Читать книгу 40 Tage Wanderschaft - Simon Mayer - Страница 10
Оглавление4. ETAPPE:
Der Versuchung widerstehen
Christian wanderte nun wieder allein weiter. Da sah er, wie jemand quer über das Feld auf ihn zukam. Der Herr, der seinen Weg kreuzte, kam aus der Stadt der Hinterlistigkeit, einer sehr großen Stadt, ganz nahe dem Ort, aus dem Christian gekommen war. Herr Weltlich hatte schon von Christian gehört, denn Christians Auswandern aus der Stadt Verderben hatte manches Aufsehen erregt und war in vielen Orten Stadtgespräch geworden.
»Wohin des Wegs mit solcher Last, guter Freund?«, sprach Weltlich unseren Wanderer an.
»Ja, beladen bin ich armes Geschöpf«, antwortete Christian. »Ich gehe auf jene kleine Pforte zu, die da vorne liegt. Dort werde ich, wie man mir gesagt hat, auf den Weg gebracht, auf dem ich meine Last loswerde.«
»Hast du nicht Frau und Kinder?«
»Ja, aber diese Last drückt mich so nieder, dass ich nichts anderes mehr fühlen und denken kann. Ich habe Frau und Kinder, doch ich fühle mich so, als hätte ich keine.«
»Willst du auf mich hören, wenn ich dir einen Rat gebe?«, fragte Weltlich.
»Oh ja, wenn er gut ist! Guten Rat kann ich gebrauchen.«
»Ich rate dir, löse dich schnellstens von deiner Last. Denn vorher wird deine Seele nicht zur Ruhe kommen, noch wirst du dich der Segnungen erfreuen, die dir Gott zuteilwerden ließ.«
»Das ist es ja eben«, klagte Christian, »wonach ich mich sehne: diese schwere Last loszuwerden. Aber ich selbst kann mich nicht von ihr befreien, und es gibt auch keinen Menschen in unserem Land, der sie mir von den Schultern nehmen könnte. Darum muss ich diesen Weg gehen, wie ich dir sagte.«
Doch Weltlich ließ nicht locker: »Wer hat dich denn auf diesen Weg gebracht und dir gesagt, dass du ihn gehen musst, um deine Last loszuwerden?«
»Ein Mann, der mir groß und ehrwürdig erschien und dessen Name, wie ich mich erinnere, Evangelist war.«
»Hör doch auf, dich nach ihm und seinem Rat zu richten. Es gibt keinen gefährlicheren und schwierigeren Weg in der Welt als den, auf den er dich gebracht hat. Das wirst du merken, wenn du seinem Rat weiter folgst. Du hast ja auch, wie ich sehe, schon Erfahrungen damit gemacht: Der Schlamm aus dem Sumpf der Hoffnungslosigkeit hängt noch an deinen Kleidern. Dieser Sumpf ist aber erst der Anfang der Leiden, von denen alle betroffen werden, die diesen Weg gehen. Hör auf mich, ich bin älter als du. Auf dich warten Anstrengung, Schmerzen, Hunger, Gefahr, Schwäche, Schwert, Löwen, Drachen, Finsternis – kurz: der Tod, wenn du den Weg weitergehst. Dafür gibt es viele Zeugen. Und warum solltest du dich auf den Rat eines Fremden hin in solche Gefahren begeben?«
»Oh Herr«, seufzte Christian, »die Last auf meinem Rücken ist schlimmer als alles, was du erwähnt hast. Ich meine, ich dürfe nicht danach fragen, was mir auf meinem Weg begegnen wird. Wenn ich nur von meiner Last befreit würde.«
»Wie bist du denn zu dieser Last gekommen?«, wollte Weltlich wissen.
»Durch das Lesen dieses Buches hier.«
»Hab ich mir’s doch gedacht! Dir ist es wie all den andern ergangen, die sich mit so hohen Dingen abgeben und dann in solch einen verzweifelten Zustand geraten. In solcher Verwirrung folgen dann die Leute jedem Dummen und lassen sich auf Gefahren ein, um wer weiß was zu bekommen.«
»Ich weiß, was ich bekommen möchte: dass mir meine Last abgenommen wird.«
»Aber warum suchst du Erleichterung auf diesem Weg, der mit so vielen Gefahren verbunden ist – besonders auch, wo ich dir helfen könnte, das Gleiche zu bekommen, ohne dich den Gefahren auszusetzen, denen du hier in die Arme läufst? Die Hilfe ist ganz nah zu haben. Statt der Gefahren erwarten dich Sicherheit, Freundschaft und Frieden.«
»Ach bitte, sag mir doch dieses Geheimnis!«, bat Christian.
»Nun ja«, begann Weltlich, »dort in jenem Dorf mit Namen Sittenhaftigkeit wohnt ein Herr, ein einsichtsvoller Mann mit gutem Ruf, der die Kunst versteht, den Leuten Lasten wie die deine von den Schultern zu nehmen. Ich kann dir versichern, dass dieser Herr Gesetzlich schon viel Gutes gestiftet hat. Außerdem hat er die Gabe, auch jene zu heilen, die durch ihre Last ein wenig verrückt geworden sind. Zu ihm musst du gehen und dir wird sofort geholfen. Sein Haus ist kaum einen Katzensprung von hier entfernt. Und sollte er selbst nicht daheim sein, so sprich mit seinem Sohn, einem zuvorkommenden jungen Mann namens Höflich, der ebenso geschickt ist wie der alte Herr. Dort wird man dich von deiner Last befreien, und wenn du dann nicht in deinen früheren Wohnort zurückkehren magst, kannst du Frau und Kinder in diese Stadt zu dir kommen lassen. Es stehen gerade jetzt einige Häuser leer, von denen du eines billig haben kannst. Auch die Lebensmittel sind gut und preiswert. Außerdem wirst du dort ehrliche Nachbarn haben, die dir dein Leben glücklich und angenehm machen werden.«
Christian war zunächst ein wenig unsicher, aber dann kam er doch zu dem Entschluss, dem Rat dieses Herrn zu folgen. Er dachte, wenn es wahr sei, was er sagte, könne er nichts Besseres tun.
»Welchen Weg muss ich zum Haus dieses Mannes gehen?«, fragte er.
»Siehst du jenen Hügel dort?«
»Ja, recht gut.«
»Du musst auf den Hügel zugehen. Das erste Haus, zu dem du kommst, gehört ihm.«
Die Pilgerreise, Seiten 21-24
Ein guter Freund von uns sagt immer wieder: »Die Gnade der Errettung ist absolut umsonst, aber die Nachfolge kostet dich alles!« Was sich wie eine fromme christliche Floskel anhört, steckt voller Wahrheit und bringt auf den Punkt, was Christian in diesem Abschnitt der Pilgerreise erlebt.
Christian ist müde. Seine Last, die er immer noch auf den Schultern trägt, wiegt schwer und wird auch nicht leichter, obwohl er doch jetzt ein Pilger ist. In dieser Verfassung kommt ihm Herr Weltlich – Achtung! Der Name verrät schon, dass er gefährlich ist – gerade recht. Und dieser berührt ihn auch gleich an seinem wunden Punkt und spricht ihn auf seine Last an. Was er Christian verspricht, klingt einfach wunderbar, denn er erklärt ihm, dass es einen Weg gebe, diese Last ganz ohne Gefahr loszuwerden und wieder mit seiner Familie vereint zu sein. Christian könne seine Liebsten einfach zu sich nachkommen lassen, wenn er sich im Dorf Sittenhaftigkeit niedergelassen habe. Ein ruhiges und zufriedenes Leben warte dort auf ihn. Es scheint so einfach, was Herr Weltlich ihm vor Augen malt. Ein Rundum-glücklich-Paket mit Unbeschwertheit, Familienfreude und Sicherheit im Eigenheim – es könnte einfach herrlich sein.
Christian zögert in dieser Situation zunächst. Und wir? Als Leser mit etwas Abstand runzeln wir natürlich die Stirn über all diese Versprechen von Herrn Weltlich, denn wir wissen, dass er Christian nur verführen will. Uns ist klar, dass er ihm mit der Autorität des Alters weismachen möchte, dass es einen einfacheren und leichteren Weg gibt. Uns ist klar, dass nur Jesus allein derjenige ist, der uns unsere Lasten abnehmen kann (Psalm 81,7), dass wir nur durch seinen Tod am Kreuz von der Sündenlast befreit werden. Uns ist klar, dass Jesus uns davor warnt, unsere Familie über ihn zu stellen (Matthäus 10,37), und dass er uns die Verheißung gibt, hundertfach zurückzubekommen, was wir verlassen haben (Matthäus 19,29). Uns ist klar, dass wir auf der Erde keine dauerhafte Bleibe haben (Hebräer 13,14) und Jesus uns zugesagt hat, uns eine Wohnung im Himmel zu bereiten (Johannes 14,2).
Das ist uns doch alles klar, oder? Uns könnte so ein Herr Weltlich niemals aus der Bahn werfen, weil wir ihn sehr schnell entlarvt hätten. Leider läuft die Verführung im echten Leben nicht mit einem Warnschild (Achtung! Herr Weltlich) durch die Gegend und ist wesentlich subtiler, bahnt sich schleichend an. Im Moment freuen wir uns noch über die Segnungen Gottes und im nächsten haben wir uns in der Welt eingerichtet und es uns bequem gemacht. Aber davor warnt uns Jesus. Er fordert uns auf, unser Kreuz auf uns zu nehmen und ihm nachzufolgen – mit allen Schwierigkeiten, die kommen werden, – statt der scheinbaren Einfachheit der Welt, die uns verführen will.
Christian für seinen Teil rennt den Versprechungen von Herrn Weltlich hinterher und muss auf die harte Tour erfahren, dass der einzige Weg der Erlösung der der Nachfolge Jesu Christi ist. Dieser Weg ist ein Kampf, in dem standhaftes Ausharren notwendig ist, weil die Welt uns immer wieder einen leichteren Weg vorgaukeln wird. Der wahre Weg der Nachfolge kostet dich alles. Aber er führt dich in die ewige Herrlichkeit.
Und als er die Volksmenge samt seinen Jüngern herzugerufen hatte, sprach er zu ihnen: Wenn jemand mir nachkommen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach! Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, wird es retten.
Markus 8,34-35
Herr Jesus Christus,
ich danke dir, dass du mir in deinem Wort immer wieder
vor Augen malst, was es bedeutet, dir nachzufolgen.
Vergib mir, dass die Welt mich so oft glauben machen kann, dass es einfacher ist ohne dich.
Hilf mir, täglich mein Kreuz auf mich zu nehmen und mein Leben um deinetwillen zu verlieren, auf dass ich es in
Ewigkeit rette.
Amen.