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Sie erwartete das Kind. Jeden Morgen war ihr übel, fröstelte sie, kam sie sich beschmutzt vor und war überzeugt, daß sie nie wieder hübsch würde; in jeder Abenddämmerung hatte sie Angst. Sie kam sich nicht erhaben vor, sondern unordentlich und verwildert. Die täglich wiederkehrenden Übelkeiten wurden zu endloser Langeweile. Bald fiel es ihr schwer, sich zu bewegen, sie tobte, daß sie, die schlank und leichtfüßig gewesen war, sich auf einen Stock stützen und die herzlichen Bemerkungen des Straßenklatsches anhören mußte. Schmutzige Blicke umgaben sie. Jede Ehefrau ließ fallen: »Jetzt, wo Sie Mutter werden, meine Liebe, werden Sie mit allen den Ideen fertig werden, die Sie immer haben, und sich eingewöhnen.« Sie merkte, daß sie nolens volens in die Gemeinschaft der Hausfrauen aufgenommen wurde; sobald das Baby als Geisel da war, würde sie niemals entfliehen; bald würde sie Kaffee trinken, schaukeln und über Windeln reden.

»Ich könnte sie bekämpfen. Ich bin daran gewöhnt. Aber dieses Aufgenommenwerden, dieses Selbstverständlich-genommen-werden, das kann ich nicht aushalten, und ich muß es aushalten!«

Abwechselnd verachtete sie sich selbst, weil sie die freundlichen Frauen nicht zu schätzen wußte, und verachtete diese wegen ihrer Ratschläge: düstere Andeutungen über die Schmerzen, die sie bei den Wehen leiden würde, Einzelheiten über Babyhygiene, die auf langer Erfahrung und völligem Mißverstehen beruhten, abergläubische Vorsichtsmaßregeln hinsichtlich der Dinge, die sie in vorgeburtlicher Sorge für die Seele des Kindes essen und lesen und ansehen müßte, und immer ekelhaft süßliches Kindergeschwätz. Frau Champ Perry kam geschäftig und brachte ihr »Ben Hur« als Vorbeugungsmittel gegen Unsittlichkeit des Kindes. Die Witwe Bogart erschien mit albernem Geplapper: »Und wie geht's unserem reizenden kleinen Mutzie heute? Ja ja, es ist ja, wie man immer sagt: die gute Hoffnung macht das Mädelchen so hübsch, grad' wie eine Madonna. Sagen Sie –« ihr Flüstern bekam einen Anstrich von Lüsternheit, »spüren Sie schon, wie das kleine Wutzelchen sich rührt, das Liebespfand? Ich weiß noch mit Cy, natürlich, er war so groß –«

»Ich sehe nicht hübsch aus, Frau Bogart. Mein Teint ist zum Teufel, die Haare fallen mir aus, ich sehe aus wie ein Kartoffelsack, und es ist kein Liebespfand, und ich glaub' nicht an Mutterliebe, und die ganze Sache ist ein verdammt ekelhafter biologischer Prozeß«, versetzte Carola.

Dann kam das Kind zur Welt, ohne besondere Schwierigkeiten; ein Junge mit geradem Rücken und starken Beinen. Am ersten Tag haßte sie ihn wegen der vielen Schmerzen und hoffnungslosen Ängste, die er verursacht hatte; sie ärgerte sich über seine Häßlichkeit. Dann liebte sie ihn mit all der Zärtlichkeit und Triebhaftigkeit, über die sie gehöhnt hatte. Sie bewunderte die Vollkommenheit der Miniaturhändchen ebenso lärmend wie Kennicott; die Vertrauensseligkeit, mit der das Kind sich an sie wandte, überwältigte sie; ihre Leidenschaftlichkeit wuchs mit jeder unpoetischen und unangenehmen Handreichung, die sie ihm zu machen hatte. Er wurde Hugh genannt, nach ihrem Vater.

Hugh entwickelte sich zu einem mageren, gesunden Kind mit großem Kopf und schlichtem, feinen, hellbraunen Haar. Er war nachdenklich und phlegmatisch – ein Kennicott.

Zwei Jahre lang existierte nichts anderes. Sie hörte, wie die zynischen Ehefrauen prophezeit hatten, nicht auf, »sich über die ganze Welt und die Kinder anderer Leute aufzuregen, sobald sie für ihr eigenes kämpfen mußte«. Die Roheit dieser Bereitschaft, andere Kinder zu opfern, damit das eigene zuviel haben könne, war für sie etwas Unmögliches.

Hugh war ihr Lebensgrund, das Versprechen auf Vervollkommnung in der Zukunft, Altar der Anbetung – und amüsantes Spielzeug. »Ich dachte, ich würde eine dilettantische Mutter sein, aber ich bin ebenso entsetzlich natürlich wie Frau Bogart«, prahlte sie.

Zwei Jahre lang gehörte Carola zur Stadt; war sie ebenso eine Unserer Jungen Mütter wie Frau McGanum. Ihr Widerspruchsgeist schien tot zu sein; sie zeigte keine Fluchtwünsche; ihr Denken konzentrierte sich auf Hugh. Während sie das rosige Gewebe seines Ohrs bewunderte, jubelte sie: »Neben ihm komme ich mir vor wie ein altes Weib, das eine Haut wie Schmirgelpapier hat, und ich freu' mich darüber! Er ist vollkommen. Er soll alles haben. Er soll nicht immer hier in Gopher Prairie bleiben … Was wäre eigentlich am besten, Harvard oder Yale oder Oxford?«

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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