Читать книгу "Alljährlich im Frühjahr schwärmen unsere jungen Mädchen nach England" - Simone Müller - Страница 26

«Heute bin ich stolz»

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2013 ist Maria 81 Jahre alt – sie näht noch immer. «Seit der Lehre war ich eigentlich nie, ohne zu schneidern.» Sie hat noch ein paar Kundinnen, eine ist 98. Jeden Frühling näht Maria für sie eine neue Bluse. «Neulich hat sie zu mir gesagt, wenn sie dann einmal keine neue Bluse mehr wolle, sei sie nicht mehr am Leben.»

Dennis wird Ende Februar 2013 vom Spital nach Hause kommen. Maria wird ihn pflegen bis zu seinem Tod ein paar Monate später und dann alleine in der «Talrose» zurückbleiben.

Kinder? «Jetzt denke ich manchmal schon, es wäre schön, wenn noch jemand da wäre.» Es war nicht so, dass sie keine Kinder gewollt hätten. «Aber Dennis war schon 35, als wir heirateten, und dann mussten wir sparen für ein Haus. Irgendwie passte es nie, und zuletzt war es dann zu spät.»

Heimweh? «Nie. Nur an Weihnachten, wenn es hier regnete, dachte ich manchmal an den Schnee, den wir früher, als wir Kinder waren, zu Hause hatten. Und den Wald habe ich vermisst.»

Gibt es etwas, was ihr wichtig ist, über das wir nicht gesprochen haben? «Nein, nichts», sagt Maria. Und dann: «Ich war eigentlich immer zufrieden mit meinem Leben.»

Wieder zieht sie den eleganten roten Mantel an, steigt in ihr rotes Auto und fährt zum Bahnhof Sudbury zurück. Auf der Rückscheibe des Autos klebt das Schaffhauser Kantonswappen, schwarzer Widder vor gelbem Hintergrund. Der Widder streckt die rote Zunge heraus. Während sie fährt, erzählt Maria noch einmal vom Schneidern, von den vielen Stoffen, die sie noch immer zu Hause hat.

«Früher habe ich mich für meinen Beruf geschämt. Als Schneiderin wurde man immer etwas von oben herab betrachtet, und ich hatte dann auch das Gefühl, das sei etwas Minderwertiges. Ein Hungerleiderberuf. Aber heute bin ich stolz darauf. Jedes Mal, wenn ich etwas nähe, denke ich: Es ist einfach schön.»

Maria Gibbs-Schwaninger ist am 3. Dezember 2016 in Glemsford gestorben.



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