluss auf unsere Wahl üben zu können?“

„Wir wünschen nichts als Euer Wohlergehen“, antwortete Puwai. „Für junge Schwestern ist es üblich, den Rat der älteren anzunehmen. Die Narben auf seinem Rücken werden des Nachts schmerzen und ihn an Rache erinnern. Umso schlimmer brennen sie, wenn er sich in Euren Laken wälzt.“

„Uns liegt nicht viel an solchem Rat.“

„Dann liegt Euch nichts an Weisheit.“

„Manche ringen so sehr darum, ihrem Alter einen Vorteil abzugewinnen, dass sie die Anhäufung schlechter Erfahrungen Weisheit nennen“, versetzte Feriah und entzog der Schwester ihre Aufmerksamkeit.

Itamo blickte in Puwais alterndes Gesicht und zugleich wurde ihm mit unauslöschlicher Klarheit das Ausmaß seiner Misere bewusst. Die königliche Schwester Puwai sagte nichts und bestrafte ihn nicht. Er war nicht ihr Eigentum. Doch sie würde nichts von dem vergessen. Nicht die hochmütigen Worte Feriahs und nicht die unverzeihliche Übertretung des Sklaven, ihr daraufhin in die Augen zu sehen.

Die Rache des Mondes

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