Читать книгу 40 Tage Wanderschaft - Simon Mayer - Страница 12
Оглавление6. ETAPPE:
Ein Wegweiser auf dem Weg
So gelangte Christian an die Pforte. Auf deren Türsturz las er die Worte: »Klopft an, so wird euch aufgetan.«
Er klopfte mehrmals an, bis endlich ein ehrwürdiger Mann namens Gutwillig kam und fragte, wer er sei, woher er komme und was er wolle.
»Hier ist ein armer, beladener Sünder«, gab Christian zur Auskunft. »Ich komme aus der Stadt Verderben und bin unterwegs zu dem Berg Zion, damit ich vor dem künftigen Zorn errettet werde. Ich habe erfahren, dass der Weg dahin durch diese Pforte geht, und bitte dich, Herr, mich einzulassen.«
»Von Herzen gern«, sprach Gutwillig und öffnete ihm die Tür. Christian hatte den Fuß kaum auf die Schwelle gesetzt, als ihn der andere schnell hineinzog.
»Warum tust du das?«, fragte Christian.
Gutwillig erklärte es ihm: »Nicht weit von dieser Pforte liegt das Schloss von Luzifer, von wo aus er und alle, die zu ihm gehören, mit Pfeilen auf die zielen, die zu dieser Pforte heraufkommen, um sie, noch bevor sie eintreten können, zu töten.«
Christian zitterte am ganzen Körper. Aber er freute sich.
Nun fragte ihn der Pförtner, wer ihn hergeschickt habe.
»Evangelist befahl mir, hierherzukommen und anzuklopfen. Und du, Herr, würdest mir sagen, was ich weiter tun muss.«
»Vor dir hat sich eine Tür geöffnet und niemand kann sie zuschließen«, sagte Gutwillig. […] »Wie gut, dass du [dem Berg] entkommen bist.«
»Ja, das stimmt, denn ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn mir nicht Evangelist aufs Neue begegnet wäre. Ich wusste in meiner Verwirrung nicht aus noch ein. Aber Gottes Gnade führte ihn wieder zu mir. Sonst würde ich nicht hierhergekommen sein. Nun bin ich da als einer, der eher den Tod unter jenem Berge verdient hätte, als hier zu stehen und mit meinem Herrn zu reden. Welch eine Gnade ist es für mich, dass ich dennoch hereindurfte.«
»Wir klagen keinen an, was er auch getan haben mag, bevor er hierherkam«, sagte Gutwillig. »Wer hierherkommt, wird nicht hinausgestoßen. Geh also, lieber Christian, eine kurze Strecke mit mir, ich will dir den Weg zeigen, den du weitergehen sollst. Schau hin – siehst du jenen schmalen Pfad? Den musst du gehen. Die Erzväter und die Propheten, Christus und seine Apostel sind ihn gegangen. Er führt immer geradeaus. Dies ist der Weg, den geh!«
»Gibt es auch keine Kurven, keine unübersichtlichen Strecken, keine Weggabelungen, durch die ein Fremder vom Weg abkommen könnte?«
»Oh doch, es gibt noch viele Wege, aber die sind krumm und breit. Du kannst den richtigen vom falschen Weg unterscheiden, denn nur der richtige verläuft geradeaus und er ist schmal.«
Ich beobachtete, wie Christian ihn noch fragte, ob er ihm nicht die Last von den Schultern nehmen könne, denn er schleppe sie noch immer mit sich herum und könne sie ohne Hilfe nicht loswerden. Doch Gutwillig antwortete ihm:
»Gedulde dich, bis du zum Ort der Befreiung kommst. Dort wird sie dir von den Schultern fallen.«
So bereitete sich Christian auf das Weiterwandern vor. Doch vorher gab ihm Gutwillig noch eine wichtige Anweisung: Er werde nach einer bestimmten Zeit zum Hause des Auslegers gelangen. Dort solle er anklopfen. Der Ausleger würde ihm dann herrliche Dinge zeigen.
So verabschiedete sich Christian von seinem Freund, und dieser befahl ihn Gott an.
Die Pilgerreise, Seiten 29-32
Eines der für mich faszinierendsten Lebewesen ist die Biene. Jede einzelne Biene weiß immer genau, was zu tun ist. Sie sind unglaublich fleißig und schön und nützlich zugleich. Am beeindruckendsten jedoch finde ich die Art und Weise, wie Bienen miteinander kommunizieren. Durch bestimmte Bewegungsabläufe geben die Sammelbienen ihren Stockgenossinnen Informationen über die Lage von Futterquellen weiter. Die wichtigste Information im Leben von Bienen ist in einer wunderbaren Tanzsprache verpackt. Sie betreiben keinen ausufernden Small Talk über das Wetter oder die allgemeine Befindlichkeit, sondern sie geben präzise Informationen über den genauen Weg zum Futter weiter.
In diesem Textabschnitt der Pilgerreise sehen wir, dass es bei der christlichen Gemeinschaft ähnlich ist, denn auch Christian bekommt eine Wegbeschreibung. Nach seinem Fast-Umweg in das Dorf Sittenhaftigkeit und der Zurechtweisung durch Evangelist gelangt er endlich zur engen Pforte, wo ihm Gutwillig öffnet und ihn förmlich hindurchzieht. Und hier, auf der anderen Seite, erhält er von Gutwillig eine Wegbeschreibung. Zugegebenermaßen ist es eine sehr schlichte Beschreibung des geraden, schmalen Pfades, der sich deutlich von allen breiten und kurvigen Abwegen unterscheidet, aber es ist trotz allem eine Wegbeschreibung. Darüber hinaus ermutigt ihn Gutwillig das Haus des Auslegers zu besuchen und befiehlt Christian Gott an. Wenn man so will, ist Gutwillig für Christian wie eine Sammelbiene, die ihm die lebenswichtigen Informationen weitergibt. Die beiden reden über keine Belanglosigkeiten und tauschen sich auch sonst nicht sehr viel aus, aber trotzdem wird er als Freund Christians bezeichnet.
Ich denke, dass dies ein wichtiges Kennzeichen christlicher Gemeinschaft ist: Wegweisung. Jedem von uns fällt wahrscheinlich eine Person ein, die für sein Glaubensleben eine wichtige Rolle gespielt hat oder aktuell noch spielt. Eine Person, die ihm den Weg zur engen Pforte gezeigt hat oder geholfen hat, auf dem schmalen Weg zu bleiben. Zumindest mir fallen hier mehrere liebe Geschwister ein, deren Gespräche mit mir von den wesentlichen Dingen geprägt waren. Meine Schwiegermutter ist eine solche Schwester. Sie hat die Gabe, von jedem Thema ausgehend auf den Glauben zu sprechen zu kommen. Das ist beeindruckend und hat mich tief geprägt.
Gerade eben, kurz bevor ich angefangen habe, diese Zeilen zu schreiben, war ich in einem wunderbaren Gottesdienst, in dem wir eine herausfordernde Predigt gehört haben – und bin etwas beschämt darüber, über was ich mit meinen Geschwistern nach dem Gottesdienst gesprochen habe. Das waren bei Weitem keine belanglosen Dinge, aber wenig davon war im Kern von einer Wegweisung hin zu Jesus gekennzeichnet. Ganz im Gegenteil: Vieles drehte sich um die vergänglichen Dinge dieser Welt. Und jetzt sitze ich hier an meinem Schreibtisch, lese vom Pförtner und bin, wie gesagt, etwas beschämt.
Ich will mir den Pförtner zum Vorbild nehmen und über die wirklich wichtigen Dinge reden. Ich will, dass mein Mund von dem Evangelium übergeht, mit dem mein Herz so voll ist (Lukas 6,45), sodass die Menschen um mich herum die lebensnotwendige Botschaft von Jesus Christus hören und auf dem schmalen Weg bleiben. Ich will für sie eine süße (und gesalzene) Botschaft parat haben (Kolosser 4,6) wie eine Sammelbiene, die ihren Stockgenossinnen die Honigquelle verrät.
Geht hinein durch die enge Pforte! Denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der zum Verderben führt, und viele sind, die auf ihm hineingehen. Denn eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind, die ihn finden.
Matthäus 7,13-14
Großer Gott,
ich bekenne, dass ich so oft kein Wegweiser für
meine Geschwister bin, weil es so viele bequemere Dinge
zu besprechen gibt.
Ich danke dir für die Menschen in meinem Leben, die mir den Weg zur engen Pforte gezeigt haben und auch darüber hinaus Werkzeuge in deiner Hand waren, um mich im Glauben wachsen zu lassen.
Mach du mich mehr und mehr zu einem solchen Wegweiser, der anderen helfen kann, die enge Pforte zu finden und auf dem schmalen Weg zu bleiben.
Gebrauche du mich zum Segen für dein Volk!
Amen.