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Pyrrhus und der Nachweis römischer Macht

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Als Philipp II. von Makedonien Griechenland überwältigte und Alexander Persien eroberte, stieg die Stadt Rom vom Rang der Herrscherin über das Tal des Tiber zur Gebieterin Italiens auf. Ihre militärische und politische Macht verbreitete sich rasch über die gesamte Halbinsel vom Nordrand des Apennin durch Etrurien und Kampanien bis zu den südlichen Küsten. Trotz späterer, zurückschauender Bekundungen göttlicher Vorsehung ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Römer ursprünglich überregionale Ambitionen hatten, die über den avisierten Sieg im nächsten Krieg hinausreichten. Dennoch zogen sie immer weitere Lehren aus ihren Erfolgen und Fehlern, sodass ihre herrschende Klasse im 4. Jahrhundert v. Chr. vermutlich erkannte, dass die Herrschaft über die gesamte Halbinsel ein erreichbares Ziel war. Roms Aufstieg kulminierte in der endgültigen Niederwerfung der mächtigen Samniten und der Etablierung der Hegemonie – teils durch Bündnisse, teils durch Waffengewalt – über die an der Küste gelegenen Kolonien der Magna Graecia (Großgriechenlands). Es war der Widerstand einer wichtigen griechischen Stadt, Tarent, der den ersten Zusammenstoß Roms mit einer bedeutenden außeritalischen Militärmacht auslöste: mit der des Pyrrhus, des hellenistischen Söldnerkönigs von Epirus. Angesichts der Bedrohung durch Rom ersuchten die Tarentiner Pyrrhus um Hilfe. Dieser sah darin die Chance, nach dem Vorbild der aus Alexanders Eroberungen entstandenen Nachfolgerstaaten in Italien ein Reich aufzubauen, und setzte 280 v. Chr. mit seinem mächtigen, hochprofessionellen Heer nach Italien über.


21. Modell eines Kriegselefanten mit ‚Aufbau‘, wie sie Pyrrhus in Italien einsetzte (Terracottafigur aus Pompeji).

Pyrrhus war darauf eingerichtet, gegen Barbaren zu kämpfen, und erlebte eine böse Überraschung. Obwohl die Römer auf eine moderne hellenistische Armee mit einer makedonischen Phalanx und Kriegselefanten (Abb. 21) trafen, die vom besten Feldherrn seiner Generation geführt wurde, behielten sie schließlich die Oberhand. In drei Schlachten gelang ihnen zwar kein eindeutiger Sieg, aber ihre Heere (in denen zweifellos angegraute Zenturionen kämpften, die als junge Legionäre noch bei Sentinum in die Schlacht gezogen waren) erzwangen ein blutiges Patt. Trotz gewaltiger Verluste kämpften sie weiter und fügten dem Eindringling, der signifikanterweise kaum Zulauf von Italikern bekam, seinerseits schrecklichen Schaden zu. Pyrrhus’ größter Erfolg gegen die Römer, die Schlacht bei Ausculum (279 v. Chr.), kostete ihn so viele erfahrene Soldaten und Offiziere, dass daraus der Begriff ‚Pyyrhussieg‘ entstand. Die dritte große Schlacht des Pyrrhischen Kriegs wurde 275 bei Malventum ausgetragen. Auf dem Feld kam es zu keiner Entscheidung, doch die Römer konnten sie als Sieg verbuchen, weil Pyrrhus durch den darauf folgenden Rückzug aus Italien seine strategische Niederlage eingestand.60 Dies war die endgültige Bestätigung von Roms Herrschaft über die Halbinsel und die verbliebenen griechischen Städte an den südlichen Küsten.

Das Ringen mit Pyrrhus beweist, dass die entscheidenden Fähigkeiten und Merkmale, die Rom bald danach gegen Karthago und später gegen die hellenistische Welt demonstrierte, bereits ausgebildet waren. Zwar deckte Pyrrhus auf dem Schlachtfeld zweifellos taktische Führungsschwächen auf, doch trotz dieser Defizite legten die Römer große Disziplin, Mut, Kampfgeist und ein überlegenes Durchhaltevermögen an den Tag. Dies war der ideologischen Motivation der Soldaten ebenso geschuldet wie der Verfügbarkeit von Reserven an Menschen, Material und Geld, und den organisatorischen Fähigkeiten, diese Ressourcen einzusetzen und zu erhalten. Es verlieh Rom den materiellen und moralischen Rückhalt, außergewöhnliche Verluste zu verkraften und länger durchzuhalten. Wenn auch nicht durch Taktik, so hatte Rom eine große hellenistische Armee mit strategischen Mitteln besiegt. Damit hatte es den Schritt von der führenden Macht in Italien zu einer ernstzunehmenden Größe im Mittelmeerraum geschafft.

Als die Römer auf Pyrrhus trafen, waren sie bereits perfekt ausgebildete Kriegsathleten

Polybios 2.2061

Der Zusammenprall mit Pyrrhus offenbarte das riesige Potential an Menschen und die nackte Kampfeswut, welche die Republik später auf die Welt der Griechen losließ und die sich als bleibende Markenzeichen des römischen Militärs erweisen sollten. Beide Faktoren waren (im militärischen Kontext) nichts Spezielles, doch Ausmaß und Intensität waren ungewöhnlich und könnten ein relativ neues Phänomen gewesen sein, als Pyrrhus Rom angriff. Sie waren das Resultat der Kombination von Roms militärischer Macht und seinen diplomatischen Bündnisangeboten, des geschwungenen Schwertes und der dargereichten Hand der Teilhabe.

Die Menschenmassen, die Rom ins Feld schickte, um im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. die Vorherrschaft über den Mittelmeerraum zu erringen, wurden damals und auch später als ‚römisch‘ bezeichnet, obwohl es sich in Wirklichkeit um eine paritätische Mischung aus Italikern und Römern handelte, von denen viele ‚frischgebackene‘ Römer waren. Die Stärke und die Zusammensetzung der Truppen resultierten aus der Praxis der dargereichten Hand. Genau wie die wachsenden Stadtstaaten Italiens vor die schwere Aufgabe gestellt waren, zu verhindern, dass sie durch die bewaffnete Gewalt ihrer Bürgersoldaten zerstört würden, so hatte sich Rom durch die Vereinigung Italiens eine potentiell noch weit schwieriger lösbare Aufgabe bereitet: Wie konnte man verhindern, dass hunderttausende von kriegswütigen Männern das von Rom geführte Bündnis dadurch zerstören würden, wozu man sie erzogen hatte: sich gegenseitig zu bekämpfen? Eine Demilitarisierung war im 3. Jahrhundert v. Chr. im wörtlichen Sinne für die Römer wie auch für die übrigen Italiker unvorstellbar, vor allem wenn weitere räuberische Mächte, griechische und ‚barbarische‘, in der Nähe ihre Kreise zogen, in Sizilien, Nordafrika, Griechenland und Gallien.

In der Tat gelang es Rom in wachsenden Maße (wenn auch unvollkomen und mit Unterbrechungen), in Italien eine innere Stabilität herzustellen, indem dieselben Methoden, mit denen man zu Hause einigermaßen Erfolg hatte und die Roms militärische Fähigkeiten gestärkt hatten, auf die gesamte Föderation ausgedehnt wurden. Die Geisteshaltung und die Praktiken miltärischer Gewalt wurden nicht unterdrückt. Sie wurden sogar noch mehr als je zuvor gefördert und zelebriert. Rom besteuerte nicht das Vermögen seiner de facto Untertanen. Stattdessen verlangte es von ihnen, sich als Treibriemen des Krieges zur Verfügung zu stellen, das heißt als mutige Soldaten. Wie in Rom selbst gelang der entscheidende Kunstgriff, die kriegerischen Energien zu bündeln und nach außen zu richten, weg vom Gemeinwesen auf ein allseits befriedigendes Ziel: den Krieg in der Fremde. Hier gab es für italische Aristokraten und Soldaten gleichermaßen Gelegenheit, sich auszuzeichnen und zu Ruhm und Beute zu gelangen. Rom orchestrierte und exportierte die Gewaltbereitschaft männlicher Italiker auf dieselbe Weise, wie Alexander und seine Nachfolger im Osten ein Ventil für die kriegerischen Energien der Makedonen und Griechen gefunden hatte. Dies ist ein wichtiges Indiz dafür, dass Roms Aufstieg in Italien eher ein Vereinigungsprozess war als eine repressive Eroberung. Rom unterdrückte nicht, sondern ließ Raum für den kriegerischen Stolz seiner Verbündeten und Untertanen und förderte ihn.

Kriege außerhalb Italiens erbrachten zusätzliche innenpolitische Vorteile. Der Kriegsdienst gegen gemeinsame Feinde schweißte Römer und Italiker zusammen, förderte die Integration und machte einen Rückfall in die politische Fragmentierung Italiens zunehmend unwahrscheinlich. Diese Politik erwies sich als äußerst erfolgreich. Erst in einer späteren Phase der Republik machte sich bei den Verbündeten Unmut darüber breit, dass ihr Anteil an der Bürde in den Kriegen der Römer zu hoch, die Belohnung hingegen nicht angemessen sei. Dies löste schließlich einen bewaffneten Konflikt aus, den sogenannten Bundesgenossenkrieg (siehe S. 97); doch das Ziel der Bundesgenossen – mit Ausnahme einiger reaktionärer Samniten – war bezeichnenderweise nicht die Unabhängigkeit, sondern die endgültige, volle Integration als gleichberechtigte römische Bürger. Sie kämpften für den uneingeschränkten Einlass, nicht für den Austritt.

Wie bereits erwähnt, nahmen der Kriegsdienst und besonders der für alle sichtbare Mut auf dem Schlachtfeld eine Schlüsselstellung in der Vorstellung der Römer von virtus (Tugend, Männlichkeit) ein, mit der Betonung auf physischem Mut. Die intensive Indoktrinierung mit diesen traditionellen männlichen Werten, die sich durch die gesamte republikanische Epoche zieht, erklärt zu einem großen Teil die Kampfmoral und den Ingrimm der Römer auf Schlachtfeldern wie Sentinum. Römische Heerführer und ebenso ihre Soldaten bewiesen einen tiefsitzenden, geradezu fanatischen, ideologisch fundierten Patriotismus und demonstrierten ihre virtus in einem aggressiv geführten Wettstreit um gloria und laus (Ruhm). Doch Roms Aufstieg zur Herrschaft über den Mittelmeerraum kam nicht zustande, weil die übrigen Italiker schwach gewesen wären, sondern weil sie in ähnlichem Maße kriegerisch geprägt waren. Martialische Aggressivität war ein allgemeiner Charakterzug der Italiker jenes Zeitalters.

Nach Jahrzehnten eskalierender Kämpfe in der harten Schule einer sich gegenseitig hochschaukelnden Kriegswut waren Roms Verbündete und Feinde in der Schlacht von Sentinum bereit, für ihre Ehre und ihr Vaterland genauso grimmig zu kämpfen wie die Römer selbst. Dass die Römer letzlich triumphierten, war überwiegend auf ihre spezielle politische Begabung zurückzuführen, nicht auf eine angeborene militärische Überlegenheit.62 Wenn also die römisch-italischen Armeen die Welt der Griechen durch das Ausmaß ihrer Bereitschaft schockierten, Kriegsgefangene, Sklaven und Verbrecher zu foltern, zu verstümmeln und zu töten,63 war dies ebenfalls kein spezifisch römischer Charakterzug. Die zunehmende beiderseitige Brutalisierung auf dem Höhepunkt des Kampfes um Italien um das Jahr 300 v. Chr. war das erste Stadium der Entwicklung jener unbarmherzigen Blutrünstigkeit, die sich im Vernichtungskrieg des römischen Italien mit Karthago weiter verschärfen sollte. Die Konflikte mit den ebenfalls äußerst kriegslüsternen hellenistischen Mächten verliehen ihr dann den letzten Schliff.

Rom und das Schwert

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