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Ernsthaft?

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Ein kalter Januarabend im Jahr 2016 in Berlin, der Saal des Museums für Kommunikation ist festlich geschmückt, es leuchtet und glitzert. Ein Preis für »Neue Konzepte der Arbeit« wird verliehen. Drei Gewinner. Platz drei ging an ein Unternehmen, das die Arbeitswoche auf 36 Stunden verkürzt und auf vier Tage verteilt hat. Mein erster, spontaner Gedanke? »Ernsthaft? Ihr zeichnet ein Unternehmen aus, das die Arbeitszeit anders verteilt?« Ich fragte mich, ob ich es wirklich als Vorteil werten sollte, vier lange statt fünf kürzere Tage zu arbeiten.

Ja, das war 2016, da hat sich doch viel getan, mögen Sie denken. Nun, 2017 gewann ein großes, international tätiges Unternehmen denselben Preis dafür, dass die Mitarbeiter »überall gleichermaßen gut arbeiten« können und 70 Prozent der Belegschaft mindestens einmal pro Woche unterwegs oder zu Hause arbeiten. 2018 war wieder ein Unternehmen mit 4-Tage-Woche und Sommer-Sabbatical dabei, 2019 gab es den Preis für ein Unternehmen, das Fünf-Stunden-Tage eingeführt hatte. Jeden Tag Arbeit von 8 bis 13 Uhr. Alle Mitarbeiter arbeiten in diesen Stunden selbstorganisiert, Meetings gibt es kaum oder nur kurz und »Störfaktoren wie Smalltalk werden vermieden«, wie es in der Laudatio hieß. Dieses Beispiel hat inzwischen international Resonanz erfahren, bis hin zu einem Artikel in der »New York Times«. Und jedes Jahr dachte ich wieder: »Ernsthaft?«

Nun ist es natürlich nicht falsch, sich über intelligente Arbeitszeitmodelle Gedanken zu machen und da neue Wege zu erproben. Was mich aber dennoch daran stört? Mir geht es weniger darum, dass solche Ansätze nicht für alle Unternehmen oder Aufgaben anwendbar sind. Es geht nicht um die viel zitierte Pflegekraft, die ihre Arbeit nicht mit nach Hause nehmen kann, oder den Polizisten, der kein Homeoffice machen kann. Das ist mit jedem Konzept so, nichts passt immer. Was mich wirklich stört, ist die Verkürzung von New Work auf »mobil und flexibel«. Da bin ich raus, um den Designer Guido Maria Kretschmer zu zitieren.

Manchmal erzeugen Medikamente erst den Schmerz, den sie zu bekämpfen versuchen.

Ich bin raus, weil wir mit »Zeit und Ort« an Symptomen unserer Arbeitswelt herumdoktern und nicht an dem arbeiten, was diese Arbeitswelt zentral ausmacht. Und das sind eben vielfach noch hierarchische Strukturen, Fremdbestimmung, Beschäftigung statt Arbeit und einseitige Bevorzugung der Shareholder gegenüber anderen Stakeholdern. Nun ist es natürlich manchmal sehr hilfreich, ein Symptom zu kurieren. Das ist bei Kopfschmerzen nicht anders. Kurzfristig hilft die Tablette, doch die Ursache für die Schmerzen verschwindet meistens nicht und kann sich sogar unbemerkt verschlimmern. Und manchmal erzeugen Medikamente erst den Schmerz, den sie zu bekämpfen versuchen.

Ich befürchte, dass eine so verstandene »Neue Arbeit« weder für mehr Kreativität, Produktivität und Innovationen in unseren Unternehmen sorgen noch uns Menschen zufriedener machen wird. Das wurde mir neulich wieder sehr bewusst, als ich bei einem Vortrag eines Kollegen im Publikum saß. Engagiert hatte er über New Work und dabei besonders über flexible Arbeit in Zeit und Raum gesprochen. Applaus, kurzer Dialog mit dem Publikum. Dann die letzte Frage eines Zuhörers: »Aber guter Mann, wird uns dieses New Work glücklicher machen?« Der Redner schwieg lange und sagte dann: »Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht.« Die Stille im Raum nach seiner Antwort war ergreifend und zugleich die wichtigste Botschaft des Vortrags.

Lebendigkeit entfesseln

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