Читать книгу Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens - Sibyll Hähnel - Страница 10
ОглавлениеÜber das Fahrradfahren
Eigentlich träumte ich schon als Kind davon, reiten zu lernen. Ja, das Galoppieren durch einen Schlosspark als Komtesse war eine schöne Illusion. Als ich dann tatsächlich die Gelegenheit zum Reitunterricht hatte, war ich schon erwachsen und im 5. Monat schwanger, da habe es nicht mehr gewagt, mich auf ein Pferd zu setzen. Es hätte nicht viel passieren können, denn die Pferde trabten mit den Reitschülern nur langsam im Kreis. Doch das entsprach auch nicht meinem Traum vom Reiten, und so musste ich mich mit dem Zuschauen abfinden.
Eine gute Alternative ist das Fahrradfahren. Ich habe mein erstes Fahrrad bekommen, als ich schon 18 Jahre alt war. Mein Vater hatte es im Wald gefunden und instand gesetzt. Ich bekam es zu meinem Geburtstag. Bis dahin durfte ich nur mit einem Leihfahrrad, dem Zweitrad meiner Freundin fahren, meist durch den Wald in die Badeanstalt. So über Stock und Stein, da konnte ich mir schon vorstellen, einen Mustang zu reiten.
Das Geburtstagsfahrrad konnte ich nicht lange mein Eigen nennen, denn mein Vater hatte vergessen, ein Fahrradschloss mitzuliefern. Also musste ich meinen „Drahtesel“ immer mit dem meiner Freundin zusammen anschließen. Als ich es einmal nicht tat, es war auf einem Privatgrundstück in einem wie ich dachte verschlossenen Innenhof, war es am nächsten Tag weg. Wie gewonnen, so zerronnen!
Als Studentin besaß ich dann wieder ein Fahrrad. Im Sommer fuhr ich mit meiner „Studienkumpeline“ Uschi zu einem Baggersee in der Nähe von Berlin wo man nackt baden und sich auch streifenfrei sonnen konnte. Sie kannte den Weg. Er ging mitten durch die Stadt und da passierte es – ich kam mit dem Reifen in die Straßenbahnschiene und stürzte, doch ich konnte mich noch mit dem linken Bein abstützen. Danach tat das linke Knie höllisch weh, auch noch mehrere Monate später hatte ich Schmerzen.
Siebenundzwanzig Jahre danach stellte sich heraus, dass mir damals das vordere Kreuzband am Knie gerissen war. Ich wollte in Venedig einen Zug erreichen und lief so schnell ich konnte. Beim Aufspringen auf die Stufen klappte mein unteres Bein am Knie plötzlich zur Seite weg. Das war so von der Natur nicht vorgesehen und ich ging zum Orthopäden. Die Ursache zeigte sich im MRT.
Ich habe mich anschließend operieren lassen. Aus einer grazilen Sehne, die man wohl nicht so nötig am Schienbein braucht, wurde mit Hilfe einer Schraube aus Zucker ein neues Kreuzband geflochten, und ich stand wieder gerade in meinem linken Schuh. Doch mein Körper hatte sich an den Schaden gewöhnt und ihn so gut, wie es ging, ausgeglichen. Wussten meine Muskeln nicht, dass das nicht mehr nötig war und strengten sich weiter an, so dass es schmerzte? Brauchte ich weitere 27 Jahre, bis sie sich umgewöhnt hatten? Nein so lange dauerte es zum Glück nicht.
Mittlerweile lebe ich im Rheinland. Meine Begeisterung für das Fahrradfahren ist ungebrochen. Die erste größere Tour führt jedes Jahr von Witterschlick nach Königswinter, den Berg hinab und über den Rhein und dann am Flussufer entlang, ca. 40 Km hin und zurück. Dort angekommen wartet ein Eisbecher im Eiscafé Bruno auf mich, das beste Speiseeis der Region.
Doch im letzten Sommer habe ich auf dem Rückweg hinauf auf die obere Rheinterrasse schlapp gemacht. Es sind ja auch schon zwanzig Jahre seit dem ersten Ausflug vergangen. Da erwähnte mein Mann das Wort E-Bike, was ich geflissentlich überhörte. „Doch nicht für mich, ich gehöre doch nicht zum alten Eisen!“, war mein Kommentar. Dann überredete er mich, beim Fahrradhändler vorbei zu schauen. Dessen Laden ist gewaltig groß. Man kann sogar darin Probefahren.
Während wir auf den Verkäufer warteten, schaute ich mich schon mal um, und mir winkte dort ein E-Bike zu, an dem schon ein Zettel hing der signalisierte, dass es verkauft sei. Es gefiel mir. Wir wurden beraten, und gerade dieses Rad wurde mir empfohlen. Ich machte eine Probefahrt und war begeistert. Noch nie war es mir gelungen, so elegant um enge Kurven zu fahren, und ich konnte so viel Anschub dazu geben, wie ich brauchte. Auch das Anfahren am Berg brachte das Rad fast alleine zustande. Es war auch kein Problem, das gleiche Modell für mich zu bestellen. Als wir es abholten, fuhr ich meinem Mann auf dem Nachhauseweg davon. Das hat ihm nicht gefallen. Jetzt besitzt er ebenfalls ein E-Bike.
Wir fahren jetzt öfters über die Felder und durch die Dörfer. Zuerst musste ich mich an die höhere Geschwindigkeit gewöhnen, doch 20 km/h ist ein gutes Durchschnittstempo, und bergab bremse ich bei 39 km/h. Natürlich trägt jeder einen Fahrradhelm. In Rheinbach gibt es die Eisdiele Taormina mit ebenfalls hervorragendem Eis. Pistazie, Bacio und dunkle Schokolade sind meine Lieblingssorten.