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Der zweite Fall

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Immerzu dachte er an seine Mutter, an seinen Vater, seinen Bruder und an das Mädchen im Wald. Die Kate und alles, was darum war, verrottete. Die Felder blieben in diesem Jahr unbestellt. Der Blumengarten rechts vor der Hütte war von Unkraut überwuchert, der Gemüsegarten links gab ganze zwei Kohlköpfe her. Das Holz hinter der Hütte war für diesen Winter noch nicht aufgestockt.

Ieuan grübelte, während er dem einzigen nachging, das ihm diesen Winter Geld bringen konnte und damit etwas zu essen. Er verstand sich in der Herstellung von Bögen. Das hatte er von seinem Vater gelernt. Jeden Winter gingen sie zusammen in die Wälder, suchten sich die passenden Eiben und dann saßen sie Abend für Abend, während Máire am Feuer die Suppe kochte, im hinteren Teil des Hauses und fertigten ihre begehrten Bögen. Ieuan erlernte vor einigen Jahren auch das Pfeilschnitzen. Seine Arbeiten waren sehr gefragt, er brachte es fertig, seine eigenen Pfeile über 200 Meter zu schießen. Einmal waren es 235 Meter. Und so fand er einen guten Absatz.

Seit Stunden hockte er nun in der Ecke seiner Kate und arbeitete an den Bögen. Das Grau in seinen Augen war klar wie ein Bachlauf im Frühling. Etwas Trauriges war in seinem Blick. Und die vielen kleinen Fältchen erinnerten an die Lebensringe eines Baumes. Auf der linken Wange zeichnete sich eine tiefe Narbe ab. Sie war nicht die einzige, doch sichtbare Wunde, die seinen Körper zeichnete. Viele Jahre kämpfte er um sein Land. Bei unzähligen Aufständen hielt er tapfer sein Schwert gegen die englischen Truppen. Die Ungerechtigkeit, die herrschte, war unerträglich und machte ihn innerlich völlig leer.

Trotz der Narben war er schön und klug wie seine Mutter und stark und mutig wie sein Vater.

Der viele Regen hatte im Haus seine Spuren hinterlassen. An der Stelle, an der das Dach ein Loch hatte, regnete es unaufhörlich durch. Die Schale, die das Wasser am Boden auffangen sollte, war seit Tagen nicht ausgeschüttet, so lief es unaufhaltsam über den Rand in Richtung Kochecke. Während Ieuan mit aller Kraft die Sehne über den Bogen aus Eibenholz spannte, beobachtete er den Fluss des Regenwassers. Er hatte keine Ahnung, dass es eigentlich die Tränen der schönen Fremden waren, die er in jener Nacht fand.

In den Hallen von Kivale:

„Bist du dir ganz sicher?“, Ruaidhri stand hinter seiner Tochter und seine Worte waren voller Entschlossenheit.

„Was, Vater?“

„Ich möchte dich nicht verlieren. Wenn ich dir einen Körper gebe und dich auf die Erde lasse, habe ich ab dem ersten Sonnenstrahl keine Macht mehr, dich zu beschützen. Du bist dann auf dich allein gestellt.“

„Das ist mir egal, Vater. Ich möchte ein Erdenkind sein. Nur so kann ich ihn wiederfinden. Ich konnte in seinen Augen das gleiche sehen, das ich in meinem Herzen fühlte. Ich will dieses Gefühl wieder haben.“

Siobhan umhüllte ein Glanz der Freude. Dennoch wusste sie, der Abschied von ihrer Familie würde ein schwerer sein.

Die Nacht legte sich übers Land, und alle im Reich versammelten sich in den westlichen Hallen Kivales über den Wäldern von Clar Cloinne Mhuiris.

Pearl und Alannah trösteten sich gegenseitig. Ihr Vater war heute Nacht nicht nur ein Vater, sondern vor allem König. Ein König mit der Macht, seiner Tochter ein neues Leben zu schenken.

„So soll es sein!“, sprach er kurz und leise.

Die nördlichen Winde, sie waren die stärksten, nahmen Siobhan in ihre Mitte und trugen sie aus den schützenden Wolken. Je näher sie der Erde kamen, desto wilder wehten sie. Die Windhosen schlossen sie ein, ließen sie fallen und fingen sie wieder auf. Siobhan verlor die Kontrolle und bald das Bewusstsein.

My Siobhan

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