Читать книгу Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens - Sibyll Hähnel - Страница 9

Оглавление

Über das Autofahren

Das Autofahren ist ein so selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltags, dass es sich gar nicht lohnt, darüber nachzudenken. Oder etwa doch?

Heute erwirbt jeder Teenager schon mit 17 oder spätestens mit 18 Jahren seinen Führerschein, und meist halten die Eltern dazu schon das passende Auto bereit, so wie bei unserem Nachbarn von gegenüber, der direkt vor unserem Haus parkt. Da er auf seinem Grundstück nur einen Parkplatz vorgesehen hat wird es mit den Autos seines Sohnes und seiner Tochter in unserer kleinen Straße, die eigentlich eine Spielstraße ist, ziemlich eng. Doch der einzige, der sich darüber beschwert, ist er selbst, wenn mein Mann sein Auto, das meist vor unserer Garage auf dem Grundstück steht, auf die Straße fährt, damit ich meinen Wagen aus der Garage fahren kann.

Das sind natürlich Probleme, die es früher in der DDR, wo ich mein Leben bis zu meinem 39. Lebensjahr verbrachte, nicht gab. Als ich 18 war, durfte ich mich in Berlin bei der Fahrschule anmelden. Die Wartezeit war lang und mit 24 habe ich dann meinen Führerschein gemacht. Als ich es mir später leisten konnte, war ich auf einen Trabant angemeldet, doch bis ich auf der Warteliste von mehr als 10 Jahren vorgerückt war, kam die Wende dazwischen und alles änderte sich. Eine Kollegin fuhr schon vor der Währungsumstellung mit ihren Sparbüchern nach Westberlin, um sich einen gebrauchten Mercedes zu sichern. Ja, für viele Wessis war das ein gutes Geschäft, besser als jede Abwrackprämie. Da sie ihre gebrauchten Autos zu guten Preisen los wurden, konnten sie sich neue kaufen.

Mein erstes eigenes Auto hatte ich mit 36 Jahren. Ich habe es noch kurz vor der Wende auf einem illegalen Automarkt gebraucht gekauft. Es war ein himmelblauer Trabbi, 10 Jahre alt, und ich habe mehr als den ursprünglichen Neupreis dafür bezahlt. Da die Farbe schon etwas abblätterte, hatte der Vorbesitzer etwas Lack überdiese Stellen gepinselt. Das sah man deutlich. Aber mich störte es nicht, denn ich war endlich mobil. Ich spüre noch heute die feste Verbindung mit der Straße, wenn ich um die Kurven sauste. Das war ein ganz anderes Fahren als in den modernen Autos von heute, so mit einem Hauch von Abenteuer.

Schwierig wurde es dann, als Reparaturen fällig wurden, und das geschah bald. Mir fuhr ein anders Auto hintendrauf, ich konnte wirklich nichts dafür, und ich benötigte eine neue Kofferklappe. Der Unfallverursacher wollte mir gleich 50 Mark in die Hand drücken und sich damit frei kaufen, doch darauf habe ich mich nicht eingelassen. Eine neue Kofferklappe, nicht lackiert, war bald beschafft, doch ein Kofferraumschloss war „Bückware“, d. h. es wurde unter dem Ladentisch aufbewahrt, und hat mich 50 Mark gekostet. Man konnte damals auch nicht einfach in eine Werkstatt fahren und eine Reparatur in Auftrag geben. Nein, da gab es ebenfalls lange Wartelisten, die nur durch ein entsprechendes Trinkgeld in D-Mark verkürzt werden konnten.

Durch Beziehungen konnte man jedes Problem leicht lösen. Ich konnte einen Nachbarn, der eine Autowerkstatt besaß, davon überzeugen, mir zu helfen. Er reparierte mein Auto und brachte es sogar bis vor meine Haustür. Als er auf meinem Sofa saß und den angebotenen Kaffee trank, meinte er auf die von mir gestellte Frage nach seinem Lohn, dass er Geld genug habe und bot mir an, dass wir uns gemeinsam ein paar schöne Stunden machen könnten. Mit blieb von diesem Ansinnen glatt die Spucke weg, und er war schneller draußen, als er herein gekommen war.

Als erstes Auto habe ich mir nach meinem Umzug nach Bonn einen Suzuki gekauft, metallicblau mit Automatik-Getriebe. Er war ein Vorführmodell, das die Frau des Autohändlers eine Weile gefahren hatte. Natürlich wurde er mit einem Kredit finanziert. Nach zwei Jahren habe ich auf Anraten eines „Kundigen“ die Vollkaskoversicherung gekündigt, da „das nichts mehr bringen würde“. Kurz darauf fuhr ein Freund, dem ich den Wagen für seinen Umzug geliehen hatte, gegen einen Baum. Er erklärte mir, dass das Auto dran schuld sei, da es nicht so gewollt habe wie er. Gott sei Dank war ihm nichts passiert, doch den Schaden konnte er mir nicht ersetzen. Ich habe noch ein Jahr lang die Raten für den Kredit abbezahlt.

Ja, ich sehe es ein, ich hatte früher mit Autos nicht viel Glück. Doch dann bin ich viele Jahre morgens in aller Frühe die 11 km zu meiner Arbeitsstelle gefahren, noch verschlafen, denn frühes Aufstehen ist nicht so mein Ding. Doch das Auto kannte ja den Weg, und ich bin immer gut angekommen, auch durch den Stau auf dem Nachhauseweg.

Heute bin ich lieber Beifahrerin. Mein Mann sagt, dass ich das sehr gut mache und auf größeren Strecken schlummere ich meist. Einen größeren Vertrauensbeweis in seine Fahrkünste kann es nicht geben.



Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens

Подняться наверх