Читать книгу CLIL in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten in heterogenen Primarschulklassen - Silvia Frank Schmid - Страница 30
3.2 CLIL-Didaktik
ОглавлениеEs lohnt sich an dieser Stelle aufzuzeigen, wie sich die methodisch-didaktischen Ansätze im CLIL-Unterricht in den letzten vierzig Jahren gewandelt haben. Historisch betrachtet war der bilinguale Unterricht stets mehr von Interesse für die Fremdsprachenlehrpersonen als jener der Sachfachlehrpersonen (Vollmer 2013, S. 124). CLIL wurde in den Anfängen als erweiterter Sprachunterricht im Sinne einer Erhöhung der ‘exposure time’ betrachtet, indem zusätzlich zum Fremdsprachenunterricht in einem anderen Fachbereich Inhalte in der Zielsprache vermittelt wurden. Stark geprägt von der damaligen ‘input-based’ Sprachlerntheorie (z. B. Krashen 1987, S. 20ff), lag der Fokus in den Anfängen auf dem Beibringen von Fachtermini und auf dem Zuhören von Lehrvorträgen (Wolff 2016, S. 28–30). Diese eher einseitige Fokussierung auf die rezeptiven Sprachkompetenzen verursacht durch die hauptsächlich lehrzentrierten Unterrichtsarrangements stiess vermehrt auf Kritik, denn dies widersprach der zunehmenden Forderung nach einem modernen kommunikativen Fremdsprachenunterricht. In den Neunzigerjahren veranlasste Swains ‘output hypothesis’ (1993, S. 159) ein Umdenken in der Fremdsprachendidaktik. Seine Theorie bekräftigte, dass neben einem verständlichen Input auch der aktive Sprachgebrauch für den Erwerb einer Fremdsprache von Notwendigkeit ist. Daher versucht man seither im CLIL-Unterricht vermehrt die Inhalte des Sachfaches in die Spracharbeit zu integrieren, damit sich Lernende aktiv mit den beiden Fachinhalten auseinandersetzen können. Seit der Jahrtausendwende wird somit bilingualer Unterricht auch aus dem Blickwinkel des Sachfaches betrachtet. Denn dank den empirischen Untersuchungen in den letzten Jahren wurden auch Skeptiker überzeugt, dass CLIL nicht nur einen Mehrwert für das fremdsprachliche, sondern auch sachfachliche Lernen ausweist (siehe Kapitel 2.2). Die Sachfachinhalte stehen heutzutage immer mehr gleichberechtigt neben der Spracharbeit (Wolff 2016, S. 30–31). Folglich geht man davon aus, dass Sprache in der Anwendung gelernt wird und deshalb Sprache und Sachfach nicht trennbar sind sondern gleichzeitig gelernt und gelehrt werden müssen (Leisen 2015b, S. 225).
Welchen Einfluss diese Entwicklung auf die moderne CLIL-Didaktik hat, wird nachfolgend beleuchtet. Jedoch bereits vorweg: Die CLIL-Didaktik gibt es nicht. Stattdessen treffen im bilingualen Unterricht drei Didaktiken aufeinander: die Fachdidaktik das Sachfaches, die Fremdsprachendidaktik und die Sprachlerndidaktik (Leisen 2015a, S. 46). Während die ersten beiden Didaktiken die logische Tatsache betonen, dass die CLIL-Methodik von den jeweilig beteiligten Fächern abhängt, vertritt die Dritte den Grundsatz, dass jeder Unterricht zugleich Sprachunterricht ist. Damit ist gemeint, dass sich die Kommunikation im Alltag und die Bildungssprache im Unterricht unterscheiden. Letztere muss folglich im fachspezifischen Unterricht immer auf ‘sprachsensible’ Weise mit den Lernenden aufgebaut werden (Leisen 2017, S. 1).
Eine passende CLIL-Didaktik muss somit immer für den spezifischen Kontext erarbeitet werden – was im Umfang dieses Hauptkapitels auch erreicht werden soll. Zunächst werden jedoch zwei wesentliche methodisch-didaktische Herausforderungen mitsamt möglichen Lösungsansätzen aufgezeigt, die für die spätere Entwicklung einer passenden CLIL-Didaktik mitberücksichtigt werden müssen.
Erstens, wie bereits im Kapitel 2.2 erwähnt, gibt es Annahmen, dass der CLIL-Unterricht aus methodisch-didaktischer Sicht besonders sorgfältig geplant sowie besser strukturiert ist (Bonnet 2016, S. 42). Eine solche optimierte Didaktik wird mitunter als Grund angesehen, wieso das Lernen im CLIL-Unterricht trotz erhöhter Anforderungen gelingt. Die an Schweizer Primar- und Sekundarschulen durchgeführte Studie von Badertscher und Bieri (2009) kommt jedoch zum ernüchternden Ergebnis, dass sich die didaktische Grobstruktur der je zehn untersuchten Lektionen durchgeführt in der Schulsprache jenen zehn Lektionen durchgeführt in der Zielsprach stark ähneln. Das Lehrgespräch nimmt in allen Lektionen, unabhängig der Instruktionssprache, den grössten Anteil ein und steht in einem 2:1 Verhältnis zu den schülerzentrierten Sequenzen. Die CLIL-Lektionen geben den Schüler*innen gemäss dieser Studie gleich viel oder wenig Handlungsspielraum und Interaktionszeit wie jene non-bilingual durchgeführten Unterrichtsstunden (Badertscher & Bieri 2009, S. 123). Auch andere Untersuchungen zeigen, dass der Wechsel vom rezeptiv- und lehrorientierten Unterrichtssetting hin zu mehr lern- als auch output-orientierten CLIL-Unterricht erst ansatzweise gelingt (Dalton-Puffer 2007, S. 261; Nikula et al. 2013, S. 86). Diese Resultate lassen vermuten, dass der CLIL-Unterricht didaktisch weder innovativ geplant noch optimal durchgeführt wird. Stattdessen neigt er dazu stark lehrerzentriert zu verlaufen und gibt den Lernenden nur begrenzt Möglichkeiten eigene Sprachhandlungen auszuführen (Schwab et al. 2012, S. 8).1 In lehrzentrierten Settings sind die Lernenden im rezeptiven Bereich gefordert, zum Beispiel im Verstehen von Inputs, Texten und Lehrerfragen. Die produktiven Handlungen sind jedoch auf die Beantwortung von Lehrfragen beschränkt, welche sich oft mit einem Wort oder einer kurzen Aussage beantworten lassen (Badertscher & Bieri 2009, S. 193; Stebler & Stotz 2004, S. 21). Eine wichtige Grundvoraussetzung für die Umsetzung von innovativem CLIL-Unterricht ist somit eine ausgewogene Balance von lehr-zentrierten und schüler-orientierten Lernsequenzen, in denen in gleicherweise rezeptive als auch produktive Sprachkompetenzen aufgebaut werden können. Gruppenarbeiten werden in diesem Zusammenhang als eine vielversprechende Möglichkeit angesehen, um den Lernenden vielfältige Gelegenheiten für die Sprachverwendung zu ermöglichen (vgl. Nikula et al. 2013, S. 90).
Zweitens, damit die angestrebte Fusion von fremdsprachlichem und inhaltlichem Lernen gelingen kann, braucht es im CLIL-Unterricht Lernumgebungen, die eine im Sinne des konstruktivistischen Lernens eine echte Auseinandersetzung mit Sprache und Inhalt zulassen. Um dabei der grossen Heterogenität gerecht zu werden, müssten diese Lernmomente differenziert und eigenaktiv vollzogen werden können. Jedoch ist insbesondere mit Sprachanfängern auf der Primarstufe die Durchführung von konstruktivistisch geprägten, eigenständigen Unterrichtsformaten besonders anspruchsvoll. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass die Lernenden zuerst die nötigen fremdsprachlichen Grundkompetenzen besitzen müssen, damit sie überhaupt selbstständig handeln können. Weiter lassen sich die fremdsprachlichen Anforderungen bei schülerzentrierten Unterrichtsformen deutlich weniger genau vorhersagen und somit fremdsprachlich unterstützen (Thürmann 2010, S. 73). Bei Untersuchungen von CLIL-Unterricht auf der Primarstufe hat sich tatsächlich herausgestellt, dass Schülerantworten teilweise bereits als chunks vorgegeben werden müssen. Sobald Fragen offener formuliert werden – was grundsätzlich wünschenswert wäre –, weichen die Lernende oft auf die Schulsprache aus (Bechler 2014, S. 175-176; Stebler & Stotz 2004, S. 22). Dieser Herausforderung kann begegnet werden, indem die Lernenden zuerst mit den nötigen fremdsprachlichen Wörtern oder Strukturen vertraut gemacht werden und sie diese dann in vielfältiger Weise üben und anwenden können.
Diese beiden hier aufgezeigten Herausforderungen verbunden mit bilingualem Unterricht auf der Primarstufe müssen bei der Erarbeitung einer passenden CLIL-Didaktik beachtet werden. Demnach sollen bereits auf didaktisch-methodischer Ebene die bislang dargelegten Gelingensbedingungen für die Umsetzung des gewünschten sozial-konstruktivistischen CLIL-Unterrichts – das heisst die Bereitstellung von schüler-zentrierten als auch kooperativen Lernsequenzen mit ausgewogenen Anteilen an sachfachlichen und fremdsprachlichen rezeptiven als auch produktiven Lernmöglichkeiten – berücksichtigt werden.
Die hohe Anpassungsfähigkeit von CLIL, die mitunter für den heutigen Erfolg dieses Unterrichtskonzepts verantwortlich gemacht wird, erlaubt es solche spezifischen kontextuellen Gegebenheiten in die Planung und Umsetzung einzubeziehen. Gleichzeitig, weil CLIL als umbrella term in verschiedensten Kontexten und Fächerkombinationen in unterschiedlichster Weise umgesetzt wird, kann es keine prototypische Didaktik geben (Marsh 2017, S. 9). Coyle (2007b, S. 546) beschreibt das wandelbare Wesen von CLIL folgendermassen: «Given the diversity, I would argue that such a flexible inclusive approach to CLIL is both a strength and potential weakness. The strength of CLIL focuses on integrating content and language learning in varied, dynamic and relevant learning environments (…). Its potential weakness lies in the interpretation of this ‘flexibility’ unless it is embedded in a robust contextualised framework with clear aims and projected outcomes» (Coyle 2007b, S. 546). Aus diesem Grund entwickelte Coyle (1999) ein hilfreiches Framework, das der Planung und Umsetzung von CLIL-Unterricht ein starkes Rückgrat liefert als auch eine konzeptuelle Einbettung bietet.
Das sogenannte ‘4Cs framework’ (Coyle 1999, S. 53; 2007a, S. 51) (vgl. Abbildung 4) beschreibt die Wechselwirkung von vier grundlegenden Aspekten, die in der CLIL-Praxis eng korrelieren. Es sind die Bereiche content, communication, cognition, und culture, die miteinander den CLIL-Kontext konstituieren und auf methodisch-didaktischer Ebene bei jeder Umsetzung berücksichtigt werden müssen: «In essence, the 4Cs framework suggests that it is through progression in knowledge, skills and understanding of the content, engagement in associated cognitive processing, interaction in the communicative context, the development of appropriate language knowledge and skills as well as experiencing a deepening intercultural awareness that effective CLIL takes place.» (Coyle 2007b, S. 550)
Abbildung 4:
4Cs framework (Coyle et al. 2010, 41)
Das Framework ist in der Theorie breit akzeptiert, in der Praxis weit verbreitet und adressiert die oben dargelegten Herausforderungen. Zusätzlich passt in den Rahmen dieser Untersuchung, weil es auf relevanten, empirisch begründeten Prinzipien basiert (O. Meyer 2010b, S. 12; Coyle 2007b, S. 550–51). Nachfolgend werden drei dieser Prinzipien vorgestellt, die die Daseinsberechtigung für das Framework für vorliegende Untersuchung stabil untermauern.
1) Sozialer Konstruktivismus
Lernen passiert durch aktives Konstruieren im Austausch mit anderen (Vygotsky 1978, S. 92). Die Basis für fremdsprachliches als auch inhaltliches Lernen sind kognitive Prozesse, die über (innere oder äussere) Sprache realisiert werden. «Language arises initially as a means of communication between a child and the people in his environment. Only subsequently, upon conversion to internal speech, does it come to organize the child’s thought, that is, become an internal mental function.» (Vygotsky 1978, S. 93). In Anlehnung an Vygotsky prägt Swain (2006, S. 98) den Begriff ‘languaging’ und meint damit «the process of making meaning and shaping knowledge and experience through language.» Languaging hilft somit Lernen wahrzunehmen. Sowohl Vygotsky als auch Swain verdeutlichen mit ihren Aussagen, dass sich Denken (cognition) durch die Auseinandersetzung mit einem relevanten Inhalt (content) über Sprache (communication) entwickelt.
2) Funktionaler, kommunikativer Sprachgebrauch
Sprache wird interaktiv im Kontext gelernt. «Sprachverwendung – und dies schließt auch das Lernen einer Sprache mit ein – umfasst die Handlungen von Menschen, die als Individuen und als gesellschaftlich Handelnde eine Vielzahl von Kompetenzen entwickeln, und zwar allgemeine, besonders aber kommunikative Sprachkompetenzen. Sie greifen in verschiedenen Kontexten und unter verschiedenen Bedingungen und Beschränkungen auf diese Kompetenzen zurück, wenn sie sprachliche Aktivitäten ausführen, an denen (wiederum) Sprachprozesse beteiligt sind, um Texte über bestimmte Themen aus verschiedenen Lebensbereichen (Domänen) zu produzieren und/oder zu rezipieren.» (Europarat 2001, S. 21) Die Aspekte Sprache (communication) und thematische Inhalte (content) sind somit untrennbar.
3) Interkulturelle, kommunikative Kompetenz
Die Beziehung von Kultur und Sprache ist sehr komplex. Kulturelles Lernen bedeutet nicht a priori Fakten über fremde Kulturen (ehemals Landeskunde) in den Unterricht zu bringen, sondern Lernende zu einer Interaktion mit ‘otherness’ aus dem nahen und fernen Umfeld anzuregen, um dadurch Rückschlüsse über die eigene Kultur machen zu können (Byram et al. 2001, S. 3). «…the otherness which learners meet is that of a society with a different language, they clearly need both linguistic competence and intercultural competence.» (Byram et al. 2001, S. 5). Deshalb gelingt im CLIL-Unterricht die Fusion der (inter-)kulturellem Auseinandersetzung (culture) mit fremdsprachlichem Lernen (communication) besonders gut anhand relevanter Inhalte (content).
Wie soeben aufgezeigt, stehen die vier Cs innerhalb des Frameworks in enger Wechselwirkung und können nur schwer isoliert voneinander betrachtet werden. Dennoch werden die vier Aspekte nachfolgend einzeln beleuchtet, um deren Relevanz aus theoretischer Sicht und in Bezug auf die geplante Untersuchung für den vorliegenden CLIL-Kontext ausführlich zu klären.