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Ein ständig wechselndes Gefühl

Wie wir den eigenen Wert empfinden, bemisst sich nicht nach ein für allemal festgelegten und in allen Situationen gültigen Kriterien. Je nach Situation, Umgebung, Tagesform und konkreten Herausforderungen wechselt das Gefühl ständig. Niemand ist nur eindimensional, sondern unser Selbst ist sehr komplex strukturiert – und damit auch unser Selbstverständnis. So fordert der Alltag immer wieder ganz unterschiedliche Talente und Fähigkeiten von uns. Das hängt vor allem auch damit zusammen, dass wir ständig verschiedene soziale Rollen einnehmen. Meist ist uns das nicht einmal bewusst, und wir merken auch nicht, dass wir täglich etliche Male von der einen Rolle zur anderen wechseln.


Verschiedene Rollen

Nehmen wir als Beispiel eine dreißigjährige Frau. Wenn sie am Arbeitsplatz als Ingenieurin ein Projekt leitet, sind von ihr andere Qualitäten gefordert als nach Feierabend, wenn sie sich mit ihrem Mann oder ihrem Kind unterhält. Spielt sie in ihrer Freizeit beispielsweise Volleyball, dann kommen dabei andere Fähigkeiten zum Tragen als beim Elternsprechtag. Selbst wenn sie als Projektleiterin glänzt und auch als Mutter ein gutes Bild von sich hat, verhält sie sich vielleicht als Elternsprecherin eher zurückhaltend und gehört auch in der Volleyballmannschaft nicht zu den tonangebenden Mitgliedern.

Entsprechend setzt sich unser Selbstwertgefühl aus vielen einzelnen »Selbstwerten« zusammen. Das spüren wir ständig: In Gegenwart mancher Menschen fühlen wir uns als Person beachtet und geschätzt, während wir uns im Kontakt mit anderen eher unbedeutend oder abgewertet vorkommen. Manchen Situationen fühlen wir uns mit unseren Fähigkeiten gut gewachsen und handeln souverän, in anderen verhalten wir uns eher abwartend, sind unsicher und vorsichtig. In den Bereichen, in denen wir uns sicher fühlen und uns selbst so akzeptieren, wie wir sind, können wir mit einem Mangel an Aufmerksamkeit oder mit Kritik ganz locker umgehen. Dort dagegen, wo wir uns unsicher fühlen, reagieren wir empfindlicher. Das Selbstwertgefühl beruht also nicht einzig und allein auf dem »gefühlten Innen«, sondern hat immer auch mit der Resonanz zu tun, die wir in unserer Umgebung hervorrufen. Deshalb muss es sich auch immer wieder aufs Neue einpendeln.

Umbrüche ermöglichen Wachstum

Vor allem neue, ungewohnte Situationen und Übergangsphasen bedeuten oftmals eine Herausforderung für das Selbstwertgefühl. Bei Konflikten mit dem Partner, mit Freunden, der Familie oder Kollegen und in Umbruchs- und Krisenzeiten wird es oft ziemlich hart auf die Probe gestellt. Solche Momente lösen Ängste und Selbstzweifel aus: Schaffe ich das? Liegen die Probleme an mir? Was mache ich falsch? Bedeutet der Konflikt, dass ich nicht liebenswert bin?

Gelingt es jedoch, die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen und Lösungen zu finden, stärkt das auch das Selbstwertgefühl in besonderem Maße. Wer etwas geschafft hat, kann mit sich selbst zufrieden sein und sich annehmen. Das heißt aber auch: Menschen, die ohne Schwierigkeiten durchs Leben gehen, haben wenig Dünger für persönliches Wachstum.

»Nur wenige wissen, dass die Fähigkeit, andere zu lieben, erst durch die Liebe zu sich selbst ermöglicht wird.«

Wayne Dyer

Jede Zeit hat ihre Fragen

Jede Lebensphase hält ihre typischen Herausforderungen bereit:

Für einen Jugendlichen, der gerade die Pubertät durchläuft, wird Identität ein wichtiges Thema: Wer bin ich? Wer will ich sein? Woran orientiere ich mich? Wie will ich auf keinen Fall wirken?

Ein junger Mann, der gerade seine Ausbildung abschließt, fragt sich womöglich, ob er sich einen Job vor Ort suchen soll und da bleibt, wo er seinen Platz hat, die Menschen kennt und Freunde hat. Oder soll er die berechenbare Zukunft gegen die Freiheit und das Abenteuer eintauschen, das ein Umzug in eine andere Stadt oder sogar in ein anderes Land mit sich bringt?

Bei diesen Umbrüchen brauchen wir nicht nur ein gutes Bewusstsein unseres eigenen Wertes, sondern auch Unterstützung durch andere. Gleiches gilt für die anderen Entscheidungen, die das Leben bereithält: Heirat – ja oder nein? Womöglich Trennung? Mutter werden – und falls ja, wann? Auch die Auseinandersetzung mit Krankheiten, Sorgen, Enttäuschungen, mit Veränderungen und neuen Lebensphasen und schließlich mit dem Tod fordert uns, weil wir das Selbstwertgefühl immer wieder aufs Neue in Balance bringen müssen.

Die Selbstwertkurve

In einer Langzeitstudie wurde untersucht, wie sich das Selbstwertgefühl im Laufe des Lebens verändert.

Viermal wurden Männer und Frauen im Alter zwischen 25 und 104 Jahren mit größeren zeitlichen Abständen zu ihrem Selbstverständnis befragt. Bei den jungen Erwachsenen war das Selbstwertgefühl am geringsten ausgeprägt. Es stieg von da an kontinuierlich immer weiter, bis es bei den Personen im Alter von etwa 60 Jahren einen Höhepunkt erreichte. Danach fiel es relativ rasch wieder ab.

Es zeigten sich außerdem Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Frauen verfügen laut dieser Studie in den meisten Altersklassen über etwas weniger Selbstakzeptanz und Selbstvertrauen als Männer. Im Alter nähern sich die Werte wieder an.

Frauen wie Männer, die in einer intakten und glücklichen Beziehung lebten, zeigten ein deutliches Plus in ihrer Selbsteinschätzung. Als selbstwertfördernd erwiesen sich auch Bildung, Gesundheit, Einkommen und die berufliche Position, besonders im fortgeschrittenen Alter.

Nicht von außen bestimmen lassen

Wenn Sie bis hierher gelesen haben, denken Sie vielleicht: Hätte ich doch bloß ein ideales Elternhaus gehabt, hätten mich die anderen Kinder in der Schule nicht so doof behandelt, hätte ich einen anderen Partner, wäre dies, das und jenes anders gelaufen, ja dann …

Aber glücklicherweise müssen all die Einflussfaktoren, aus denen sich bisher Ihr Selbstwertgefühl gespeist hat, nicht festlegen, wie Sie Ihr Leben künftig meistern. Zwar können wir unsere bisherigen Erlebnisse weder ungeschehen machen noch auslöschen. Wir haben jedoch viele Möglichkeiten, unsere Überzeugungen zu korrigieren und nachhaltig zu verändern – sofern wir uns dazu entschließen und bereit sind, aktiv und konsequent etwas dafür zu tun. So lässt sich das Selbstwertgefühl auch im Alter von zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig Jahren und aufwärts noch beeinflussen, stärken und ausbauen.

Wir haben gesehen, dass ein geringes Selbstwertgefühl nicht angeboren ist, sondern über verschiedene Lebensphasen hinweg »erlernt« wird. Genauso kann man es natürlich auch wieder verlernen und durch Selbstakzeptanz und Selbstvertrauen ersetzen. Denn Lernen ist, wie die moderne Hirnforschung zeigt, von der Geburt bis zum Tode möglich: Es ist also nie zu spät, Veränderungen im Denken und Fühlen in die Wege zu leiten. Genau dabei soll Ihnen dieser Kleine Coach mit seinen sieben Schlüsseln helfen – durch Impulse und konkrete Vorschläge.

Lass los, was dich klein macht

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