Читать книгу Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens - Sibyll Hähnel - Страница 8
ОглавлениеÜber das Nordic Walking
Es ist zu einem Modesport geworden, das Nordic Walking, dem Gehen mit Skistöcken angelehnt, dem das mittlere und reifere Semester frönt. Die Jüngeren gehen joggen und zeichnen mit ihrer Smart Watch neben Strecke, Zeit und Geschwindigkeit auch den Kalorienverbrauch und die Herzfrequenz auf. Das sind ganz wichtige Daten für sie, und man kann sich mit Freunden darüber austauschen, wenn das Wetter als Thema erschöpft ist.
Auch ältere Leute sieht man immer häufiger mit den Walking-Stöcken durch die Gegend stöckeln. Oft halten sie diese verkehrt herum und berühren den Boden statt mit der abgeflachten Seite mit der Spitze. Die Arme angewinkelt setzen sie den jeweiligen Stock vor dem Körper ein und dann hoffe ich nur, dass sie nicht irgendwann über diesen stolpern, hinfallen und sich schwer verletzten.
„Haltet ein! Ihr tut Euch nichts Gutes und ruiniert nur Eure Ellenbogengelenke“, möchte ich ihnen zurufen. Doch ich habe es mir abgewöhnt.
Dass dies eine Sportart ist, die wie jede andere ein Mindestmaß an Kenntnissen erfordert, ist den meisten Walkern nicht klar. Es sieht ja so einfach aus. Man kann es auch häufiger in Fernsehfilmen sehen, wie Schauspieler und -Innen diesen Modesport betreiben, doch leider immer falsch. Letztens hat mich der Beckenschwung einer Aktrice sehr beeindruckt. Auch in den einschlägigen Sachbüchern zeigen die entsprechenden Fotos eine völlig falsche Haltung, denn die Regie hat nicht der Autor sondern der Fotograf geführt, und der hatte auch keine Ahnung. Mein Mann nennt es „Nordic Wackling“ – das ist zwar nicht nett, aber es trifft es genau.
Ja, ich nordicwalke selbst seit vielen Jahren und habe Kurse besucht. Gerade aufgerichtet mit Spannung im unteren Rücken und Beckenbereich schreite ich mit großen Schritten voran. Die Arme fast gestreckt schwingen meine Schultern abwechselnd vor und zurück. „Als ob man einem Kind die Hand geben will“, so beschreibt es die Sportlehrerin treffend. Die Hände öffnen sich beim Rückschwung und schließen sich beim Nach-Vorne-Gehen, der Stock setzt am Ende des hinteren Fußes ein. Popo-Wackeln ist dabei unmöglich, und es besteht auch keine Gefahr, dass ich über meine eigenen Füße (Stöcke) falle. Das sieht zwar aus, als ob man die Stöcke hinter sich her zieht, doch mit der entsprechenden Körperspannung und einem kräftigen Stockeinsatz ist diese Haltung sehr wirkungsvoll.
Dies möchte ich den mir entgegenkommenden unverdrossenen Walkern gerne erklären, doch nach einigen Versuchen, die nicht auf Gegenliebe gestoßen sind, habe ich es aufgegeben. Wenn die Stöcke lediglich dazu benutzt werden, um das Gleichgewicht zu halten, macht das ja auch Sinn. Nein, ich werde nicht mehr unaufgefordert Ratschläge erteilen, denn ich möchte keine Besserwisserin sein.
Doch ich hoffe, dass die so unterwegs Seienden, bald die Lust verlieren und lieber einen Spaziergang machen. Dabei kann man sich auch besser unterhalten.