Читать книгу 40 Tage Wanderschaft - Simon Mayer - Страница 14

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8. ETAPPE:

Geduldig warten


Ich sah, wie Ausleger ihn bei der Hand fasste und ihn in ein kleines Zimmer führte, in dem zwei Kinder saßen. Das ältere hieß Verlangen, das andere Geduld. Verlangen schien sehr unzufrieden zu sein, aber Geduld war ganz still.

»Warum ist Verlangen so unzufrieden?«, fragte Christian.

»Der Hauslehrer wünscht nicht, dass man die Kinder mit den besten Sachen überschüttet. Sie sollen mit einigen bis Anfang nächsten Jahres warten. Verlangen will alles sofort haben, Geduld dagegen wartet willig.«

Da kam jemand zu Verlangen und schüttete einen Sack voll Kostbarkeiten vor ihm aus. Sofort beschäftigte er sich damit: erfreute sich darüber, wühlte hastig darin herum und sah mit einem höhnischen Lächeln hinüber zu Geduld, der ganz offensichtlich jetzt gerade leer ausging. Doch ich sah, dass Verlangen schon nach kurzer Zeit mit der Zerstörung all der Kostbarkeiten begann, sodass nichts mehr übrig blieb als Trümmer und Fetzen.

»Hilf mir, das zu verstehen«, bat Christian.

»Die beiden Kinder sind Abbilder«, erklärte Ausleger. »Verlangen ist ein Bild von den Kindern dieser Welt, Geduld von den Kindern der zukünftigen. Wie Verlangen alles sofort haben will, also schon in dieser Welt, so sind auch die Kinder dieser Welt: Sie müssen alles Gute jetzt schon besitzen und können auf ihren Anteil nicht warten. Das Sprichwort ›Ein Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach‹ gilt bei ihnen mehr als alle göttlichen Zeugnisse von den Gütern der zukünftigen Welt. Du hast gesehen, wie schnell er alles verschwendet hatte und dass ihm nichts blieb als Fetzen und Trümmer. So wird es auch den Kindern dieser Welt am Ende ergehen.«

Christian hatte verstanden. »Geduld hat also die höchste Weisheit: Er wartet auf die besseren Güter, er wird seine Schätze in ihrer ganzen Herrlichkeit besitzen, wenn dem anderen nur noch Fetzen geblieben sind …«

Ausleger nickte. »Und dazu kommt, dass die Herrlichkeit der zukünftigen Welt nicht vergeht, während die Schätze dieser Welt so sehr vergänglich sind. Deshalb ist es Dummheit, wenn Verlangen über Geduld lacht, weil der sein Gutes zuletzt empfängt. Denn das Erste muss dem Letzten Platz machen, das Letzte aber keinem anderen. Wer also sein Teil zuerst bekommt, muss notwendig Zeit haben, es zu verbrauchen. Wer aber sein Teil zuletzt hat, der besitzt es für immer. Darum wird auch dem reichen Mann gesagt: ›Du hast dein Gutes empfangen in deinem Leben, Lazarus dagegen hat wenig empfangen. Nun wird er hier getröstet …‹«

»Es ist also nicht das Beste, nach zeitlichen Gütern zu suchen, sondern auf die zukünftigen sollen wir warten.«

»Das ist richtig«, bestätigte Ausleger. »Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Das fleischliche Verlangen und die sichtbaren Dinge sind dicht beieinander. Die zukünftigen Dinge und das fleischliche Verlangen sind einander jedoch fremd. Deshalb schließen die ersten beiden so schnell Freundschaft miteinander, während sich die beiden Letzten immer fremd bleiben.«

Die Pilgerreise, Seiten 34-36

Kennst du den Marshmallow-Test? Dieser Textabschnitt der Pilgerreise hat mich an eine meiner Psychologie-Vorlesungen erinnert, in der genau dieser Test besprochen wurde. In dem Experiment bekommen vierjährige Kinder ein Marshmallow mit der Aussage, dass sie ein zweites bekommen, wenn sie mit dem Essen warten, bis der Testleiter wiederkommt. Hinter dem Experiment steckt die Theorie, dass Kinder die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub erst im Laufe ihres Lebens lernen müssen, weil diese für ihr späteres Leben und den Erfolg darin enorm wichtig ist. Was auch immer psychologisch dahintersteckt: Es ist einfach unglaublich witzig, zu sehen, wie schwer es den Kindern fällt, die Süßigkeit nicht sofort zu verschlingen. Sie riechen am Marshmallow, lecken daran, schlagen sich selbst auf die Finger oder halten sich die Augen zu, nur um der Versuchung standzuhalten.

Auch in dem Textabschnitt der Pilgerreise geht es um Kinder. Christian befindet sich im Haus des Auslegers und dieser zeigt ihm in verschiedenen Räumen wichtige biblische Wahrheiten, die für seine Pilgerreise nützlich sind. Er führt Christian zu einem Raum, in dem zwei Kinder namens Verlangen und Geduld sitzen. Verlangen ist unzufrieden und bekommt vielerlei Schätze, mit denen es spielt, die es jedoch nach kurzer Zeit schon wieder zerstört. Geduld hingegen harrt der Dinge, die da kommen, und erträgt auch noch den Spott von Verlangen. Christian versteht das Bild nicht und der Ausleger erklärt es ihm: Christen sollten den Himmel im Blick behalten, weil dort eine ewige Belohnung auf sie wartet. Pilgern bedeutet, den Blick auf das Unvergängliche zu richten, sich nicht gierig nach den Schätzen dieser Welt auszustrecken, sondern geduldig auf das zu warten, was Gott uns für die Ewigkeit verheißen hat.

Was aber sind diese vergänglichen Dinge, mit denen Verlangen spielt? Es sind beispielsweise materielle Dinge, von denen wir meinen, dass wir sie unbedingt brauchen: das neueste Smartphone, das wunderschöne Einfamilienhaus, das schnelle Auto, die Luxusklamotten oder der Designerschmuck. Es kann aber auch Immaterielles sein. Zum Beispiel das Verlangen nach einer Partnerin/einem Partner, um das Bedürfnis nach Liebe und Sexualität befriedigen zu können. Oder das Verlangen nach Anerkennung, das sich in einem gestylten Instagram-Account und einem starken Leistungstrieb in der Arbeit äußert.

Die dahinterliegenden Bedürfnisse sind an und für sich nicht falsch: Jeder Mensch sehnt sich nach Annahme, Zufriedenheit, Sicherheit und einem guten Leben. Dieses Verlangen hat Gott in uns hineingelegt. Das Problem ist jedoch, dass wir genauso wie das ungeduldige Kind nicht darauf warten wollen, dass Gott uns zur rechten Zeit alles geben wird, was wir brauchen. Wir vergessen den Schöpfer und setzen unser Vertrauen vielmehr in vergängliche Dinge, die uns niemals ganz zufriedenstellen können. Plötzlich stellen wir fest, dass uns der Reichtum, den wir angehäuft haben, nicht die Sicherheit gibt, die wir erhofft hatten, oder es da jemanden gibt, der noch vermögender ist. Vielleicht enttäuscht uns auch die Partnerin/der Partner, wir verlieren die Arbeit oder werden einfach alt und krank und müssen uns ganz neu fragen, was uns eigentlich wirkliche Anerkennung verschafft. Manchmal sind wir auch wie das Kind Verlangen und zerstören ganz bewusst die Kostbarkeiten, die uns anvertraut sind. Wir verschulden uns gegenüber unseren Mitmenschen, gegenüber unserer Umwelt und nicht zuletzt gegenüber Gott.

Es ist wichtig, dass wir neu begreifen, dass uns nichts außerhalb von Christus zufriedenstellen kann. In ihm wohnt die Fülle Gottes, und an dieser Fülle dürfen wir als seine Nachfolger teilhaben (Kolosser 2,9 f). Alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis sind verborgen in Jesus (Kolosser 2,3), in ihm hat Gott uns mit jedem geistlichen Segen gesegnet – allerdings im Himmel (Epheser 1,3). Deshalb gilt es, geduldig abzuwarten, bis wir diesen geistlichen und himmlischen Segen eines Tages in Vollkommenheit erfahren.

Geduld ist eine explizit christliche Tugend. Sie mangelt denjenigen, die ihren einzigen Lebenssinn im Hier und Jetzt erkennen. Wer das Marshmallow sofort in den Mund steckt und mit seinem Herzen daran hängt, der hat, wie Jesus im Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus deutlich macht, das Gute schon in diesem Leben empfangen, in Ewigkeit erwarten ihn nur Qual und Pein. Wer dagegen hier auf Erden Entbehrungen willig erleidet, wird von Gott getröstet werden (Lukas 16,19-31).

Wenn wir geduldig ausharren und die Ewigkeit im Blick behalten, dürfen wir wissen, dass Gott uns sein Bestes nicht vorenthält. Wir bekommen nicht nur das zweite Marshmallow, sondern dürfen Erben seines unvergänglichen Reiches sein. Ich bete, dass Gott dir und mir die Kraft zum Warten schenkt!


Sei still dem HERRN und harre auf ihn! … die auf den HERRN hoffen, die werden das Land besitzen.

Psalm 37,7a.9b

Vater im Himmel,

male du mir den Reichtum des geistlichen Segens vor Augen, an dem ich durch deinen Sohn Jesus Christus Anteil haben darf.

Hilf mir, mich nicht von den vergänglichen Kostbarkeiten dieser Welt verführen zu lassen, sondern mein Vertrauen allein in dich zu setzen.

Schenke mir Geduld und den Blick für die herrliche Zukunft, die auf mich wartet!

Amen.


40 Tage Wanderschaft

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