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Kalter Stahl: Die Schwerter als konkrete Artefakte
ОглавлениеEine Vielzahl von Schwerttypen der Römer, ihrer Verbündeten und ihrer Feinde sind durch hunderte von archäologischen Funden belegt, und verschiedene Arten wurden in den überlieferten Texten beschrieben.64 Schwerter lassen sich als Hieb- oder Stichwaffen optimieren, obwohl die meisten Waffen aus der Römerzeit für beide Aktionen geeignet waren, selbst wenn eine von ihnen bevorzugt angewendet wurde. Fast alle Schwerter wurden mit einer Hand geschwungen, da sie normalerweise im Zusammenspiel mit einem Schild verwendet wurden. Mit Ausnahme einer kleinen Anzahl von Waffen aus der frühen europäischen Eisenzeit, die vielleicht bei rituellen Zweikämpfen verwendet wurden, gab es keine Schwerter, die den sehr schmalen Rapieren der letzten Jahrhunderte ähneln. Die meisten der bekannten Typen waren gerade, symmetrisch, relativ flach und zweischneidig, eine Form, die sich später zum mittelalterlichen Breitschwert entwickelte. Zwar gab es Ausnahmen wie die asymmetrischen, einschneidigen Schwerter, die von Spanien bis in den Mittleren Osten benutzt wurden und von den Griechen offenbar als máchaira oder kopís bezeichnet wurden. Das abschwächende ‚offenbar‘ muss deswegen verwendet werden, weil sich in der klassischen Literatur zwar hunderte von Bezugnahmen auf römische und andere Schwerter finden, es aber schwierig ist, die Bezeichnungen in den Texten mit letzter Sicherheit den archäologischen Typen zuzuordnen, was nicht zuletzt auch für die eigentlichen römischen Schwerter gilt.
Unter dem lateinischen Begriff gladius versteht man heutzutage in der Regel die übliche zweischneidige, kurze Stoßwaffe der frühen Kaiserzeit. Unglücklicherweise gebrauchten die Römer die Bezeichnung gladius – ebenso wie andere militärische Termini – in den erhaltenen Texten, die eher literarischer als militärtechnischer Art sind – keineswegs mit Konsequenz. So wurde das Wort gladius, das Varro von clades, ‚Gemetzel‘, ableitete, als Oberbegriff für jede Art von Schwert verwendet.65 Manche Typen wurden ab und zu näher bestimmt, z.B. gladius Hispaniensis, das ‚spanische Schwert‘. Andere fremdländische Schwerttypen behielten im Lateinischen ihre fremden Bezeichnungen, zum Beispiel die griechische machaera. Gladius konnte auch spezifischer für einen Typus oder zumindest eine Typenklasse bestimmter Schwerter verwendet werden
Eine Passage aus den Annalen des Tacitus scheint wichtige Informationen über verschiedene römische Schwerttypen zu liefern sowie darüber, wer welches Schwert verwendete. Darin schildert Tacitus, wie im Jahr 51 n. Chr. die Truppen des Rebellen Caractacus in Britannien „zwischen die gladii und Wurfspeere der Legionäre und die spathae und Stoßspeere der Hilfstruppen gerieten“.66 Allerdings handelt es sich bei dieser säuberlichen Unterscheidung nicht um eine technische Beschreibung, sondern um eine wohlüberlegte literarische Kontrastierung.67 Zumindest liefert die Textstelle den Nachweis, dass zu der Abfassungszeit der Annalen (ca. 100 n. Chr.) zwischen zwei Klassen von Schwertern unterschieden wurde und der Begriff spatha gängig genug war, um keiner Erklärung zu bedürfen. Daraus folgt, dass er schon seit einiger Zeit in Gebrauch war. Dies ist im Übrigen die älteste überlieferte Textstelle, in der spatha als Bezeichnung für ein Schwert verwendet wird, gewöhnlich als „eine lange Hiebwaffe“ der frühen kaiserlichen Kavallerie. Ursprünglich war spatha ein latinisiertes griechisches Wort mit der Bedeutung ‚Spatel‘,68 das offensichtlich eine neue Waffengattung bezeichnete, die von den Römern im späteren 1. Jahrhundert n. Chr. eingesetzt wurde. Ursprünglich war es ein Slangbegriff, der sich vielleicht spöttisch auf die Länge und den primären Anwendungsmodus bezog, das „Herumfuchteln“ in der Luft anstelle des ‚mannhaft entschlossenen römischen‘ Stoßes. Dass Tacitus den Begriff verwendet, beweist natürlich in keiner Weise, dass die Waffe oder ihre Bezeichnung tatsächlich bereits in den 50er Jahren in Gebrauch war. Was immer die Kavallerie aber tatsächlich verwendete, die Künstlichkeit der Unterscheidung durch Tacitus wird durch die Tatsache unterstrichen, dass auf Grabsteinen befindliche Darstellungen der Hilfstruppen diese mit Kurzschwertern abbilden, d.h. mit den taciteischen gladii, nicht etwa seinen spathae.
Im 2. Jahrhundert n. Chr. veränderte sich offensichtlich die Beziehung zwischen den Begriffen gladius und spatha, vielleicht weil die kurze (angebliche) Stoßwaffe weitgehend außer Gebrauch kam. Gladius blieb weiterhin eine allgemeine Bezeichnung für Schwert, obwohl alle militärischen Schwerter nun möglicherweise durch den Begriff spathae erfasst wurden. So beschreibt Apuleius in seinem Roman Der Goldene Esel (späteres 2. Jh.) einen keiner spezifischen Waffengattung zugeordneten Soldaten als „mit einer spatha bewaffnet“, spezifiziert aber an anderer Stelle ein weiteres Schwert als equestrem spatham praeacutam, eine ‚äußerst scharfe Kavallerie-spatha‘. Der Zusatz ‚Kavallerie‘ betont vermutlich, dass es sich um ein besonders langes Schwert handelt, das in diesem Zusammenhang von einem Straßengaukler benutzt wird.69 Daraus folgt, dass es auch kürzere Infanterie-spathae gegeben haben muss, zumindest im Sprachgebrauch der gehobenen Literaten.
Es ist nicht einmal bekannt, bis zu welchem Grad selbst römische Soldaten sich einer präzisen und kosequenten technischen Begrifflichkeit bedienten. Terentianus, ein Militär ägyptischer Abstammung aus dem frühen 2. Jahrhundert, bat seinen Vater in einem Brief unter anderem um ein „Schlachtschwert“ (gladius pugnatorius) und betonte möglicherweise, dass er damit kein doppelt so schweres Übungsschwert meinte, schwieg sich aber über weitere Details aus.70 Auf einer Schreibtafel des Militärs aus Carlisle im späteren 1. Jahrhundert n. Chr. werden „Standardschwerter“ (gladia instituta) erwähnt, allerdings ohne jeden Hinweis, was damit gemeint sei.71 Interessanterweise bezeichnet hier gladium (eine Nebenform von gladius) ein Kavallerieschwert – eigentlich ein Langschwert, was zu dem fraglichen Zeitpunkt bereits spatha hätte heißen müssen. Vielleicht wird hier der Begriff gladius in seiner generischen Bedeutung von ‚Schwert‘ verwendet oder war der offizielle Begriff für das Gerät, das nur sein Träger mit dem Spitznamen spatha bedachte …
Wenn Sie dies verwirrend finden, werden Sie verstehen, warum die Spezialisten für militärische Ausrüstung dazu neigen, solche nicht durchgängig verwendeten, ihre Bedeutung laufend verändernden oder einfach obskuren lateinischen Begriffe zu meiden (Was war der Unterschied zwischen der spatha und der semispatha des Vegetius und auf welche Periode bezog er sich?).72 Andererseits vermitteln manchmal verwendete bildhaftere Termini (wie „Breitschwert“ oder „Rapier“) zwar eine bessere Vorstellung von der Form, sind aber anachronistische Übertragungen wesentlich späterer, ziemlich andersartiger Waffen und können in die Irre führen, indem sie die Art der Verwendung ungeprüft vorwegnehmen (das sogenannte kurze römische Stoßschwert war auch eine wirkungsvolle Hiebwaffe). Spezialisten verwenden häufig weniger zweideutige Begriffe für Typen, die ausgehend von tatsächlichen Exemplaren von Schwertern aus der Römerzeit definiert und beschrieben wurden. Manche erklären sich von selbst wie der Terminus Ringknaufschwert (siehe S. 176). Die meisten archäologischen Namen basieren auf den Fundorten, an denen dieser Typus zum ersten Mal definitiv beschrieben wurde, zum Beispiel der ‚Typus Mainz‘, der ‚Typus Pompeji‘ oder die Typen ‚Straubing-Nydam‘ und ‚Lauriacum-Hromówka‘. Solche Namen sind präziser, aber oft geradezu genial plump und uneinprägsam. Die Krone gebührt möglicherweise der schwindelerregend verwirrenden Bezeichnung „Straubinger Variante des spatha-artigen gladius“. Die Benennungssituation ist also insgesamt äußerst unbefriedigend.
Die hunderten von bekannten archäologischen Exemplaren römischer Schwerter wurden in jüngster Zeit katalogisiert und werden im vorliegenden Buch noch einer detaillierteren Betrachtung unterzogen73. Eine skizzenhafte Einführung in ihre Entwicklung ist jedoch bereits an dieser Stelle angebracht; denn wie das römische Militärwesen und die Gesellschaft als Ganzes machten auch die römischen Schwerter im Laufe der Zeit wesentliche Veränderungen durch (Abb. 7), und zumeist existierten in jeder beliebigen Periode mehrere verschiedene Typen nebeneinander.
Heute wissen wir, dass die Form der Waffe, die den Mittelmeerraum in der zweiten Hälfte des Zeitalters der Republik eroberte, sich deutlich von den altvertrauten, angeblich archetypischen Kurzschwertern unterschied, die man heutzutage als den Typus Mainz und Pompeji der frühen Kaiserzeit klassifiziert. Diese tauchten als Nachkommen des republikanischen Schwertes erst in der frühen Kaiserzeit auf. Scipios und Caesars Legionäre trugen Waffen, die bedeutend länger waren (siehe S. 79). Es handelt sich dabei offensichtlich um die konkrete Waffe, die unter dem Terminus gladius Hispaniensis bekannt ist. Allerdings wurde selbst dieses Schwert erst nach der Einigung Italiens in den Dienst der römischen Truppen gestellt. Das Schwert, welches in den ersten beiden Jahrhunderten der Republik verwendet wurde, war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das xíphos des griechischen Hopliten, ein tailliertes, zweischneidiges Schwert variierender Länge mit einer ausgeprägten Spitze (siehe S. 48, Abb. 15).
7. Römische Schwerter im Maßstab 1: 12, zum Größenvergleich mit einem 1000 mm langen amerikanischen M16-Sturmgewehr, dem im doppelten Sinne ultimativen britischen Kavallerieschwert vom Typ Pattern 1908 und einem menschlichen Arm (nach Polykleitos). Die römischen Schwerter sind (von links nach rechts): ein gladius Hispaniensis aus der Republik, je ein Schwert des Typs Mainz und des Typs Pompeji aus der frühen Kaiserzeit, ein damasziertes Schwert aus dem 2. Jh. n. Chr., ein Typ Straubing-Nydam aus dem 3. Jh. und eine Waffe des Typs Illerup-Wyhl aus dem 4. Jh. n. Chr. Die Querstreifen im Hintergrund repräsentieren jeweils 100 mm.
Das kurze, häufig breite und mit einer langen Spitze ausgestattete Schwert des Typus Mainz, das in den letzten Jahrzehnten vor der Zeitenwende eingeführt wurde (siehe S. 121, Abb. 42), wurde etwa 70 Jahre später durch das insgesamt schmalere Schwert des Typus Pompeji ersetzt, dessen parallele Schneiden in eine kurze Spitze mündeten (S. 141, Abb. 48). Zeitgleich mit diesem Wechsel wurde bei den römischen Streitkräften anscheinend eine neue Kategorie von längerem Schwert eingeführt, das zum Beispiel im schottischen Newstead gefunden wurde. Man geht davon aus, dass es, was nur logisch wäre, anfänglich bei der Kavallerie verwendet wurde (siehe S. 141f. und Abb. 52) und vermutlich mit der taciteischen spatha identisch ist.
Das mittlere 2. Jahrhundert n. Chr. brachte der Palette römischer Schwerter weitere wesentliche Veränderungen, die wir allmählich zu verstehen beginnen. Die Typen und Herstellungstechniken machten einen radikalen Wandel durch. Im späten 2. Jahrhundert kam es zudem zu einer kurzen Blüte von Schwertern mit ausschließlich aus Eisen gearbeiteten Griffen, mit einer geraden Parierstange und einem Ringknauf, nach dem dieser Typus mit der modernen Wortschöpfung Ringknaufschwert bezeichnet wurde. Dies war allerdings nur eine kurzlebige Ergänzung der römischen Tradition des abgeplatteten Knaufs und des eiförmigen, mit tiefen Fingerrillen versehenen Parierstücks, die schnell ihre Dominanz zurückeroberten. Einige dieser Waffen waren mit Klingen von der Größe und Form des Typs Pompeji ausgestattet. Allerdings wurde der Typ Pompeji im Verlauf des 2. Jahrhunderts ausgemustert. Ab und zu wurden zwar noch einige Kleinformen – in manchen Fällen geradezu Miniaturen dieses Schwertes – hergestellt, doch das Zeitalter des Schwertes als kurzer Stichwaffe ging allmählich zu Ende. Ab dem 2. Jahrhundert stieg die Durchschnittslänge der römischen Schwerter deutlich an (Abb. 8).
Von dieser Zeit an waren viele Schwerter mit flachen Rillen oder Rinnen versehen, Blutrinnen, die angeblich die Sogwirkung der Wunden vermindern und das Herausziehen des Schwertes erleichtern sollten,74 aber wohl eher die Versteifung förderten und das Gewicht der Klinge verringerten. Eine komplexe neue Technik des Schmiedens von Klingen, das Damaszieren, hatte sich zu Beginn des 3. Jahrhunderts ausgebreitet (siehe S. 174f., Abb. 63). Generell wurden die Klingen deutlich länger. Spathae wurden für Infanterie und Kavallerie gleichermaßen zur Standardwaffe. Neu hinzu kamen ‚Breitschwerter‘ und längere, schlankere ‚Rapiere‘. Die meisten waren mit einer Spitze versehen und konnten als Hieb- und Stoßwaffen eingesetzt werden. Im römischen Kriegswesen dominierten längere Schwerter von nun an bis in das 5. Jahrhundert hinein, d.h. über eine viel längere Zeitstrecke als das kurze Stoßschwert.
Daneben gab es in der Welt Roms noch weitere Schwerttypen. Kaiser wurden mit Schwertern abgebildet, deren Griff wie ein Adlerkopf geformt war (Abb. 82), wovon ein archäologisches Fundstück existiert.75 Die Soldaten verwendeten auch hölzerne Übungsschwerter.76 Zur Ausrüstung der Gladiatoren gehörten Sonderanfertigungen sowie schwertähnliche Waffen, während ein Holzschwert beim Ritual ihrer Freilassung eine Rolle spielte.77
8. Die durchschnittliche Länge römischer Schwertklingen im Laufe der Zeit (nach Miks 2007). Der ausgeprägte, anhaltende Trend zu immer längeren Waffen ist eindeutig. Die Grafik ist eine Auswertung von Messungen archäologischer Funde (N = 706). Sie stellt die Prozentsätze von Klingen nach der Zugehörigkeit zu einem der jeweils mit 100 mm skalierten Bänder für Zeiträume von 50 Jahren dar, beginnend mit dem Übergang von der Republik zum Kaiserreich, wo die Datenmenge groß genug wird, um gültige Aussagen zu machen, bis zum Untergang des Weströmischen Reiches, wo statistisch relevante Datenmengen knapp werden.
Bis in das 2. Jahrhundert n. Chr. trug die Mehrzahl der römischen Soldaten – ebenso wie die Gallier – das Schwert auf der rechten, später jedoch wie generell im Abendland auf der linken Seite (Abb. 51). Auch wenn es uns heute seltsam anmutet, lässt sich selbst eine lange Waffe auf der rechten Seite tragen, wenn man den Handrücken zum Körper dreht und die Klinge nach oben oder vorwärts aus der Scheide zieht. Allerdings ist trotzdem nicht völlig klar, warum Römer und Gallier ihr Schwert rechts trugen. Möglicherweise wären sich auf der linken Seite die Scheide und der stark gekrümmte Schild dieser Ära ins Gehege gekommen. Was einmal einen praktischen Grund hatte, mag in der Kaiserzeit einfach eine geachtete Tradition gewesen sein. Allerdings trugen die Zenturionen ihr Schwert immer links, und zu Beginn des 3. Jahrhunderts taten es ihnen alle Soldaten gleich.
Anders als die Kampftechnik der Schwertkämpfer der Renaissance lassen sich die Raffinessen des Schwertkampfes der Römerzeit nicht im Detail rekonstruieren. Allerdings können wir den Beschreibungen und den bildlichen Darstellungen von Kämpfen, vor allem der Infanterie, einiges entnehmen, auch zu den Waffen. Die römische Fechtkunst unterschied sich deutlich vom postmittelalterlichen Stil, weil die Römer normalerweise ihre Schwertaktionen mit denen ihres Schildes koordinierten. Ein späterer europäischer schildloser Fechter setzt zu seinem Angriff üblicherweise mit Ausfallschritten des rechten Beins und dem Degen in der Rechtsauslage an. Ist aber ein Schild im Spiel, gehen der linke Arm und das linke Bein nach vorne, während das Schwert auf die Gelegenheit zum Stoß oder Hieb lauert.78 Die Schilde der Römer, deren zentral angebrachter Griff durch einen Metallbuckel geschützt war, dienten nicht nur zur Abwehr von Schwerthieben, sondern auch als Schlagwaffe, um den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen oder dessen Schild zur Seite zu schieben, um ihn für einen Schwertangriff zu entblößen. Wenn sie ohne Schild kämpfen mussten, hatte ihr Mantel als Schildersatz herzuhalten.79
Aus den Waffen lassen sich ebenfalls einige Rückschlüsse auf die Fechtweise der Römer ziehen. Römische Schwerter hatten, wie die meisten Schwerter aller Epochen, ein geringes Gewicht. Die Klinge des Typs Pompeji wog etwa ein halbes Kilogramm, selbst späte römische Langschwerter wogen in der Regel weniger als ein Kilogramm. Die Wucht eines Stoßes oder Hiebes musste mit Muskelkraft generiert werden, anders als bei der Masse und dem Schwung einer Axt oder eines Pickels. Dennoch geht aus ihrer Konstruktion und Form hervor, dass sie andere Eigenschaften hatten als europäische Schwerter aus jüngeren Zeiten.
Manche Schwertgriffe sind auffällig kurz, liegen fest in der Hand und waren manchmal – wie die der Gladiatoren – mit einer Kette oder Schnur am Handgelenk befestigt, damit sie nicht herunterfallen konnten. Auch wenn der Knauf häufig groß war und als verlängerte Faust eingesetzt werden konnte, bestand er normalerweise wie der gesamte Griff aus organischem, d.h. leichtem Material. Dies steht im Kontrast zu vielen mittelalterlichen Waffen, die mit schweren Metallknäufen ausgerüstet waren, um zumindest teilweise das Gewicht der Klinge auszubalancieren, damit das Handgelenk wirksamer eingesetzt werden konnte. Obwohl man sehr auf die Verteilung des Metalls über die gesamte Klinge achtete (z.B. indem man den Verlauf der Klinge bei vielen der längeren spathae verjüngte, ohne die Klinge abzuflachen), lagen die Schwerter der Römer weniger gut in der Hand und waren vielleicht schwieriger zu handhaben als viele Waffen aus späteren Zeiten.
Die Debatte über die respektiven Vorteile des Stoßes oder Hiebes wird seit Polybios und Vegetius bis in die heutige Zeit geführt. Hiebe können einfache axtähnliche Schläge mit ausgestrecktem Arm sein, können aber vielleicht größere Wirkung erzielen, wenn das Schwert eine schlitzende Bewegung macht, d.h. aus dem Handgelenk zurück geführt wird, selbst wenn sich dadurch die Reichweite reduziert (Abb. 9). Die kräftigsten Hiebe, überkopf nach unten, entblößen die rechte Achselhöhle für einen Stoß des Gegners.80 Hiebe sind zudem leichter zu berechnen als Stöße, mit denen man den Gegner leichter überraschen kann – vor allem dessen erstes Warnsystem, die optische Wahrnehmung. Ein hinter einem Schild angesetzter rascher Stoß ist schneller und viel schwerer zu antizipieren als ein ausholender, um die Außenseite des Schildes im Sichtfeld des Gegners geführter Rundschlag. 48 v. Chr., im Kampf gegen eine besonders effektive Einheit von Kavalleristen des Pompeius, befahl Caesar seinen Soldaten, mit Schwertstößen auf Gesicht und Augen der Feinde zu zielen, wodurch es tatsächlich gelang, sie zum Rückzug zu zwingen:81 ein weiteres Beispiel dafür, dass in jener Zeit der Schwertstoß höher eingeschätzt wurde als der Hieb.
9. Schwerthiebe. Axtartiger Schlag (links) und schlitzende Bewegung (rechts).
Zahlreiche Passagen der griechischen und römischen Literatur kontrastieren die römische Taktik des Stoßes in die Brust oder die Leistengegend mit der Präferenz der Gallier oder anderer Barbaren für auf den Kopf zielende Hiebe mit einer langen Klinge. Dies sei chon im 4. Jahrhundert v. Chr. der Fall gewesen, wie in Livius’ Schilderung des Duells, das Manlius Torquatus um 360 v. Chr. mit einem Gallier ausfocht. In ähnlicher Weise berichtet Dionysios von Halikarnass:
… [sc. Während die Gallier noch mit ihren Schwertern zum Schlag von oben ausholten], rückten ihnen [sc. die Römer des Camillus] im Schutz ihrer Schilde geduckt auf den Leib und fingen die zu hoch angesetzten Schläge mühelos ab, während sie den Gegnern mit geraden Stößen ihre Schwerter in die Lenden, in die Flanken und durch den Brustkorb in die Eingeweide bohrten.
Dionysios von Halikarnass 14.10.17–1882
10. Gedenkmünze von 41 v. Chr. an eine sonst nicht überlieferte Großtat eines Vorfahren aus dem Senatorenstand, C. Numonius, auf dem Schutzwall (vallum) eines feindlichen Militärlagers, die ihm und seinen Nachkommen den Beinamen Va(a)la einbrachte. Man beachte die geduckte Haltung und den tief angesetzten Schwertstoß unter dem erhobenen Schild.
Allerdings wurden diese Berichte, die in hohem Maße die Wahrnehmung der Moderne prägen, mehrere Jahrhunderte nach diesen „legendären“ Ereignissen verfasst. Konnten sie nach so langer Zeit eigentlich überhaupt etwas anderes sein als Fiktionen, literarische Schablonen für den Standardtopos vom agilen Römer im Kampf mit dem tolpatschigen Barbarenlümmel? Die Archäologie bestätigt, dass es sich im besten Fall um einen Anachronismus handelt, denn die gallischen Schwerter des 4. Jahrhunderts waren keineswegs übermäßig lang und hatten zudem ausgeprägte Spitzen für Stichaktionen. Allerdings reflektieren diese Berichte, wie die Römer der späten Republik und der frühen Kaiserzeit lernten, mit den langen, zum Teil nicht mit Spitzen versehenen gallischen Schlagschwertern fertig zu werden, die durch archäologische Funde für das letzte Jahrhundert v. Chr. reichlich belegt sind (Abb. 35).
Der griechische Soldat und Historiker Polybios liefert überzeugendere Berichte über den Einsatz des Schwertes in der mittleren Periode der Republik. In seiner Schilderung der Schlacht zwischen den Römern und Galliern bei Telamon (225 v. Chr.), für die es noch Zeitzeugen gab, hebt er den Mut der Gallier hervor:
… obwohl sie Mann für Mann und als Kollektiv den Römern waffentechnisch unterlegen waren. Deren Schilde und Schwerter waren sowohl beim Angriff wie auch bei der Verteidigung deutlich überlegen … [weil die Schwerter der Gallier] nur für einen einzigen von oben nach unten geführten wirkungsvollen Schlag taugten, nach dem aber die Schneiden und die gesamte Klinge so verbogen war, dass sie kein zweites Mal zuschlagen konnten, es sei denn, sie hätten Zeit gehabt, sie mit dem Fuß am Boden wieder gerade zu biegen … Außerdem hatten ihre Klingen keine Stoßspitze, (sc. während) die Römer Schwerter mit äußerst wirkungsvollen Spitzen besaßen und diese deshalb nicht als Schlag-, sondern als Stichwaffen verwendeten.
Polybios 2.30.7–8 (Hervorhebung d. Verf.)83
Allerdings ist auch dieser Bericht nicht frei von Vereinfachung und Stereotypen. Metallographische Untersuchungen gallischer Klingen haben bestätigt, dass manche tatsächlich so weich waren, dass sie – wie Polybios schildert – zum Verbiegen neigten, doch die meisten waren von besserer Qualität, und viele waren mit Stoßspitzen ausgerüstet (Abb. 11).84 Bemerkenswerterweise betont Polybios an anderer Stelle, dass das römische Schwert als Schlagwaffe genauso wirksam war, also eine Mehrzweckwaffe, nicht etwa ein reines Stoßschwert darstellte.85 Daraus wird deutlich, dass die Römer, wenn sie auf Feinde trafen, die mit Langschwertern ausgerüstet waren, sich aus taktischen Gründen für den vorwiegenden Einsatz des Schwertes als Stichwaffe entschieden. Daraus könnte sich eine gewisse kulturelle Präferenz entwickelt haben. Die römische Kavallerie verwendete dasselbe Gerät als Schlagwaffe, die schreckliche Verwundungen verursachte.
Die Art der Verwendung ist nicht starr an die Form oder Länge der Klinge gebunden. Für einen Hieb braucht man keine lange Waffe, für einen Stich nicht unbedingt eine kurze. Die Klingen mancher Rapiere aus der frühen Neuzeit waren über einen Meter lang. Selbst wenn die Römer eine praktische oder kulturell bedingte Vorliebe für den Schwertstoß gepflegt haben sollten, hätte dies also nicht automatisch besonders kurze Schwerter erfordert.
11. Gallische Schwerter, spätes 3. Jh. v. Chr., aus La Tène. Das Schwert zur Linken ist mit beiden Seiten der Scheide abgebildet und zeigt die typisch gallische Aufhängeschlaufe an der Rückseite. Diese Beispiele beweisen, dass zwar manche gallischen Schwerttypen keine Stoßspitze besaßen, andere jedoch auch als Stichwaffen konzipiert waren. (Maßstab 1: 8)
Ein praktischer Grund für die mögliche Bevorzugung kürzerer Schwerter in der Zeit der Republik kann das größeren Risiko des Verbiegens einer längeren Klinge gewesen sein, das durch technische Entwicklungen in der Kaiserzeit verringert wurde. Dennoch ist es wahrscheinlich, wie im weiteren Verlauf auch argumentiert wird, dass das Auftreten der ‚klassischen‘ Kurzschwerttypen in der frühen Kaiserzeit aus einer Kombination taktisch-praktischer Erwägungen und militärischer Ideologie resultierte. Es könnte auch eine Folge der beginnenden Spezialisierung römischer Infanterie- und Kavallerieschwerter sein. Bisher war implizit nur vom Kampf zu Fuß die Rede. Der Schwertkampf zu Pferd hat jedoch eine eigene Dynamik: zusätzliche Wucht durch das Pferd, aber auch eingeschränkte Möglichkeiten, Schlägen im Schlachtgetümmel auszuweichen. Daraus ergab sich eine verstärkte Panzerung der Gliedmaßen und der Einsatz von Gesichtsmasken.
Ein speziell römischer (oder italischer) Schwertstoß, der mit kürzeren Klingen leichter durchzuführen war, erscheint in Abbildungen kriegerischer Gewalt von 300 v. Chr. bis in das späte 2. Jahrhundert n. Chr., als solche Klingen immer seltener verwendet wurden (Abb. 58). Es handelt sich dabei um eine Form der Exekution oder einen Gnadenstoß, bei dem das hilflose Opfer wie mit einem Dolch von oben zwischen Hals und Schlüsselbein in das Herz gestochen wurde.86
In der Rückschau erscheinen die römischen Soldaten und ihre berühmt-berüchtigten Schwerter als vertraute und langlebige Akteure auf der Bühne der abendländischen Geschichte. Doch Roms Aufstieg zur militärischen Dominanz der bekannten Welt erfolgte erstaunlich schnell und unvorhersehbar. Für die griechischen Staaten im östlichen Mittelmeer, vor allem aber für die großen hellenistischen Königreiche der Erben Alexanders des Großen, die sich als die Supermächte ihres Zeitalters fühlten, kam die Eruption, mit der Rom die Weltbühne betrat, als verheerender Schock.