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Im Haus spukte es schon lange vor dem Abend. Schatten glitten die Wände herab und warteten hinter jedem Stuhl.

Bewegte sich die Tür?

Nein. Sie würde nicht zur Lustigen Siebzehn gehen. Sie hatte nicht Kraft genug, vor ihnen Männchen zu machen, freundlich zu Juanitas Ungezogenheit zu lächeln. Heute nicht. Aber sie mußte Gesellschaft haben. Jetzt! Wenn heute nachmittag nur jemand käme, jemand, der sie gern hatte – Vida oder Frau Sam Clark oder die alte Frau Champ Perry oder die freundliche Frau Dr. Westlake. Oder Guy Pollock! Sie würde anrufen –

Nein. Das wäre nicht das richtige. Sie mußten von selbst kommen.

Vielleicht würden sie kommen.

Warum nicht?

Sie würde auf jeden Fall Tee bereit haben. Kamen sie – ausgezeichnet. Wenn nicht – was lag ihr daran? Sie wollte nicht der Stadt nachgeben, keine Konzessionen machen. Sie wollte am Tee festhalten, der für sie immer das Symbol eines behaglich noblen Daseins gewesen war. Und es würde genau so nett sein, auch wenn es kindisch war, allein Tee zu trinken und so zu tun, als hätte sie kluge Menschen bei sich. Jawohl!

Sie setzte den glänzenden Gedanken in die Tat um. Sie eilte in die Küche, machte ein Holzfeuer, sang Schumann, während sie das Wasser im Kessel kochen ließ, wärmte Rosinenbackwerk auf dem mit einer Zeitung bedeckten Bratrost im Herd auf. Sie sprang hinauf, um ihr feinstes Teetuch herunterzuholen. Sie richtete ein Silbertablett her. Stolz trug sie es in das Wohnzimmer und stellte es auf den langen Kirschholztisch, schob einen Stickrahmen zur Seite, einen Band Conrad aus der Bibliothek, Nummern der »Saturday Evening Post«, des »Literary Digest« und Kennicotts »National Geographical Magazine«.

Sie rückte das Tablett vor und zurück und betrachtete die Wirkung. Sie schüttelte den Kopf. Sie klappte eifrig den Nähtisch auf, stellte ihn ans Fenster in den Erker, strich das Teetuch glatt, trug das Tablett hin. »Ich werd' schon einmal einen Teetisch aus Mahagoni haben«, sagte sie zufrieden.

Sie hatte zwei Tassen und zwei Teller hereingebracht. Für sich einen geraden Stuhl, für den Gast aber den großen Ohrenstuhl, den sie keuchend zum Tisch schleppte.

Sie war mit allen Vorbereitungen fertig, an die sie denken konnte. Sie setzte sich und wartete. Sie lauschte auf die Türklingel, auf das Telephon. Ihr Eifer war vorbei. Ihre Hände sanken herab.

Ganz bestimmt würde Vida Sherwin den Ruf hören.

Sie blickte das zweite Gedeck an. Sie blickte den Ohrenstuhl an. Er war so leer.

Der Tee in der Kanne war kalt. Verdrossen probierte sie es mit den Fingerspitzen. Ja. Ganz kalt. Sie konnte nicht länger warten.

Die zweite Tasse war eiskalt sauber, glitzernd leer.

Einfach lächerlich, zu warten. Sie schenkte sich eine Tasse Tee ein. Sie saß da und starrte sie an. Was hatte sie denn nur jetzt tun wollen? Ach ja; idiotisch; ein Stück Zucker nehmen.

Sie wollte den ekelhaften Tee nicht.

Sie sprang auf. Sie lag auf dem Ruhebett und schluchzte.

Das Abendessen war der Schmaus zweier Mädchen. Carola saß in einem schwarzen Satinkleid mit Goldeinfassung im Speisezimmer, und Bea, in blauem Kattun und Schürze, aß in der Küche. Aber die Tür war offen, Carola fragte: »Haben Sie heute bei Dahl im Fenster Enten gesehen?« und Bea sang zurück: »Nein, Ma'am. Hören Sie, wir haben uns heute nachmittag fein amüsiert. Tina hat Kaffee und Knäckebröd gehabt und ihr Schatz war da, und wir haben immer nur gelacht und gelacht, und ihr Schatz hat gesagt, er ist Präsident, und er wird mich zur Königin von Finnland machen, und ich hab' mir 'ne Feder ins Haar gesteckt und gesagt, ich bin in den Krieg gegangen – oh, wir waren so dumm und haben so gelacht!«

Als Carola wieder am Klavier saß, dachte sie nicht an ihren Mann, sondern an den in Büchern vergrabenen Eremiten Guy Pollock.

»Wenn ihn ein Mädchen wirklich küßte, würde er aus seinem Loch herauskriechen und ein Mensch werden. Wenn Will so literarisch wäre wie Guy, oder Guy so energisch wie Will, dann, glaub' ich, könnte ich's sogar in Gopher Prairie aushalten.

Es ist so schwer, Will zu bemuttern. Mit Guy könnt' ich mütterlich sein. Fehlt mir das, etwas zum Bemuttern, ein Mann oder ein Kind oder eine Stadt? Ich will ein Kind haben. Einmal. Aber wenn es dann gerade in den eindrucksvollsten Jahren hier eingesperrt sein muß –«

Und so ins Bett.

»Ist Bea und der Küchenklatsch wirklich das richtige für mich?

Oh, du fehlst mir, Will. Aber es wird angenehm sein, wenn ich mich im Bett umdrehen kann, so oft ich will, ohne Angst zu haben, daß ich dich aufwecken werde.

Bin ich wirklich das, was man eine ›verheiratete Frau‹ nennt? Ich komme mir heute abend so unverheiratet vor, so frei. Zu denken, daß es einmal eine Frau Kennicott gegeben hat, die sich von einer Stadt namens Gopher Prairie hat ärgern lassen, wo doch eine ganze Welt draußen war!

Natürlich wird Will auch gern Gedichte lesen.«

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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