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Historische Romane

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Der sozialen Erweiterung des Horizonts von Autorinnen und Leserinnen entspricht eine Erweiterung in temporaler Hinsicht, im historischen Roman. Auch hier folgen die Schriftstellerinnen einem allgemeinen Trend, den sie mit einer gewissen Präferenz für weibliche Gestalten der Historie verbinden.49

Najmájers Eine Schwedenkönigin (1882) und Der Stern von Navarra (1900) sind typische Beispiele dafür, wie sich schon damals die Spurensuche nach den Frauen in der Geschichte manifestiert hat. Wie ihre männlichen Kollegen legen auch die Schriftstellerinnen großen Wert auf historische Recherchen,50 die sie, ebenfalls wie ihre Kollegen, ziemlich unbekümmert in den Text montieren, ohne dies, wie noch Pichler, speziell zu erwähnen. Während allerdings der „Professorenroman“ eine Popularisierung wissenschaftlicher Forschung durch die Gelehrten selbst darstellt,51 ist für Frauen die Situation umgekehrt: Die wissenschaftliche Tätigkeit ist ihnen verschlossen, insofern stellt der Roman eine Kompensation dar. Präferierte Zeiten sind der Verfall des Römischen Reichs, das Mittelalter und die Renaissance, Zeiten, in denen Frauen der herrschenden Schicht – und in dieser spielen die Texte – vielfach über eine höhere Kultur und teilweise auch über erhebliche Machtbefugnisse verfügt haben. So wird in Janitscheks Esclarmonde der Wunsch der Heldin, Schreiben zu lernen, und das bedeutet natürlich in diesem Kontext weitaus mehr, keineswegs als einer Erklärung bedürftig empfunden, genauso wenig wie die außergewöhnliche Bildung der Johanna in Stern von Navarra (1900):

Ebenso hatte ihr letztere [ihre Mutter Margarete, die Verfasserin des Heptameron] einen ausgezeichneten Lehrer beigegeben, mit dem sie humanistische und klassische Studien betrieb, die noch jetzt, nach mehr als dreihundert Jahren, keinen Eingang in unsere Töchterschulen gefunden haben52,

heißt es tendenziös bereits am Beginn des Roman. Er behandelt die französischen Religionskriege, also Bartholomäusnacht und Vertreibung der Hugenotten, und den Aufstieg der Bourbonen in der Gestalt Henris/Heinrichs IV., allerdings nicht, wie knapp vier Jahrzehnte später bei Heinrich Mann, aus der Perspektive Henris und als Parabel für die (nationalsozialistische) Gegenwart, sondern vielmehr aus der Perspektive seiner Mutter Johanna. Sie spielt im Roman von Najmájer eine wichtige Rolle in den dynastischen Verbindungen und Intrigen, die zum Erfolg ihres Sohnes führen. Die Vermittlung von historischen Kenntnissen ist ein zentrales Anliegen des Romans, in dem auch das Wissen selbst thematisiert wird.53 Insofern ist er, aus einer unterschiedlichen Ausgangsposition, dem Professorenroman zuzurechnen – Klugsberger hat die Genauigkeit der historischen Recherchen nachgewiesen. Bemerkenswert ist bei Najmájer das Konzept der Vorgeschichte, das sie auch in Eine Schwedenkönigin (1900) beibehält. Wie im Stern von Navarra die Bedingungen für den Aufstieg und Erfolg von Heinrich IV., so werden hier die Bedingungen für den Aufstieg von Gustav Adolf erzählt. Sie werden zwar noch nicht psychoanalytisch aufgearbeitet, aber immerhin werden hier die großen Männer der Geschichte bereits bedingt durch ein familiäres Umfeld gezeichnet, in dem Frauen zentral sind.

Der historische Roman bleibt in den folgenden Jahren wichtig, wobei die Entwicklung in Richtung auf die Einbettung von psychologischen Entwicklungen in einen historischen Rahmen geht.

Österreichische Schriftstellerinnen 1800-2000

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