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Hohe Literatur und Trivialliteratur

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Die Position des Propheten/Apostels/Priesters ist in der jüdisch-christlichen Tradition eindeutig und ausschließlich männlich besetzt, so dass Frauen für diese Rolle nicht in Frage kommen. Da aber die Existenz von schreibenden Frauen genauso wenig geleugnet werden kann wie die von schreibenden Männern, die nicht den Typus Genie repräsentieren, wird eine Trennung in Dichter und Schriftsteller eingeführt. Dichter ist dabei im Deutschen keineswegs wie im Englischen der poet oder im Französischen der poète der Verfasser von Lyrik, sondern er ist der inspirierte, geniale, Meisterwerke schaffende Autor, während der Schriftsteller – und natürlich auch die Schriftstellerin –, mit dem Handwerker verwandt, Unterhaltungsliteratur für die breite Masse, für den raschen Konsum produziert. Nirgends ist die Kluft zwischen „hoher Literatur“ und „Unterhaltungsliteratur“ so groß wie im deutschen Sprachraum, wo kommerzieller Erfolg schon fast ausreichender Anlass für das Urteil „mindere Qualität“ ist. Dass staatliche Institutionen auf den verschiedensten Ebenen praktisch die einzigen Mäzene für Literatur sind, erweist diesen auratischen, fast sakralen Charakter von Kunst, die sich nicht dem banalen Kommerz aussetzen muss. Die mangelnde Integration der Schriftsteller in die Zivil-Gesellschaft – inzwischen oft genug beklagt – bestätigt diese Tendenz. Angesehene Literaturpreise, von Einzelpersonen, Institutionen oder von Verlagen gestiftet, im angelsächsischen und im französischen Bereich gang und gäbe, sind im deutschen Sprachbereich noch immer selten.

Angesichts dieses Umfelds ist es klar, dass Schriftstellerinnen – bis heute – auf den Bestseller-Listen aufscheinen können, dass aber die Literaturwissenschaft von ihnen trotzdem, oder vielmehr gerade deshalb, keine Notiz nimmt und dass sie damit – versteht man Wissenschaft als kollektives Gedächtnis – aus dieser Erinnerung immer wieder verschwinden.

Auch die „archäologische“ Spurensuche der letzten 30 Jahre ist unter diesem Blickwinkel des Geniebegriffs gestanden – es wurde die „Schwester Shakespeares“ gesucht; das „andere“ Schreiben der Frauen zu finden, das noch innovativer als alle anderen Innovationen und Avantgarden gewesen sein sollte, war das Ziel. Die Forscherinnen waren und sind geprägt durch ihre wissenschaftliche Sozialisation, die nach wie vor einer romantischen Innovationspoetik verhaftet ist.11 Eine Ausnahme stellen die cultural studies dar, in denen Literatur aber meist auf die Funktion als historische Quelle reduziert wird.

Es ist an der Zeit, einzusehen und zuzugeben, dass Frauen im Bereich der literarischen Avantgarden tatsächlich selten gewesen sind, auch wenn man in Rechnung stellt, dass es sich dabei seit Ende des 19. Jahrhunderts immer um Gruppenphänomene gehandelt hat. In der Regel kann der Einfall, die Idee, auf die es ja immer mehr angekommen ist, nicht klar einer Person zugeordnet werden. Man muss daher den kreativen Anteil der Frauen in diesen Gruppierungen mitdenken. Aber die Beiträge von Autorinnen zu einer der Geniepoetik verhafteten Literaturgeschichte sind nicht gerade zahlreich: Lasker-Schüler, Zürn, Bachmann, Aichinger, Mayröcker, Jelinek – man muss in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts gehen, um tatsächlich gute Beispiele für avantgardistische Autorinnen zu finden.

Es ist ebenso an der Zeit, sich vom Absolutheitspostulat einer Innovationspoetik zu verabschieden. Claude Simon hat in seiner Nobelpreisrede trefflich formuliert, dass er bzw. der Dichter keine bloße Übersetzungsmaschine sei, die die göttliche Inspiration in menschliche Sprache übertrage:

L’écrivain est alors dépossédé du bénéfice de ses effort au profit de ce que certains ont appelé, l’inspiration‘, qui fait de lui un simple intermédiaire, le porteparole dont se servirait on ne sait quelle puissance surnaturelle, de sorte qu’autrefois domestique appointé ou consciencieux artisan, il voit maintenant sa personne tout simplement niée: c’est tout au plus qu’un copiste, ou le traducteur d’un livre déjà écrit quelque part, une sorte de machine à décoder et à délivrer en clair des messages qui lui sont dictée depuis un mystérieux au-delà.12

Wie Benn in seinem berühmten Diktum über das Gedicht, das nicht „entsteht“, sondern „gemacht“ wird,13 betont auch Simon den handwerklichen Aspekt des Schreibens, die involvierte Arbeit und das Können. Und es ist an der Zeit, die Literatur von Frauen unter diesen Gesichtspunkten zu betrachten und der Konstruktion von Handlung und Figuren, den sprachlichen Fähigkeiten, den Intentionen der Texte und ihrer Erfüllung etc. besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Dass Schreiben für Frauen oft weniger eine Form der Selbstverwirklichung als für ihre männlichen Genie-Kollegen gewesen ist, sondern sehr viel praktischere Anlässe dafür ausschlaggebend gewesen sind, zeigt sich in zahlreichen biographischen Zeugnissen: Das beginnt mit der ganz banalen Notwendigkeit, Geld zu verdienen;14 es geht häufig darum, quasi Propaganda-Literatur – nicht nur, aber häufig auch, zur Frauenfrage – zu schreiben,15 es kann aber auch – der berühmte Möhrmann’sche Vor- und Rückzug – eine quasi psychoanalytisch fundierte Konstruktion einer eigenen Biographie sein.16 Auch die Erfahrung und Erschreibung von neuen Räumen, ganz real und metaphorisch, ist wichtig – Schreiben im Sinn von Probe-Handeln, wie es u. a. Roland Barthes oder Dieter Wellershoff definierten.

Österreichische Schriftstellerinnen 1800-2000

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