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Das volle Programm

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Nun bin ich auch Ökonomin und nehme als solche nicht nur menschliches Wohlbefinden in den Blick, sondern auch die Konsequenzen der fehlenden Lebendigkeit für die Unternehmen selbst.

Kurz und sehr ökonomisch gesprochen werden Unternehmen in ihrer Wertschöpfung behindert, ja sogar in ihrer Existenz gefährdet, wenn es in ihnen nicht lebendig zugeht. Das habe ich in meiner Zeit in Ludwigshafen miterleben müssen und ich vermute, dass Sie ebenfalls Erfahrungen in diese Richtung gemacht haben. Dass Sie möglicherweise auch erlebt haben, wie in einem Projektmeeting noch alle Ampeln im Projektplan auf »Grün« standen und in der nächsten Woche klar wurde, dass die Zulassungsunterlagen auf keinen Fall fristgerecht fertig werden würden. Was war passiert? Es hatten alle so getan, als wenn im Projekt alles bestens läuft, und die Ampeln auf »Grün« gestellt. Wer das nicht tat und rechtzeitig warnte, dass es eng werden könnte, so die Erfahrung, bekam sofort ein Problem. Wer das aussaß und hoffte, es würde schon irgendwie gut gehen, bekam nur dann ein Problem, wenn es wirklich schiefging.

Ich verstehe gut, wenn Menschen sich das nicht antun wollen und schauen, ob sie sich durchwurschteln können. Doch für das Unternehmen ist so ein System, das zu solchem Verhalten einlädt, eine große Gefahr. Herausforderungen und Schwierigkeiten werden nicht rechtzeitig erkannt, und damit fehlt die Möglichkeit, gegenzusteuern. Ergebnis? Ein Medikament kommt erst mit monate- oder jahrelanger Verzögerung auf den Markt, die Maschine kann nicht fristgerecht ausgeliefert werden oder ein Flughafen jahrelang nicht eröffnet werden. Umsatzausfälle, Vertragsstrafen, Imageschäden – das volle Programm.

Noch dazu gehen dann gute Leute, weil sie frustriert sind. Oder sie bleiben und machen Dienst nach Vorschrift, was nicht unbedingt besser ist. Und das nicht, weil sie nicht anders wollen oder böswillig Leistung vorenthalten, sondern vielfach, weil sie für etwas anderes keine Kraft mehr haben. Damit sind dann nicht nur kurzfristig Umsätze in Gefahr, sondern langfristig der Bestand des Unternehmens. Denn wenn die Kraft fehlt, bleiben auch Entwicklungen, Verbesserungen und Innovationen aus. Auf Dauer ist das tödlich. Vor über 20 Jahren in Ludwigshafen passierte genau das: Zuerst gingen gute Leute, vor allem Forscher und IT-Spezialisten. Die übrigen Mitarbeiter versuchten, trotz Strukturen und Vorgaben kundenorientiert zu handeln. Vergeblich, das 1886 gegründete Unternehmen wurde Anfang des neuen Jahrtausends an einen amerikanischen Konzern verkauft.

Wir könnten jetzt noch eine Weile weitersprechen über die Folgen fehlender Lebendigkeit, doch ich habe den Eindruck, darüber wurde in den letzten Jahren genug geschrieben und gesprochen. Bücher, Wochenendausgaben der Tageszeitungen, Fachzeitschriften, Podiumsdiskussionen – überall setzt sich die Erkenntnis durch, dass es anders werden muss. Wir haben hier offenbar kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsproblem. Dabei ist es bitter nötig, zu agieren, denn nicht nur für Einzelne und Unternehmen hat das Fehlen der Lebendigkeit gravierende Folgen, sondern auch für ganze Gesellschaften.

Lebendigkeit entfesseln

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