Читать книгу Österreichische Schriftstellerinnen 1800-2000 - Sigrid Schmid-Bortenschlager - Страница 21

[Menü]

3.

3.1 Wege zum Schreiben

Caroline Pichlers (1769 –1843) Werke werden – nicht ganz zu Recht, wie wir gesehen haben – eher dem 18. Jahrhundert und der Aufklärung zugerechnet, und damit einer Epoche, die zwar den Beginn der Moderne markiert, deren Texte aber, mit Ausnahme der Theaterstücke Lessings, kaum noch gelesen werden.2 Die eine Generation jüngere Betty Paoli (1814 –1894) hingegen ist nicht nur in den einschlägigen Frauen-Anthologien, sondern auch im Gutenberg-Projekt im Internet mit einem Band ihrer Gedichte vertreten.

Sie repräsentiert einen ganz anderen Weg zur Schriftstellerei als Pichler. Pichler, im liberalen Salon-Milieu aufgewachsen, hat eine für ihre Zeit und für ein Mädchen recht gute private Erziehung genossen und ist sozusagen „natürlich“ ins Schreiben hineingewachsen. Betty Paoli hingegen repräsentiert den im 19. Jahrhundert häufigeren Typus der Schriftstellerin, für die Schreiben primär eine der wenigen Möglichkeiten darstellt, Geld zu verdienen.3

Da Frauen der Zugang zu den – immer wichtiger werdenden – öffentlichen höheren Bildungseinrichtungen verschlossen ist, sind ihnen auch logischerweise die damit in Zusammenhang stehenden Berufe verschlossen. Zwar handelt es sich beim Problem des Zugangs von Frauen zur Berufswelt um ein schichtenspezifisches Problem – die Mehrheit der Frauen arbeitet in der Landwirtschaft, als Dienstboten in den Haushalten und in den Fabriken –, doch für die bürgerlichen Schichten sind als „standesgemäße“ Erwerbstätigkeiten lediglich diverse Handarbeiten und Kindererziehung vorgesehen;4 die künstlerischen Berufe, vor allem die Schriftstellerei (mit erheblichen Einschränkungen auch die Schauspielerei) bieten hier zunehmend einen Ausweg. Schreiben und lesen können die Frauen, ihre Lektüre-Kenntnisse sind sogar meist besser als die der Männer,5 und der literarische Markt mit seinen zahlreichen Zeitungsfeuilletons und Zeitschriften ist aufnahmefähig. Formale Qualifikationen sind nicht nötig, das Einkommen ist zwar unregelmäßig, kann aber recht beträchtlich sein.