Читать книгу Nachtlilien - Siri Lindberg - Страница 25

***

Оглавление

„Du willst also hier arbeiten.“ Der junge Wirt des Tanzenden Hirschen betrachtete sie abschätzend von oben bis unten und strich sich durch seine spärlichen Haare.

„Ich weiß, ich sehe nicht sehr kräftig aus, aber das täuscht“, meinte Jerusha und versuchte es mit einem Lächeln.

„Hm, das geht schon, glaube ich. Aber eine Magd muss auch noch andere Qualitäten haben, Mädel. Zum Beispiel die hier.“ Grinsend wölbte er die Hände vor der Brust. „Und damit ist es bei dir nicht so gut bestellt.“

Jerusha spürte, wie sie rot anlief. Sie kämpfte gegen den Drang an, sich einfach umzuwenden und davonzugehen. Nein, so schnell gebe ich nicht auf. Verdammt, ich brauche das Geld! „Beurteilt ihr eure Knechte denn auch danach, was sie in der Hose haben?“ fragte sie in unschuldigem Ton und fügte einen kecken Augenaufschlag hinzu.

Der Wirt musste lachen, und Jerusha wusste, dass sie gewonnen hatte.

„Na gut. Ich probier´s mir dir. Fünf Dag pro Woche, dazu freie Kost und Unterkunft für dich und deinen Gaul. Trinkgelder gehören dir. Kannst du gleich anfangen? Geh zu Brin in die Küche, der hat einen Schlüssel zu den Vorratsräumen und gibt dir die Sachen, die du anziehen sollst. Und damit du´s gleich weißt, wenn du einen Kerl mit aufs Zimmer nimmst, dann bekommt das Gasthaus ein Viertel von dem Geld als Anteil.“

Einen Moment lang verschlug es Jerusha die Sprache. Vielleicht sollte sie doch besser ein paar Meilen weiterreiten und in einem anderen Gasthaus nach Arbeit fragen. „So was mache ich nicht.“

„Ja, ja, schon in Ordnung. Nur, ich hab´s dir gesagt, für alle Fälle. Ein Viertel für uns, der Rest für dich.“

Geh doch dahin, wo die Eisenfresser wohnen, Mistkerl! „Ich schaue dann mal bei Brin vorbei“, sagte Jerusha und machte sich auf den Weg in die Küche.

Brin war ein rundlicher Khelgarder mit einem verbitterten Zug um die Mundwinkel. Er murmelte einen Gruß und drückte ihr ihre neue Arbeitskleidung in die Hand. Als Jerusha die Sachen in ihrer Kammer anprobierte, war sie nicht begeistert: Zwar war der Rock knöchellang, doch das vorne geschnürte Oberteil war so geschnitten, dass die Gäste von ihren Brüsten eine Menge zu sehen bekommen würden. Das forderte Missverständnisse heraus. Jerusha verzog den Mund und hakte sich den Rock zu.

Brin wies sie an, Bänke und Boden mit Sand zu scheuern und danach Krüge abzuspülen. Vorratskisten mussten geschleppt, frisches Wasser geholt, Gemüse und Lammfleisch für den Eintopf im großen Kessel gehackt werden. Das alles war langweilig, brachte Jerusha aber nicht ins Schwitzen. Weniger angenehm waren Brins Blicke. Sie merkte, dass er ihre Rückseite eingehend musterte, wenn sie sich bückte, um eine Gemüsekiste zu heben. Aber egal. Sollte er doch. Nach ein paar Tagen hatte sie sich bestimmt daran gewöhnt.

Am späten Nachmittag trafen die ersten Gäste ein, luden ihr Gepäck in den Kammern ab, die ihnen zugewiesen wurden, und kamen dann in die Gaststube. Da es im großen Kessel schon seit einiger Zeit brodelte, durchzogen appetitliche Düfte den Tanzenden Hirschen. Jerusha knurrte der Magen, sie hatte an diesem Tag erst einen Apfel und ein Stück Jakobsburger Wurst gegessen. Doch obwohl Brin ihre hungrigen Blicke sicherlich bemerkte, scherte er sich nicht darum und bot ihr nichts von dem Eintopf an. Darum bitten wollte Jerusha nicht. Wenn sie Pech hatte, lief es hier so, dass die Knechte und Mägde sich erst am Ende des Tages nehmen durften, was die Gäste übrig ließen. Nur die Götter wussten, ob sie bis dahin durchhalten würde.

Die Gäste waren ein bunt gemischtes Völkchen. Drei raue Kerle aus dem gebirgigen Fürstentum Khelgardsland, einer sehr armen Gegend, in der eine Handvoll Clans die Erz- und Edelsteinminen kontrollierten. Einer der drei Männer war ein Welshar, er hatte das typische schmale Gesicht und die spinnenfingrigen Hände. Neugierig beobachtete Jerusha ihn aus den Augenwinkeln. Sie wusste wenig über die Welshar, nur, dass sie berühmte Kletterer waren, aber als nicht ganz menschlich galten.

Weniger unheimlich war ihr ein anscheinend wohlhabendes Ehepaar aus Kalamanca; Jerusha erkannte ihren Akzent sofort, und ein Anflug von Heimweh streifte sie.

„Willkommen“, sagte sie herzlich. „Wie schön, heimatliche Stimmen zu hören. Seid Ihr gerade aus Kalamanca angereist?“

Doch die Frau im edel bestickten Samtkleid musterte sie nur von Kopf bis Fuß und wandte sich dann ab. „Sag ihr, sie soll Blauwein bringen“, meinte sie zu ihrem Mann.

„Bring uns Blauwein, Mädchen“, wiederholte ihr Mann gehorsam wie ein Schaf und blickte Jerusha resigniert an.

„Sehr wohl“, sagte Jerusha förmlich und zog sich zurück. Wahrscheinlich kamen die aus Jakobsburg, der Hauptstadt; dort konnten die Leute angeblich sehr hochnäsig sein. Oder lag es daran, dass sie jetzt nur eine Magd war, und eine recht offenherzig gekleidete noch dazu? Eine Bildhauerin, von der sie sich eine Skulptur erwarteten, hätten die beiden garantiert mit mehr Respekt behandelt.

Jerusha fragte Brin, wo der Blauwein war, und holte eine Flasche davon aus dem Keller. Das Paar ließ sie noch dreimal laufen, weil ihnen die Sorte nicht genehm war. Zum Glück waren die Khelgarder pflegeleichter. Dankbar versenkten sie ihre Löffel in den heißen Eintopf und redeten leise miteinander. Und Brin ließ es sich natürlich nicht nehmen, seinen Landsleuten den Kattis – einen Schnaps aus Kaschuggen – selbst zu bringen.

Nach und nach tauchten noch ein paar Einheimische aus Daressal und den Dörfern der Umgebung auf und versammelten sich in gut gelaunten, lautstarken Gruppen um die Tische. Es war eine Qual, ihnen das duftende Lammgericht zu servieren und selbst keinen Bissen davon probieren zu dürfen. Ich muss mich einfach überwinden und Brin darum bitten, dass ich auch etwas essen darf, auch wenn´s nur ein Stück altes Pfannenbrot ist, dachte Jerusha. Doch jedes Mal, wenn sie Brin sah, wollten ihr die Worte nicht über die Lippen kommen. Und schon riefen die Einheimischen wieder nach mehr Met, und sie musste zum Fass laufen.

„Warum rennst du denn so schnell weg, schöne Maid, bleib doch noch ein wenig“, rief einer der Männer und versuchte, sie auf seinen Schoß zu ziehen.

„Aber nur, wenn einer deiner Kumpels dafür an meiner Stelle das Essen serviert“, gab Jerusha zurück und riss sich los. Ein anderer aus der Gruppe versuchte schnell noch, sie in den Hintern zu kneifen, doch Jerusha konnte ausweichen. Grölendes Gelächter. Jerusha zwang sich, gute Miene dazu zu machen; wenn sie hier die Stammgäste verprügelte, hatte sie im Tanzenden Hirschen keine Zukunft.

Inzwischen war auch der Wirt wieder aufgetaucht, und half ihr sogar beim Servieren und Abräumen. Wohlwollend nickte er ihr zu, anscheinend fand er, dass sie ihre Arbeit ordentlich machte.

Als es draußen schon längst dunkel war, kam noch ein weiterer Gast. Jerusha hörte ein schrilles Wiehern, und die ruhige Stimme eines Mannes, der sein Pferd besänftigte. Kurz darauf kam der Fremde herein. Er blieb lange an der Tür stehen und ließ den Blick durch den Raum schweifen, als wisse er nicht so recht, ob er wirklich bleiben wolle. Jerusha warf ihm nur einen kurzen Blick zu; sie war gerade dabei, verschütteten Met aufzuwischen. Eine klebrige Angelegenheit, und auf der Höhe von fünf Paar dreckigen Stiefeln besonders unschön. Doch als der Mann sich doch noch den Weg in die Gaststube bahnte, musterte sie ihn genauer.

Der Neuankömmling war hochgewachsen und schlank, beinahe hager. Er hatte kurze, dunkelbraune Haare, eine gerade Nase und ein etwas spitzes Kinn. An der einen Seite seines Gesichts verliefen mehrere Narben bis hoch zu den Haaren, und doch fand Jerusha, dass der Fremde gut aussah. Unter dem dunkelroten Umhang war er einfach gekleidet, in ein schlichtes helles Leinenhemd, Hosen und Stiefel. Er trug kein Schwert, und das wunderte Jerusha, denn die Art, wie er sich bewegte, war die eines Kämpfers. Geschwind und zäh wie ein Wolf, kam es ihr in den Sinn.

„He, bist du taub, Mädel? Mehr Met!“ brüllte jemand sie an. Jerusha schrak zusammen.

„Kommt sofort“, entgegnete sie schnell und eilte davon.

Nachtlilien

Подняться наверх