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Erstes Kapitel

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Südöstlich des Kyle of Tongue

Schottland 1074

Meghan of Blackthorn schlüpfte mitten in der Nacht aus ihrem Bett. Sie zündete keine Kerze an, denn dann hätten die Wachen auf den Zinnen sie womöglich bemerkt.

Sodann legte sie sich auf den kalten Holzfußboden, steckte den Kopf unter das Bett und zog die dort verborgenen Kleidungsstücke hervor. Es handelte sich um das Gewand eines Kriegers. Eilig zog sie es an, bis sie zu den letzten Stücken kam: Helm und Kettenhemd. Als ihre Finger die kalten Eisenglieder berührten, seufzte sie vor Zufriedenheit.

Doch kurz darauf seufzte sie vor Enttäuschung.

Allein war es ein schwieriges Unterfangen. Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen legte sie das Kettenhemd auf das Bett. Sie beugte sich darüber, bis ihr Oberkörper auf einer Höhe mit den unteren Kettengliedern war, und hob sie an. Wie ein Hund, der sich durch einen engen Tunnel windet, grub sie sich in die Rüstung. Zuerst kamen die Arme, dann Kopf und Schultern. Sie rang nach Luft, als Kopf und Arme durch die Öffnungen stießen.

Grinsend band sie sich einen groben Lederriemen um die dichten Haare und stopfte diese in den kegelförmigen Helm, der sogar einen Nasenschutz hatte. Unter dieser Rüstung würde sie als junger Krieger durchgehen, der beflissen Merecks Befehlen nachkam.

Der Sperber blinzelte, als Meghan ihn von der Stange hob, heftig gegen ihre Brust drückte und dann mit einer dunklen Haube bedeckte. Sie hoffte, dass der Vogel keine Angst bekam und sie mit seinen lauten, gequälten Schreien verriet.

Vorsichtig tappte sie hinunter zum Eingang der Festung und packte die schwere Tür, wobei sie immer wieder rasche, besorgte Blicke über die Schulter warf. Ganz langsam zog Meghan das Portal auf. Sie zuckte zusammen, als es dumpfe, kratzende Geräusche machte. Warum waren sie ihr noch nie aufgefallen? Eilig glitt sie durch die schmale Öffnung und rannte die Freitreppe hinunter. Als sie den dunklen Stall betrat, seufzte sie und stieß den lange angehaltenen Atem aus.

Zu ihrem Glück brachten die Krieger ihre Pferde in einem anderen Bereich unter. Mit raschen und knappen Bewegungen sattelte sie ihren Hengst Sturm und stieg auf. Während sie durch den äußeren Burghof auf die sich sammelnde Patrouille zuritt, entging ihrem aufmerksamen Blick nicht die kleinste Einzelheit.

Es war noch so dunkel wie zur Mitternacht, als sie sich hinter den letzten Krieger setzte. Sie hielt den Blick gesenkt und den Rücken gerade. Wenn Vollmond geherrscht hätte, wäre es ungleich schwerer gewesen, die Wachen am Torhaus zu passieren.

Die Pferdehufe verursachten kaum ein Geräusch auf dem dichten Teppich aus feuchten Blättern, die den Waldpfad bedeckten. Eine halbe Meile hinter Blackthorn ließ Meghan sich zurückfallen und lenkte ihr Reittier schließlich vom Pfad weg.

Seit drei Monaten hatte sie sich nicht mehr so frei gefühlt. Doch sie fürchtete den hitzigen Streit mit Connor, wenn sie zur Burg zurückkehrte und er sie erwischte.

Nein, es würde nicht nur ein hitziger Streit sein. Die Bemühungen ihres Bruders, über sie zu bestimmen, endeten immer in einem lärmenden Gezänk. Er würde toben, sie anbrüllen und ihr mit Schlägen drohen. Sie würde ihn daraufhin anschreien, weil er sich dergleichen erlaubte. Da Connor jede Herausforderung annahm, würde er versuchen, seine Drohung wahrzumachen. Es würde damit enden, dass sie wie irgendwelche undisziplinierten, verwahrlosten Gutsherren im Dreck miteinander rangen.

Sollte er sich jedoch damit an ihren gemeinsamen Vetter Damron wenden, wäre sie bald in richtigen Schwierigkeiten. Da sie ihren Vetter und seine strengen Ansichten kannte, wusste sie, dass er ihren nackten Hintern so lange auspeitschen würde, bis sie eine Woche oder länger nicht mehr sitzen könnte.

Sie zuckte die Achseln. Der Geschmack der Freiheit war jede Strafe wert.

Mereck hatte ihr indessen vieles über die Kunst des Fliehens beigebracht und ihr alle möglichen Wege dazu aufgezeigt. Der Kommandant von Blackthorns Heer wäre sicherlich nicht erfreut, wenn er erführe, dass sie nun einen davon zu nehmen gedachte, um seine Pläne zu vereiteln. Er hatte die Krieger angewiesen, alle Frauen in der Festung einzusperren.

Besonders vor einer Frau hatte er sie gewarnt.

Vor ihr.

Die schwachen goldenen Strahlen der Morgendämmerung drangen bereits durch das raschelnde Blätterdach, als sie ihr Ziel erreicht hatte. Nachdem sie die Haube des Sperbers entfernt hatte, ließ sie ihn frei. »Flieg, Dummerchen, aber komm bloß nicht auf den Gedanken, einen fetten Hasen zu schlagen«, warnte sie ihn.

Nicht lange danach pirschte sie sich an ihre eigene Beute heran, einen Rehbock, der zögerlich durch den Wald schlich. Immer wieder hob er den Kopf und schaute sich um, dann graste er weiter. Langsam und mit geschmeidigen Bewegungen hob sie den Bogen und schaute an dem Pfeil vorbei auf ihr Ziel. Sie holte tief Luft und spannte die Sehne. Ein Zischen drang zwischen ihren Lippen hervor, als sie den Pfeil losließ und er sich sein Opfer suchte.

Augenblicke später stand sie über dem Rehbock, den sie mit einem sauberen Blattschuss getötet hatte. Der Sperber stieß herab, ließ sich auf einem Busch nieder und betrachtete das Wild. Der kleine Kopf des Vogels schwankte von einer Seite zur anderen, als überlege er, wie er zustoßen sollte. Meghan schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge.

»Du kannst ein solches Tierchen nicht angreifen, Dummerchen. Es ist schon schlimm genug, dass du Küchenhennen schlägst, nicht aber die kleinen Tiere, die du eigentlich jagen sollst. Nicht wahr, Sturm?«, sagte sie und vergrub die Finger in der Pferdemähne.

Sie setzte ihren Helm ab, unter dem es warm und stickig geworden war. Das lange Haar fiel ihr auf die Schultern. Sie hob es an, damit die kühle Luft ihr den Nacken liebkoste. Wie hielten die Krieger bloß diese Enge an heißen Tagen aus?

Der Sperber drehte den Kopf nach allen Seiten. Meghan erstarrte. Ihre Nackenhaare richteten sich auf, und sie bekam eine Gänsehaut. Wie hatte es ihr entgehen können?

Meghan spürte sie.

Augen. Überall.

Als ob Hände ihren Körper erkundeten. Aber nicht so, wie es ein Liebhaber tat.

Sie senkte den Kopf und spähte aus den Augenwinkeln umher. Wie weit hatte sie sich von Sturm entfernt? Flink wie eine Häsin wirbelte sie herum, machte zwei Schritte und sprang auf ihr Pferd. Sie war noch nicht ganz im Sattel, da trieb sie es bereits an.

Triumphgeheul setzte ein, als Männer und Pferde zwischen den Bäumen hindurchbrachen. Meghan führte Sturm mit den Schenkeln, zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn auf. Tief beugte sie sich über Sturms Hals, während sie ihn durch eine schmale Öffnung zwischen den Bäumen trieb, die zu eng für einen waffenstarrenden Krieger war.

Männer rannten vor, um ihr den Weg abzuschneiden. Einer dieser Narren zögerte zu lange, als Meghan auf sie zuschoss. Bald hatte er ihren Pfeil im Bein. Entsetzt zerrte er an den Zügeln und versuchte das Gleichgewicht zu halten. Sie galoppierte an ihm vorbei; seine lauten Flüche waren wie Musik in ihren Ohren.

Wo waren sie? Es waren so viele. Weit hinter Blackthorns Grenze. Und sie trugen zu Unrecht die Morgan-Farben.

Schweiß tropfte zwischen ihren Brüsten herunter, als sie ihr Reittier durch den dichten Wald lenkte.

Meghan duckte sich, wich aus, lehnte sich weit aus dem Sattel, um tief hängenden Zweigen auszuweichen. Auf allen Seiten schienen Büsche und Bäume nach ihr zu greifen und sich mit den Verfolgern zu verbünden. Ihr Haar befreite sich von dem Band und flog hinter ihr her, peitschte ihre Wange mit dem Lederriemen, der noch in den kleinen Zweigen und Blättern hing, die sich in den verfilzten Locken verfangen hatten.

»Sie darf nicht entkommen!«, brüllte eine Stimme.

»Einkreisen und den Weg abschneiden!«, schrie eine andere.

Sie machte einen Ausfall nach rechts. Ein großer brauner Hengst näherte sich ihr. Der erhitzte Körper des Reiters stank durchdringend nach Schweiß. Seine Finger griffen nach ihrem linken Arm. Sie lehnte sich weit nach rechts. Er geriet aus dem Gleichgewicht und packte die Mähne seines Pferdes, um nicht zu fallen.

»Der Teufel soll sie holen«, rief er jetzt wütend. »Wenn ich sie erwische, reiße ich sie vom Pferd.«

»Nicht bevor ich das Vergnügen hatte, dieser Kriegerfrau zu zeigen, wo sie eigentlich hingehört«, brüllte ein Reiter, der sich ihr rasch näherte.

Sie konnte wetten, dass er der Mann war, den sie verletzt hatte.

»Ich werde jeden Mann ausweiden, der ihr etwas antut.«

Meghan zuckte zusammen. Die Stimme dieses dritten Mannes war kalt und hart. Sicherlich war es ihr Anführer. Ihr Herz tat einen Satz, als sich Nadeln der Angst in sie senkten. Die Stimme klang vertraut, aber sie konnte sie nicht einordnen.

Sie war irgendwo in ihrer Erinnerung verborgen.

Sie lauerte auf sie …

Sie quälte sie …

Rolf MacDhaidh hatte lange auf die Gelegenheit gewartet, dieses närrische und unerschrockene Mädchen einzufangen – die Schwester des Mannes, den er einst seinen Freund genannt hatte. Meghan hatte genau das getan, was er von ihr erwartet hatte – sie hatte allein den Wald betreten, um auf die Jagd zu gehen.

Nun war sie die Gejagte.

So sicher, wie sie den Rehbock erlegt hatte, würde er sie erlegen. Gleich zu Beginn der Jagd hatte er ihren Helm auf dem Waldboden liegen gesehen. Als er ihn aufgehoben hatte, war ihm ein schwacher Geruch von Heidekraut in die Nase gedrungen – und in die Lenden. Er hatte die harten Umrisse ihres Helms gestreichelt und ihn in den Beutel hinter seinem Sattel gesteckt.

Für den Augenblick war Meghan ihm entwischt. Sie hatte seine Männer zu glücklosen Jägern gemacht. Hatte sie mit ihrem Geschick verblüfft. Er schüttelte den Kopf, als sie durch das Gebüsch brachen und nach ihr suchten. In der Ferne hörte er den dumpfen Hufschlag ihres Pferdes verhallen.

Eines war sicher. Sie hatten sie weiter von Blackthorn fort und näher zu Morgans südöstlicher Grenze getrieben.

Die Männer verloren die Geduld. Es war nicht länger Sport für sie. Sie redeten darüber, was sie mit der Frau tun würden, die ihre Fähigkeiten verhöhnt hatte.

Rolf pfiff laut und schrill. Sie fluchten noch heftiger, als sie das Signal zur Rückkehr horten.

»Zurück nach Rimsdale.«

Befehle, knapp und kurz. Die Männer starrten ihn an, regten sich nicht.

»Das meinst du nicht ernst, Rolf. Nach den vielen Stunden, die wir diese Beute gejagt haben?«

»Alpin, dein Ärger wird meinen Entschluss nicht ändern. Kehr zurück und sieh zu, dass man sich um deine Wunde kümmert«, befahl Rolf, während er seinen Freund niederstarrte.

»Wir haben das Mädchen nicht erwischt.« Alpin zwang die Worte förmlich durch die zusammengebissenen Zähne. Er stieß zischend die Luft aus, als er den Schaft des Pfeils abbrach, der sich in seinen Schenkel gebohrt hatte.

»Geh.« Rolf runzelte die Stirn über das Blut auf dem Wams des Mannes und deutete mit dem Finger in Richtung Rimsdale. »Eda soll deine Wunde reinigen und verbinden.« Er wandte sich an seinen Oberkommandierenden. »Dougald, die Männer sollen das Wild ausweiden. Lass mir genug für drei Tage zurück. Alle sollen aus Blackthorns Land verschwinden, bevor man sie bemerkt.«

Alpin warf ihm einen finsteren Blick zu und zog hart an den Zügeln. Sein Pferd wieherte und warf den Kopf herum.

»Kommst du nicht mit, Rolf?« Dougald hob eine Braue und sah seinen Lord fragend an.

»Eine kleine Sache wartet noch darauf, erledigt zu werden.«

Nachdem die Männer das Wild ausgeweidet und aufgeladen hatten, sah er ihnen nach, wie sie im Wald verschwanden.

Rolf streckte und rollte die Schultern. Ein kleines Lächeln hob seine Mundwinkel, als er über diese unerwartete Wendung ihrer Jagd nachdachte.

Er ritt, bis er glaubte, in der Nähe der Stelle zu sein, wo sie sich verstecken würde. Dann glitt er von seinem Pferd, tränkte es an einem Fluss und fütterte es. Mit knappen und raschen Bewegungen sammelte er Holz und machte ein Feuer.

Während das Fleisch briet, wusch Rolf sich. Er grinste und nickte. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern. Das Blut rauschte schneller durch seine Adern. Er dachte mit wilder Vorfreude an morgen.

Seine Beute würde lernen, dass sie nicht vor ihm davonlaufen konnte. Er wusste, wo Meghan Schutz suchen würde. Sie war sicherlich der Meinung, sie habe die Männer abgehängt. Wenn sie glaubte, sie sei in Sicherheit, würde sie lernen müssen, dass sie es nicht war.

Er würde da sein.

Und auf sie warten.

Kampf der Leidenschaft

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