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Die erste Begegnung

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Siobhans Augen waren geschlossen. Der Schutzzauber, mit dem ihr Vater sie belegte, marterte ihren zerbrechlichen Körper. Ihr braunes Haar verriet einen Hauch von Gold, es legte sich mit sanften Wellen über ihr makellos schönes Gesicht. Ihr Körper war nackt und wirkte grazil und gebrechlich, nur geschützt von der Kastanienwurzel. Ihre Haut war so ebenmäßig und rein und straff, dass sie wie eine Hülle wirkte. Ihre Seele lief völlig wirr durch ihre Träume, die ihren Kopf im Schlaf durchströmten.

Ieuan schleppte sich durch den Tag, den Abend und die heran brechende folgende Nacht. Seine mageren Waden waren von dem Gestrüpp, das er durchwanderte, völlig zerkratzt. Ohne es zu ahnen, hatte er den richtigen Weg genommen. Nur bewegte er sich kurz vor dem Ziel ständig im Kreis. Erschöpft blieb er schließlich stehen und schaute sich vorsichtig um, sofern seine Augen in der Finsternis etwas erblicken konnten. Da war nichts, nur göttliche Stille.

Ging er sonst nächtens durch diese Wälder, wurde er immer von den neugierigen Augen der Baumbewohner beobachtet. Und es knisterte und knarrte und raschelte. In dieser Nacht schien selbst sein Herz lautlos zu schlagen.

Gerade kam ihm der Gedanke, vielleicht von seinen Augen getäuscht worden zu sein, vielleicht ist doch nichts vom Himmel gefallen. Wie konnte das auch sein. Sicher hatte er nur einen Vogel gesehen,der nun verendet hier irgendwo in den Büschen lag.

Siobhan öffnete ihre Augen, es war anders wie sonst zu sehen, klarer und dennoch nebulös. Der Körper schien ihr voll und rund. Das Atmen fiel ihr schwer.

Sie hatte keine Kraft in den Beinen, und Gleichgewicht war praktisch nicht vorhanden. Sie wollte sich irgendwo festhalten, um sich aufzurichten. Der Ast, nach dem sie griff, rutschte allerdings durch ihre Finger, da auch sie grazil und gebrechlich waren. Ein unweigerliches Aaah entwich ihrem Mund, und sie erschrak so sehr vor ihrer eigenen Stimme, dass sie aufsprang ohne das Gefühl jeder Anstrengung.

Da stand sie, verwirrt, makellos schön und nackt.

Und Ieuan erstarrte, als er sie vor sich sah.

Allem Anstand zum Trotz konnte er seine Blicke nicht von ihrem perfekt proportionierten Körper lassen.

„Das ist sehr unhöflich“, dachte sie eigentlich nur, doch die Worte waren ihrem Mund bereits entfleucht.

Aus seinem Wachtraum herausgerissen, öffnete er nervös und ungelenk sein Lèine, das Band, welches er um seine Hüften trug. Schnell zog er das Hemd über den Kopf, und nein, er zog sich nicht aus, um ihr gleich zu tun, er reichte es ihr langsam herüber. Gerade streckte sie ihre Hand aus, um es zu greifen, als ein lautes Donnern den Himmel erfüllte. Beide erschraken.

Ruaidhri schickte zwei Blitze los. Einer traf Ieuan, der sogleich das Bewusstsein verlor. Der andere machte Siobhan wieder zu dem, was sie war. Nur ein Hauch voller Gedanken, getragen vom Nebel zog sie gen Himmel. Wie ein flüchtiger Kuss streifte sie die schorfige Wange des Fremden zum Abschied.

In tiefer Nacht durchfuhr ihn ein Zucken. Und in der Sekunde, da sich seine Augen wieder öffneten, suchten seine Blicke sogleich die Verschollene. Die vorher herrschende Finsternis wurde nun durch den Mondschein verdrängt, der ein so wundervolles Schattenspiel in die Landschaft zauberte, dass Ieuan für einen Moment dachte, er würde sich noch immer in einem Traum befinden. Der Mond war voll und stand weit oben. Seine Helligkeit ließ nichts ungesehen.

So suchte Ieuan Ò Briain nach der Frau, die von nun an sein Leben verändern sollte.

My Siobhan

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