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2.2.4 Motivationsprozess: Die Selbstbestimmungstheorie

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Wie die vorhergehenden Ausführungen aufgezeigt haben, ist die Balance bzw. Dysbalance zwischen Belastungen und Ressourcen zentral für das Stresserleben. Dieselben Belastungen können für die eine Person überfordernd sein, während sie für die andere Person motivierend sind. Ressourcen helfen bei der Bewältigung von beruflichen Anforderungen und haben darüber hinaus eine direkte positive Auswirkung auf die Gesundheit und das Wohlbefinden. Der Grund dafür besteht darin, dass sie grundlegende psychische Bedürfnisse des Individuums befriedigen und auf diese Weise Stress entgegenwirken können. Auf diese Grundbedürfnisse wird nachfolgend genauer eingegangen.

Die Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination-Theory) geht davon aus, dass Menschen drei psychische Grundbedürfnisse haben, die angeboren und universell sind: Sie wollen 1) Kompetenz erleben, 2) über Autonomie, das heißt Selbstbestimmung bezüglich ihres Lebens und ihrer Verhaltensweisen, verfügen sowie 3) Verbundenheit in einer Gemeinschaft spüren und enge, vertraute Beziehungen mit anderen aufbauen. Ist die Befriedigung dieser Bedürfnisse möglich, sind grundlegende Voraussetzungen dafür gegeben, dass der Mensch engagiert, effizient und psychisch gesund ist und dies auch bleibt (Ryan & Deci, 2000).

Das Bedürfnis nach Kompetenz manifestiert sich im Wunsch, sich fähig zu fühlen, die Umwelt gestalten zu können und erwünschte Wirkungen herbeizuführen. Dieses Bedürfnis steht als Antrieb hinter der Neigung, dass Menschen oftmals nach Aufgaben suchen, die ihre eigenen physischen oder psychischen Fähigkeiten herausfordern. Kompetenz kann erlebt werden, wenn die Anforderungen und Ziele – die eigenen wie auch jene aus dem Umfeld – zufriedenstellend bewältigt werden können. Dies wird erleichtert, wenn die beruflichen Aufgaben und Ziele klar definiert sind und das Individuum über genügend Gestaltungsmöglichkeiten und eigene Ressourcen verfügt, um diese Anforderungen für sich befriedigend zu erfüllen, und dafür auch Anerkennung von außen erhält.

Das Bedürfnis nach Autonomie beinhaltet den Wunsch nach Selbstbestimmung, eigenem Willen, Unabhängigkeit, Ermessensfreiheit und Wahl beim Ausführen einer Aktivität. Das Erleben von Autonomie bedeutet jedoch nicht, dass unabhängig von anderen gehandelt wird, sondern es geht vielmehr um die Möglichkeit, die eigenen Handlungen grundsätzlich selbst steuern zu können. Dies kann sich durchaus auch auf Handlungen beziehen, die in einem von anderen vorgegebenen Rahmen durchzuführen sind. Handlungskontexte unterstützen die Autonomie, wenn sie Wahlmöglichkeiten und Ermessenspielräume enthalten und wenn alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen.

Das Bedürfnis nach Verbundenheit schließlich äußert sich im Wunsch, sich mit anderen verbunden zu fühlen, einer Gruppe anzugehören, zu lieben und sich um jemanden zu kümmern, beachtet zu werden und Achtung zu erhalten. Dieses Bedürfnis ist im Arbeitskontext erfüllt, wenn Angestellte sich als Teil eines Teams fühlen, Unterstützung und Anerkennung erfahren und sich frei fühlen, ihre Anliegen einzubringen.

Die Befriedigung der psychischen Grundbedürfnisse ist der zugrundeliegende motivationale Mechanismus, der menschliches Verhalten antreibt und leitet (Deci & Ryan, 1993). Menschen sind in der Regel dann engagiert, wenn sie in Kontexten agieren, die mit den drei Bedürfnissen kongruent sind. Allerdings variieren diese Kontexte teilweise beträchtlich im Grad, in dem sie die Befriedigung dieser Bedürfnisse zulassen oder behindern (Deci & Ryan, 2012, S. 86). Können diese Bedürfnisse im beruflichen Umfeld befriedigt werden, bildet dies eine zentrale Voraussetzung für ein hohes Arbeitsengagement: Während sich Personen mit Burnout erschöpft und von der Arbeit entfremdet fühlen, gehen engagierte Personen in ihrer Arbeit auf und fühlen sich voller Energie (Bakker, Schaufeli, Leiter & Taris, 2008, S. 188). Sie arbeiten intensiv und sind bereit, viel Einsatz zu zeigen (Elan), weil sie ihre Arbeit als sinnvoll und als inspirierende Herausforderung empfinden (Hingabe) und sich gänzlich auf die Arbeit konzentrieren können (Vertiefung). Diese drei Dimensionen – Elan als hohes Level an Energie und mentaler Resilienz, Hingabe als das Erleben von Sinn, Inspiration, Stolz und Herausforderung und Vertiefung als ›Flow‹ und als Involviertheit in die Arbeit – sind somit charakteristisch für Arbeitsengagement.

Genauso wie sich im Erschöpfungsprozess ein »Teufelskreis« entwickeln kann, lässt sich im Motivationsprozess oftmals eine positive Spirale beobachten. Es zeigt sich, dass engagierte Personen ihre beruflichen Anforderungen und ihre sozialen Ressourcen positiv mitgestalten: Sie suchen sich aktiv Anforderungen, die ihren Interessen entsprechen, aktivieren und nutzen soziale Ressourcen, indem sie im Team um Hilfe bitten, erleben das Arbeitsklima positiv und erhalten mehr positives Feedback. Die sozialen Ressourcen beeinflussen folglich nicht nur das Arbeitsengagement einer Person, sondern diese wirkt selbst wiederum auf ihr Umfeld zurück und schafft sich durch sogenanntes Job Crafting neue Ressourcen (Bakker & Demerouti, 2014). Diese Wechselwirkungen sind grundlegend, um verstehen zu können, wie berufliche Belastungen die Gesundheit beeinflussen können. Des Weiteren zeigen sie auf, wo Ansatzpunkte für die Gesundheitsförderung bestehen.

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