Читать книгу Die Begine und der Siechenmeister - Silvia Stolzenburg - Страница 16
Kapitel 10
Оглавление»Ich brauche Eure Hilfe!«
Johannes Schad, der zweite Bürgermeister der Stadt, musterte seinen Besucher mit hochgezogenen Brauen. Er saß in seinem Kontor und war dabei, sich einen Überblick über die Geldanlagen seines Vaters zu verschaffen. Seit er dafür gesorgt hatte, dass der verrückte Alte in ein Narrenhäuslein gesteckt worden war, hatte sich Johannes’ Besitz mehr als verdoppelt. Vieles steckte in Edelsteinen, Silbergeschirr und Häusern, er hatte bisher keine vollständige Liste des Grundbesitzes seines Vaters aufgestellt. Außerdem war er an einer Saline und der Silbergewinnung in Böhmen beteiligt. Hinzu kamen einige Verkaufsstände auf dem städtischen Markt, ein Schlachthaus, eine Mühle und eine Schmiede, die sein Vater vor einigen Jahren erstanden hatte.
Ärgerlich über die Unterbrechung legte Johannes den Federkiel beiseite und zeigte auf einen Sessel gegenüber seines Schreibtisches. Sein Besucher war ein Ratsherr, der vor einem Jahr zurück nach Ulm gezogen war.
»Es geht um meine … eine Frau«, sagte der Mann.
Johannes lächelte dünn. »Seid Ihr Eurer schon überdrüssig? Ihr habt sie doch erst vor Kurzem geheiratet.«
»Nein, nein.« Der Besucher schüttelte den Kopf. »Sie … Es ist …«, stammelte er.
Johannes lehnte sich zurück und verschränkte die Hände vor dem Bauch. Der Kerl war aufgeregt wie eine Jungfrau vor der Hochzeitsnacht. Auch wenn ihm der Besuch ungelegen kam, konnte er ihn zu seinem Vorteil nutzen. Es gab noch immer einige Mitglieder im Rat, die ihn voller Misstrauen beäugten. Die Anschuldigungen dieser verdammten Anna Ehinger und des Pfaffen waren nicht bei allen auf taube Ohren gestoßen. Hätte sein Prokurator nicht dafür gesorgt, dass die Anklage gegen ihn und seinen Vater fallengelassen worden war, säße er jetzt nicht in seinem Kontor. Obwohl er versuchte, sich zusammenzureißen, trieb ihm die Wut auf diese vermaledeite kleine Hure das Blut in die Wangen. Wenn sie dachte, dass sie ungeschoren davonkommen würde, irrten sie und ihr Bruder Jakob sich gewaltig. Dieser Mistkerl machte im Rat immer wieder Stimmung gegen Johannes, aber als zweiter Bürgermeister saß er am längeren Hebel. Wenn die Ehingers nicht aufpassten, war ihre Zeit als eine der angesehensten Familien der Stadt bald vorbei! »Warum kommt Ihr zu mir?«, fragte er.
Der Ratsherr sah ihn an und schien nach einer passenden Antwort zu suchen.
Johannes begriff. Er hatte all die Gerüchte gehört, das Gerede, dass vielleicht doch etwas dran war an den Anschuldigungen gegen ihn und seinen Vater. Eine Verurteilung hatte er abwenden können, aber gegen das Geschwätz der Ulmer konnte er nichts ausrichten.
»Ich habe gehört, dass Ihr Leute kennt, die …«
»Die was?«
»Die Arbeiten verrichten, die etwas schmutziger sind.«
Johannes lachte. »Ihr braucht einen gewissenlosen Handlanger? Wofür?«
»Nicht für das, was Ihr denkt!«, beeilte sich sein Besucher zu sagen. »Ich muss etwas herausfinden. Und dafür brauche ich einen verschwiegenen Mann.«
»Da kann ich Euch nicht helfen«, erwiderte Johannes kühl. Er würde den Teufel tun und einem Kerl, den er kaum kannte, einen Rat geben, der am Ende gegen ihn verwendet werden könnte.
»Ich benötige nur eine Information über jemanden.«
»Über eine Frau?«
Der Ratsherr nickte.
»Wo ist sie?«
»Im Beginenhof.«
Jakob horchte auf. »Sie ist eine von diesen gottlosen Weibern?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Sie hat dort in der Herberge Unterschlupf gefunden.«
»Warum interessiert Ihr Euch für sie?«
»Das ist eine Sache, die nur mich und Gott etwas angeht.«
»Dann kann ich Euch leider nicht helfen.« Johannes erhob sich und bedeutete seinem Besucher, dass die Unterredung beendet war. Wenn der Kerl ihm nicht traute, gab es für ihn keinen Grund, ihm zu helfen. Zwar war die Vorstellung, den Beginen auf irgendeine Art und Weise schaden zu können, verlockend, aber er würde ganz gewiss nichts tun, das ihn selbst in Schwierigkeiten bringen konnte.
»Wartet!« Der Ratsherr hob bittend die Hände. »Schwört, dass Ihr nichts von dem verraten werdet, was ich Euch jetzt anvertraue!«
Johannes überlegte nicht lange. Geheimnisse waren mehr wert als Gold. Wer das Geheimnis eines anderen kannte, hatte diesen in der Hand. Ob der Narr wusste, was er tat? Er hob die Hand und sagte: »Ich schwöre, bei Gott und allen Heiligen.«
»Dann hört gut zu.«