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Vier

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Ziemlich still saß Mia neben Jack in dessen Truck und wartete gespannt darauf, wo er sie hinfahren würde. Die einzige Alternative wäre ein Krankenhaus gewesen, doch davon wollte sie nichts hören. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie sich sofort hinter das Steuer ihres Autos gesetzt und wäre aus dieser unsäglichen Stadt verschwunden. Doch dank des kaputten Kühlers und ihres geschwollenen Fußgelenks war das keine wirkliche Option. Von ihrer Gehirnerschütterung und den grässlichen Kopfschmerzen ganz zu schweigen. Der Doc hatte ihr außerdem eine Tablette gegen die Schmerzen gegeben, die sie schläfrig machte.

»Sie sind also hier, um sich mit Aiden über meinen Fall zu unterhalten?«, fragte Jack plötzlich in die Stille hinein.

»Wenn Sie Jacob Archer sind, dann ja, deshalb war ich hierher unterwegs.«

»Ich bin im Recht und werde keinerlei Zugeständnisse machen«, meinte er grimmig.

»Mr Archer, wollen wir nicht warten, bis Mr Haper zugegen ist? Ich denke …«

»Mein Name ist Jack, und ich werde nicht weiter mit Ihnen über diesen Fall sprechen.«

»Dann müssen wir darüber sprechen, dass ich mir auf Ihrem Gelände meinen Knöchel verstaucht und mir eine Gehirnerschütterung zugezogen habe. Ich bin für mindestens drei Tage arbeitsunfähig. Haben Sie eine Ahnung, was das für ein Verlust für mich ist?«

»Sie sollten nicht so hohe Schuhe tragen, wenn Sie darauf nicht laufen können.«

Mia atmete entrüstet aus. Dieser Jack war wirklich ein ungehobelter Typ! Das Paradebeispiel eines Kleinstädters, ein unhöflicher Farmer eben.

»Ich bin über etwas gestolpert. Das können Sie nicht mir und meinen dreihundert Dollar teuren Schuhen zuschieben, die zu allem Übel auch noch ruiniert sind. Die werden Sie mir ersetzen müssen.«

Er schaute während der Fahrt auf die Schuhe, die Mia in der Hand hielt. »Ich glaube kaum, dass es solche Schuhe in Fredericksburg gibt.«

»Das habe ich auch nicht erwartet. Sie können Sie ja zusammen mit dem Kühler bestellen«, meinte Mia ironisch und schaute beleidigt aus dem Fenster.

»Hey, ich kümmere mich um Sie und biete Ihnen ein Dach über dem Kopf, zählt das denn gar nicht?«

Jack setzte den Blinker und lenkte den Truck von der Hauptstraße in eine Nebenstraße, die mit hübschen kleinen Häusern gesäumt war.

»Was für wunderschöne Häuser.« Mia versuchte, sich einige Straßennamen einzuprägen, falls es sich hier um eine Entführung handeln sollte.

»Ja, hier in Fredericksburg gibt es einige schöne Straßen und Häuser. Ein paar sind historische Stätten und Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen. Wir haben hier sogar ein Anwaltskanzlei-Museum.«

»Es ist sehr … ländlich«, bemerkte Mia und schaute erstaunt auf das Haus, vor dem der Truck hielt.

»Das ist Ihr Haus?«, fragte sie neugierig.

Jack nickte zustimmend und stieg aus. Er ging um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Als Mia Anstalten machte, aus dem Auto zu steigen, hielt er sie zurück. »Halten Sie still, ich trage Sie ins Haus.«

Ohne auf ihre Antwort zu warten, schnappte er sich Mia, als würde sie nichts wiegen, und trug sie zu dem Gebäude. Es war ein Farmhaus im Miniaturformat. Zwei kleine Säulen zierten den Treppenaufgang, dahinter führte eine dunkelgrüne Tür in das Holzhaus. Etliche Fenster gingen zur Straße hinaus, was auf viel Licht im Innern schließen ließ. Doch anstatt in das Haus zu gehen, trug er sie seitlich daran vorbei in einen Garten, wo ein kleines Gästehaus stand, das ebenfalls aus Holz errichtet war. Es war ein Abbild des Haupthauses und sah mit den weißen Holzlatten und den roten Dachschindeln einfach niedlich aus. Vor der Tür standen einige Kübel mit Sommerblumen, die bunt blühten. Im Garten entdeckte Mia Hühner und Ziegen, sowie einen Hund, der die Tiere in ihren abgesteckten Bereichen zu bewachen schien.

»Hey, Marlow, wir haben einen Gast«, rief Jack dem Hund zu, der sofort angerannt kam und seine Nase gegen Jacks Bein rieb. Er war ein dunkelbrauner Rhodesian Ridgeback, mit einem Blick, der Herzen erweichen konnte.

»Würden Sie mich bitte runterlassen?«, fragte Mia leise, denn das ewige Rumgetrage war ihr peinlich.

»Wir sind ja schon da.« Jack öffnete mit der Schulter die Tür, indem er dagegen stieß, Mia ins Haus bis zur Couch trug und sie vorsichtig darauf absetzte.

»Ruhen Sie sich aus, ich werde einkaufen fahren, damit Sie übers Wochenende etwas zu essen haben. Kann ich Ihnen noch irgendetwas bringen?«

»Ich habe meine Tasche im Auto vergessen. Darin ist mein Handy. Ich muss mich dringend im Büro melden.« Mia machte es sich bequem und legte ihr Bein hoch.

»Ich hole sie und Ihre Krücken. Marlow bleibt hier und passt auf Sie auf.«

Er machte sich auf den Weg nach draußen. Mia überlegte, ob sie eine Ziege war, auf die man aufpassen musste.

Wenig später kam Jack schon zurück.

»Hier ist Ihre Tasche. Ich fahre bei Aiden vorbei und gebe Bescheid, dass Sie heute nicht mehr kommen werden.«

Dankbar nickte Mia. »Vielleicht können wir das Treffen auf morgen verschieben?«

»Morgen ist der vierte Juli. Ich denke nicht, dass Aiden an diesem Tag arbeitet. Aber ich werde schauen, ob er Montag Zeit hat.«

Der vierte Juli! Mia konnte sich nicht daran erinnern, wann sie je an diesem Tag nicht gearbeitet hatte, zumindest zu Hause. Wann war sie zuletzt zu einem Grillfest oder einer Feier eingeladen worden? In der Stadt hingen überall Fahnen und Ballons, sowie Plakate, die auf ein Stadtfest mit einem großen Feuerwerk am Abend hinwiesen. Mia hatte sie gesehen, als sie mit Jack zum Arzt gefahren war.

»Na, Marlow, wie verbringst du morgen den Unabhängigkeitstag? Wirst du mir Gesellschaft leisten?« Sie tätschelte den Kopf des Hundes, der daraufhin Sitz machte und seine Schnauze auf ihrem Oberschenkel ablegte. »Du bist wirklich ein Lieber.« Mia seufzte und griff nach ihrem Handy.

»Liz Abernathy, Vorzimmer von Mia Brewster«, meldete sich ihre Assistentin.

»Liz, hi! Mia hier. Du wirst es nicht glauben, was mir passiert ist.«

In knappen Worten schilderte Mia, was ihr zugestoßen war, und wartete auf Liz‘ Reaktion.

»Wie geht es dir? Hast du große Schmerzen?«, fragte diese total aufgeregt.

»Nein, solange ich den Knöchel nicht belaste, hält sich der Schmerz in Grenzen.«

»Wo bist du denn jetzt? In einem Krankenhaus?«

»Ähm, nein … ich bin in einem Gästehaus untergekommen«, erklärte Mia vage.

»In wessen Gästehaus?«

Darauf wollte Mia nicht antworten.

»Mia? Bist du noch dran?«

»Natürlich bin ich noch dran. Also, das Gästehaus gehört dem Typen, dem die Garage gehört, der CC repariert.«

»Und wie ist er so?«, wollte Liz neugierig wissen, die hinter jedem Mann eine Story witterte.

»Hot, hotter, hottest, kann ich nur sagen.«

»O. Mein. Gott! Erzähl mir mehr.« Liz‘ Neugier sprang Mia förmlich aus dem Handy entgegen.

»Es gibt nichts zu erzählen. Er ist ein Farmer. Hörst du? Ein F-A-R-M-E-R.«

»Aber ich dachte, er wäre Mechaniker, hast du zumindest vorhin erzählt.«

»Ja, dann ist er eben ein farmender Mechaniker! Auf jeden Fall hat er Hühner, Schafe und ein Miniaturfarmhaus. Also ein absolutes No-Go, mag er auch noch so heiß sein. Ich hoffe, dass ich Montag wieder in Washington bin.«

»Montag? Das wird Jerry bestimmt nicht gefallen.«

»Mir gefällt es noch weniger, aber ich kann nicht fahren, also was soll ich machen? Außerdem habe ich am Montag einen Termin mit Aiden Haper.«

»Das ist der Anwalt von diesem Jacob Archer, richtig?«

»Hmmh.«

Mias plötzliche Einsilbigkeit rief Liz‘ siebten Sinn auf den Plan. »Äh, Mia, bevor du auflegst, wie heißt der Typ, bei dem du untergekommen bist, nur falls ich dich erreichen muss.«

»Du hast doch meine Handynummer. Dort kannst du mich erreichen.«

»Ja, aber stell dir vor, dir passiert etwas Schlimmes. Ich muss doch wissen, wo ich dich finden kann.«

Etwas kleinlaut und schmallippig presste Mia ein »Ebenfalls Jacob Archer« hervor.

Lovesong Reihe - Gesamtausgabe

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