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Der erste Fall

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Oktober 1783

Der Wind wehte mild über die satten Wiesen. Immerzu schienen sie grün. Das Land des ewigen Frühlings. Die reine Luft ließ Ieuan vergessen, ließ ihn ziehen für einen Augenblick. Zu tief noch saß der Schmerz, den er erleiden musste. Wird er je wieder lieben können ? Wird sein unendlicher Hass auf die Engländer sein ständiger Begleiter sein?

Sie waren verantwortlich.

Zu viele derer, die er kannte, mussten ihr Leben lassen, ob in Krankheit, vor Hunger oder im scheinbar aussichtslosen Kampf um ihre Freiheit.

Auch sein Vater wurde Opfer. Er starb vor einigen Wochen. Eine mysteriöse Krankheit, sagte Lennon Mac Suibhne. Er war der beste Freund seines Vater. In vielen Schlachten und Aufständen gingen sie Seite an Seite. Dreimal schon rettete er Aidan das Leben.

Und wofür?

Für nur noch mehr Leid?

Dafür, dass er in seinem Bett dahinsiechte wie ein kranker Hund?

Dafür, dass er seiner Frau Màire beim Sterben zusehen musste?

Dafür, dass er so viele um sich herum sterben sah?

Ieuan war wütend, und es gab niemanden, dem er das sagen konnte. Er saß allein unter der alten, knorrigen Eiche. Seine grauen Augen starrten abwesend auf die Wurzelenden, die sich wie Finger in den Boden gruben. Die Rinde rieb an seinem Rücken. Und ein Ast schwankte in den Fängen des Windes hin und her. Ieuans Blick folgte ihm.

Schon Großvater erzählte von der alten, knorrigen Eiche, die alles hören und sehen konnte.

Welche Geheimnisse verbarg sie wohl unter ihrer warmen, schützenden Rinde?

Ieuan lauschte dem Rascheln der herabfallenden Blätter.

Sie kam in die Jahre. Es war noch nicht einmal November und sie verlor schon ihre Blätter.

Die Kräuter und der Pinienduft badeten im Westwind und legten sich müde auf Ieuans Gesicht. Seine Lider wurden schwer. Sein Kopf schmerzte. Zu viele Gedanken durchstreiften sein Hirn. Ein Donnergrollen fuhr durchs Firmament und legte sich tonnenschwer auf seine Schläfen.

In den Ebenen von Maurice zog ein starker Sturm auf. Die Wolken zogen schneller als gewöhnlich vorbei. Ein Teppich aus Laub, Sand und Blüten verschiedenster Art legte sich übers Land.

Wenn es am Horizont auch noch finster war, konnte man doch die ersten Sonnenstrahlen schon erahnen. Die Winde kreiselten über jeden Zentimeter der Erde, so als suchten sie nach etwas.

Ieuan zuckte zusammen, als auch er durchstöbert wurde. Seine Augen öffneten sich im selben Moment, als fünfhundert Meter westlich von ihm, neben den Mooren etwas vom Himmel zu fallen schien. Ein heller Lichtstrahl zwang ihn, die Augen zuzukneifen. Er konnte nicht genau erkennen, was es war.

Schnell sprang er auf, wollte loslaufen und nachschauen. Seine Füße rutschten im nassen Gras aus. Der Hunger hatte seinem Körper stark zugesetzt, und er hatte in den letzten Monaten mehr als zwanzig Pfund verloren. Doch Beine und Arme trugen eine schwere Last. Es fiel ihm schwer zu laufen. Und jeder Meter, den er dem Moor näher kam, wurde zu einem gefühlten Tagesmarsch.

Seit dem Tod seines Bruders hatte er das Moor immer gemieden.

Heute war es anders. Etwas außergewöhnliches hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Nicht zu erklären war das, was seine Augen vor Sekunden erspähten. Für einen Vogel war es zu schnell und auch zu groß. Etwas war aus den Wolken gefallen. Ieuan musste unbedingt wissen, was es war.

My Siobhan

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