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Zweites Kapitel

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Meghan lenkte Sturm durch einen Fluss, der vom Regen des letzten Abends angeschwollen war. Eiskaltes Wasser benetzte ihr das Gesicht und durchweichte ihre Hose. Als sie glaubte, ihren Verfolgern entkommen zu sein, führte sie Sturm zurück in den Wald. Erst eine halbe Meile vom Fluss entfernt entspannten sich ihre Gesichtsmuskeln. Sie hatte die Lage der Höhle nicht vergessen.

Eine Felsklippe ragte über den Eingang, der nahe einem steilen Abstieg zum See lag. Der Pfad, der zur Höhle führte, war so schmal, dass Sturm hinter Meghan gehen musste. Sie packte den Hengst am Zaumzeug und legte seinen Kopf über ihre rechte Schulter, während sie ihn führte. Er wieherte leise und aufgeregt.

»Keine Angst, Sturm«, flüsterte sie und kraulte ihm das weiche Fell zwischen den Augen. »Ich bin heute stolz auf dich gewesen. Du warst schnell und schlüpfrig wie ein Aal, als du dich zwischen den Bäumen durchgeschlängelt hast und den Rittern entwischt bist.«

Der Sperber huschte von einem Baum zum nächsten, während Meghan das Pferd durch den engen Eingang lockte. Der Vogel war ausnahmsweise einmal verständig und nickte, als stimme er alldem zu.

Spuren von Sonnenlicht fielen durch den Eingang. Es war alles so, wie sie es beim letzten Mal verlassen hatte. Gut genug für sie und Sturm. Sie führte ihn in den hinteren Teil der Höhle und flüsterte: »Auf den Boden.« Sturm schnaubte und schüttelte den Kopf. Deutlich zeigte er seine Verärgerung über sie und erinnerte sie damit an Connor, der sich ähnlich gab, wenn er sie tadelte.

Der Sperber landete vor dem Eingang der Höhle und hüpfte zu ihr hinein. Meghan hielt das Handgelenk hoch, und der Vogel sprang auf die lederne Manschette. Liebkosend fuhr sie mit den Fingern über die weichen grauen Federn am Kopf, während sie sich setzte und wartete. Über ihr hörte sie die Rufe der Männer, die auf ihren Pferden durch das Unterholz brachen. Als sie die lebhaften Flüche hörte, hielt sie sich die Hand vor den Mund und unterdrückte ein nervöses Lachen.

Den Männern gefiel es nicht, von einer Frau zum Narren gehalten zu werden.

Als sie das tiefe Pfeifen ihres Anführers hörte, setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Sie lockte den Sperber auf einen kleinen behelfsmäßigen Sitz, den sie gebaut hatte, als sie dreizehn gewesen war. Dann ergriff sie ihren Bogen, legte einen Pfeil ein und war bereit, ihn abzuschießen, falls es nötig sein sollte. Sie starrte auf den Höhleneingang, lauschte mit angespannten Muskeln und wartete.

Ahnten die Männer, dass sie hier war? Nein.

Wieder zerriss ein Pfiff die Luft; er ertönte weit hinter den Männern. Sie lockerte die angespannten Muskeln und steckte den Pfeil zurück in den Köcher. Es dauerte nicht lange, bis alle Geräusche ihrer Verfolger in der Ferne verhallten. Sie machte es sich bequem und wartete ab.

Währenddessen kroch die Sonne auf den Horizont zu, aber sie war nicht so dumm, ihr sicheres Versteck zu verlassen. Jeder Schotte, der auf ein fettes Lösegeld aus war, hatte noch einen oder zwei Kniffe unter seinem Rock. Einen Kniff, der nicht in Beziehung zu jenem anderen Teil stand, der ebenfalls dort lauerte.

Nein, sie durfte ihr Versteck noch nicht verlassen. Der Sperber hingegen schon.

Tief in Gedanken massierte sie sich mit den Fingern die Unterlippe und zog sie nach vorn. Sie betrachtete den Sperber. In den letzten zwei Wochen hatte sie ihm in Gegenwart der vielen Wachen beigebracht, ohne sie zu den Stallungen zurückzukehren. Wenn der Vogel ankam, belohnte ihn der Oberfalkner mit einer Leckerei. Allerdings waren sie noch nie so weit von Blackthorn entfernt gewesen. Doch es war einen Versuch wert.

Ihr Blick irrte in der engen Höhle umher und suchte nach allem, was sie brauchen konnte. Als das Schläfenhaar ihr Gesicht kitzelte, erinnerte sie sich an das Lederband, das gegen ihre Wange geschlagen war. Es steckte noch in ihrem zerzausten Haar, und sie befreite es rasch. Nachdem sie den Dolch aus der Hülle an ihrem Schenkel gezogen hatte, schnitt sie aus dem Lederband einen vier Finger breiten Streifen. Sie band ihn um die rechte Klaue des Sperbers und hoffte, er werde sich gut an das Gelernte erinnern. Wieder lockte sie ihn auf ihr Handgelenk und schritt hinüber zum Eingang.

»Nun, mein kleiner Liebling, flieg nach Hause zu Simon, da bekommst du eine Leckerei, die eines Adlers würdig ist.«

Der Sperber blinzelte sie an.

Meghan schwenkte den Finger, als ob sie ein Kind schimpfe. »Komm bloß nicht auf den Gedanken, dir eigene Beute zu suchen, denn wenn du nicht aufpasst, wohin du fliegst, werde ich bald nicht mehr da sein, um deine Federn zu streicheln.«

Armes dummes Vögelchen! Wie leicht konnte es seine Ausbildung vergessen und sich zu Schaden bringen, indem es die Klauen in den Lenden einer Hochlandkuh versenkte. Meghan hob den Arm und warf den Vogel in die Luft. Der Sperber kreiste und stieg höher, dann verlor er wieder an Höhe.

Meghan seufzte. Der Sperber kreiste erneut, stieg auf und war bald nicht mehr zu sehen. Wenn er ohne sie zu den Stallungen zurückkehrte, würde Simon ihren Bruder und Laird Damron benachrichtigen. Sie seufzte, als sie zurück in die Höhle trat. Nun hatte sie alles getan, was sie konnte. Nachdem sie das kleine Schwert an ihrer Hüfte abgegürtet hatte, nahm sie den Bogen von der Schulter, setzte sich und lehnte sich mit dem Rücken gegen Sturm.

Kälte kroch in ihre Knochen. Würde sie die Wärme des Pferdes besser spüren, wenn sie das Kettenhemd auszog? Nein. Sie brauchte Schutz dringender als Wärme. Eng schmiegte sie sich an das große Pferd und versuchte das Zittern, das sie in Wellen durchlief, zu unterdrücken.

Sie wagte nicht die Augen zu schließen. Wo waren die Männer jetzt? Sie trugen die Farben der Morgans, damit sie sich ungehindert auf dem Land der Blackthorns bewegen konnten. Das waren keine heimatlosen, plündernden Bauern, sondern Männer mit guten Pferden und vielen Waffen.

Unvermittelt kam ihr ein Gedanke, bei dem sie den Kopf ruckartig hob. Warum hatten sie Meghan nicht mit Pfeil und Bogen angegriffen? Außerdem hatte man keinen tödlichen Schlag gegen sie geführt. Wenn ihr eigener Schuss nicht zielgenau gewesen wäre, hätte der Mann, der nun ihren Pfeil im Schenkel trug, seine kostbarste Waffe verloren und wäre wahrscheinlich lieber tot.

Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Hatten sie gewusst, dass sie hinter einer Frau her waren, bevor sie den Helm ausgezogen hatte? Unsicher runzelte sie die Stirn. Jedermann in Blackthorn wusste um ihre Vorliebe für Männerkleidung. Sie hatte schon immer Handarbeiten und andere frauliche Verrichtungen gehasst und war oft verkleidet als Landjunker entwischt, um dieselben Fertigkeiten wie ihr Bruder und ihre Vettern zu erlernen.

Als man sie das erste Mal entdeckt hatte, war es zu einer Katastrophe gekommen. Zu einer königlichen Katastrophe, denn zu jener Zeit war sie am königlichen Hof in der Normandie gewesen. Ihre Nackenhaare richteten sich auf, als sie sich an den harten, muskulösen Arm erinnerte, der sie um die Hüfte gepackt, in die Luft gehoben und gegen einen sogar noch härteren Körper gedrückt hatte.

Sie lehnte den Kopf gegen Sturms Brustkorb. Sein Herzschlag beruhigte sie. Ach, es war so lange her …

Sie fuhr zusammen. War auf der Hut. Hatte sie geschlummert? Noch fiel Licht durch den Höhleneingang. Ihre beruhigende Hand an Sturms Hals bedeutete dem Tier, still zu bleiben. Sie hielt den Atem an und drehte den Kopf ruckartig nach rechts.

Sie lauschte.

Sie spürte etwas, doch sie hörte nichts. Plötzlich verdunkelte jemand die Höhle. Das konnte nur ihr Bruder sein! Sie sprang auf die Beine und freute sich auf eine Neckerei mit ihm.

»Nun, Connor, hab ich dir nicht gesagt, dass der Vogel ein so nützliches Kunststück lernen kann?«

Meghan lächelte und machte einen Schritt nach vorn. Und erstarrte. Der Körper des Mannes war angespannt vor unterdrückter Gewalt. Ein Luftzug trug seinen Geruch herbei. Es war ein Hauch von Sandelholz und Gewürzen. Ein Geruch, an den sie sich erinnerte. Es war nicht der ihres Bruders.

»Sicherlich ein nützliches Kunststück«, antwortete eine dunkle Stimme.

Sie drehte ruckartig den Kopf und blickte auf den Boden neben Sturm, wo sie so arglos ihre Waffen abgelegt hatte. Wie weit entfernt war sie von ihnen? Zu weit. Sie waren ihr jetzt keine Hilfe. Ihre Hand kroch zu dem Dolch, der an ihrem Schenkel festgebunden war.

»Denk nicht einmal daran.«

Es lief ihr eiskalt den Rücken herunter, als sie seine tödlich klingende Stimme hörte. Auch an sie erinnerte sie sich schwach. Sie hatte sie vor langer Zeit schon einmal gehört. Aber wo? Verzweifelt versuchte sie sich zu erinnern. Beinahe hätten ihre Beine nachgegeben. Ihre Miene verfinsterte sich. War sie etwa zum Feigling geworden? Sie stellte sich breitbeinig hin, reckte die Schultern und versteifte das Rückgrat.

Er war so groß, dass nur noch ein schwacher Lichtschimmer den Weg in die Höhle fand. Er musste sich bücken, um einzutreten. Sie versuchte zu schlucken, doch ihr Mund war so trocken wie versengte Federn. Sturm maß sechzehn Spannen am Widerrist. Dieser Mann schien fast drei Spannen größer zu sein. Zu groß für eine Frau. Sie reichte ihm mit dem Kopf kaum bis zum Kinn.

Er stand mit gespreizten Beinen da und hatte die Fäuste in die Hüfte gestemmt. Mit einem Hohngrinsen nahm sie dieselbe Haltung ein und ermunterte ihn dadurch, auf sie zuzukommen.

Sie biss die Zähne zusammen, senkte die Stimme und versuchte, wie ein junger Mann zu wirken.

»Wenn du bleibst, istʼs dein Tod. Blackthorns Macht wird bald durch den Forst brechen. Ein Führer wird sie zu mir bringen.«

»Ein Führer?« Die Stimme klang belustigt. »Setzt du deine ganze Hoffnung auf diesen Führer?« Er bewegte sich leicht. Doch es reichte, damit das schwindende Licht den Umriss seiner rechten Seite zeichnete.

Meghan keuchte auf. Es war kein Irrtum möglich. Der Sperber hockte auf der Schulter des Mannes und schwang zufrieden vor und zurück. Der glücklose Vogel rieb den Kopf an dem Granitkiefer neben ihm und benahm sich, als sei dieser Mann sein geliebter Meister.

Verräterisches Tier!

Wut durchfuhr Meghan. Was wollte der Mann von ihr? Woher wusste er, dass sie hier war? In ihrem Kopf raste es, als sie nach Antworten suchte. Sie wusste, dass der Sperber ihm nicht den Weg gezeigt haben konnte. Er hätte zwar Blackthorn gefunden, doch niemals den Weg zurück zu dieser kleinen Höhle. Warum hatte der Fremde mit ihr dieses Katz-und-Maus-Spiel gespielt? Seine Männer waren sicherlich nicht bei ihm, denn sonst hätte Meghan sie längst herumpoltern gehört.

»Was willst du von mir?« Sie streckte das Kinn vor. Er konnte nicht wissen, wer sie war. »Ich bin nur ein niedriger Gutsherr und bringe kein großes Lösegeld.«

Sein harsches Gelächter zerstörte all ihre Hoffnungen.

»Das bist du jetzt? Ein niedriger Gutsherr? Fürwahr, es ist zweifelhaft, ob ein solcher viel Lösegeld brächte. Glaube aber nicht, dass ich zu dumm bin, um die Frau unter den Männerkleidern zu erkennen. Wenn ich keine Nase zum Riechen und keine Augen zum Sehen hätte, wüsste ich doch, dass sich hier eine Frau versteckt hält.«

Er machte einen bedrohlichen Schritt nach vorn. Sturm wieherte und regte sich, als Meghan zurückwich. Sie hatte nun keinen Raum mehr zum Ausweichen.

»Die Schwester von Connor, die Kusine von Damron und Mereck of Blackthorn ist viel mehr wert als nur Gold.« Bei den Namen der Männer knirschte er mit den Zähnen. Er spuckte die Worte aus, als wären sie verdorbenes Fleisch. Widerlich. Ekelhaft.

Welchen Groll hegte er gegen die Männer ihrer Familie?

»Du sprichst in Rätseln, Mann. Was ist mehr wert als Gold?« Plante er, wertvolle Juwelen zu verlangen? Sie hatte keine Angst, dass Damron es Connor verweigern würde, seine Schatzkisten zu öffnen.

»Rache.«

Dieses eine Wort fügte die Bruchstücke ihrer Erinnerungen zusammen. In den letzten drei Jahren hatte es im Zusammenhang mit den Hochzeiten von Damron, Mereck und Connor of Blackthorn viel Aufregung und Unruhe gegeben.

Sie runzelte die Stirn. Versuchte sich zu erinnern. Kurze Zeit nach Damrons und Briannas Hochzeit hatte eine Reihe planvoll ausgeführter Überfälle auf die äußeren Dörfer begonnen. Nach jedem dieser Überfälle war dem Laird of Blackthorn eine Nachricht überbracht worden, die dieser jedes Mal ins Feuer geworfen hatte. Eines Tages war Meghan zufällig in das Versammlungszimmer gekommen. Die Männer hatten ihr den Rücken zugedreht und miteinander geredet. Connors hatte gerade die Botschaft mit angespannter Stimme vorgelesen.

Sie lautete ungefähr so: »Du hast mir meine Listen genommen.« War es das wirklich gewesen?

Nein, es hatte anders geklungen. Sie grub tiefer in ihrer Erinnerung. Ja. Jetzt wusste sie es wieder.

Du hast mir mein Liebstes genommen. Pass auf dein eigenes auf.

Die Männer hätten sie bemerkt und geschwiegen. Nun ergab alles einen Sinn. Die schärfere Bewachung der Frauen ihrer Familie. Dass ständig jemand Meghan beaufsichtigte. Und dass Damron und Connor gedroht hatten, sie zu schlagen, falls sie ohne Eskorte auf die Jagd ging.

Während sie in ihre Erinnerungen versunken dagestanden und die Höhlenwand angestarrt hatte, war der Mann näher gekommen.

Sie holte tief Luft. Ihr Herz raste. Die Erinnerung … Ihre Knie wurden weich, als sie ihn anstarrte. Das konnte nicht sein! Sie öffnete den Mund und wollte etwas sagen. Er verhinderte es.

»Nein. Sprich kein Wort. Komm entweder friedlich mit mir oder angebunden wie ein Schwein. Du hast die Wahl.« Er griff nach ihrem Arm. Der Sperber stieß einen lauten Ruf aus und flog auf den behelfsmäßigen Sitz.

Meghan wich nach links aus und stieß ihm mit dem rechten Fuß in den steinharten Bauch. Ihre Sohle schmerzte vom Aufprall. Er streckte die Hand aus, packte sie am Fußgelenk und drehte es herum. Mit dem Gesicht nach unten fiel sie schwer auf den Boden. Sie keuchte. Dreck drang ihr in den Mund. Er setzte sich rittlings auf ihren Rücken. Sie bekam keine Luft mehr.

»Ich habe dir doch gesagt, du sollst friedlich mitkommen. Ich habe noch nie eine Frau absichtlich verletzt, doch für mich bist du keine Frau. Du bist meine Rache.«

Er zog ihr die Ledermanschette ab, das sie vor den Klauen des Sperbers geschützt hatte. »Ich habe keinen Zweifel, dass du dich befreien kannst, indem du einfach daraus hervorschlüpfst«, sagte er und warf das Leder beiseite. Dann packte er ihre Handgelenke und fesselte sie.

»Teufelsbrut! Satanshintern! Lass mich los!«, fluchte Meghan und spuckte den Dreck aus.

»Noch immer die feine Lady, nicht wahr?« Er verlagerte einen Teil seines Gewichts auf ihren Hintern.

»Uff!« Wollte er sie zerquetschen wie einen Käfer? Hitzewellen aus seinem Körper durchdrangen sogar das Kettenhemd, das ihren Rücken bedeckte.

Sie wand sich und bäumte sich auf. Das Hemd schnitt ihr ins Fleisch. Dennoch würde sie nicht aufgeben.

»Es reicht, Frau«, befahl er. Er packte sie am Hals und schleuderte ihren Kopf gegen den Boden. Die Umklammerung seiner Hüften wurde noch stärker.

Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Obwohl sie mit den meisten Männern erfolgreich zu ringen vermochte, war sie kein Gegner für diesen hier.

»Es reicht? Niemals, du Stück Pferdedreck.«

Sturm schnaubte und stampfte mit den Hufen, als hätten ihn diese Worte persönlich beleidigt.

»Ruhig, Sturm, ruhig«, sagte der Mann sanft. Das Pferd wurde wieder still.

Meghan allerdings nicht. Er drückte ihr Gesicht in den Erdboden und scheuerte es darüber.

»Na, verachtest du immer noch das Betragen einer Lady? Vielleicht wird dir ein weiterer Mund voll Dreck die spitze Zunge verkleben.«

Er zwang eine Menge Erde zwischen ihre Lippen, bevor er wieder auf die Beine sprang. Sie hob den Kopf, würgte und spuckte. Sie warf das rechte Bein nach hinten, drehte die Hüften und rollte auf den Rücken. Rasch schätzte sie die Entfernung zwischen ihr und ihm ab. Es hatte keinen Sinn. Sie konnte ihn nicht mit einem gezielten Fußtritt erwischen. Wenn der Flegel ihre Gedanken lesen könnte, würde er vor ihr zurückweichen und jenes Teil von ihm schützen, das lang und hart wie eine Kriegerkeule geworden war.

Wenn ihre Hände nicht hinter dem Rücken gefesselt gewesen wären, hätte sie sich nach vorn schwingen und aufspringen können. Sie kochte vor Wut. Selbst das Kettenhemd, das sich um ihre Beine gelegt hatte, hielt sie am Boden. Sie sollte verdammt sein, wenn sie ihn um Hilfe bat. Lieber lag sie hier, bis der Winter kam und dann der Frühling, oder sogar bis die Mauern von Blackthorn vor Alter zerfielen. Sie würde keinen Narren aus sich machen und sich vor ihm wie ein auf dem Rücken liegender Käfer abmühen.

Meghan beobachtete ihn in dem schwachen Licht. Sie begann bei den Füßen, und ihr Blick wanderte langsam an seinem bedrohlichen Körper hoch.

Schwarz. Er vermittelte den Eindruck, eins mit den Schatten zu sein. Seine Stiefel, die sich um starke Waden schmiegten, seine Hose, ein loses Hemd, das am Hals von Bändern gehalten wurde – alles schwarz. Keine Rüstung bedeckte ihn. War er sich seiner überragenden Fähigkeiten so sicher, dass er keinen Schutz benötigte? Allerdings hing ein Schwert an seiner Hüfte herab. Vielleicht war er sich doch nicht ganz so sicher.

Um die Schultern hatte er einen locker gewebten Umhang aus grauer Wolle geschlungen. Eine Zinnnadel in Form eines Tiergesichts hielt den Umhang am Hals zusammen.

Ihr Herzschlag setzte aus, als sie ihn eindringlich ansah, dann schloss sie für einen Augenblick die Lider. Das konnte doch nicht er sein! Nein. Er wäre zu weit von seinen Besitzungen entfernt. Sie schluckte. Sie vergaß die Erde in ihrem Mund und wäre beinahe daran erstickt. Für ihre Aufsässigkeit hatte er sie wahrhaft Dreck fressen lassen.

Nachdenken. Jede auch noch so abwegige Erklärung war ihr willkommen, damit sie nicht zugeben musste, wer dort stand und sie so geringschätzig musterte.

Braunes, beinahe glattes Haar. Zerzaust und ungekämmt rahmte es sein Gesicht ein und reichte ihm bis über die Schulter. Das Kinn. Nicht mehr glatt rasiert. Getrimmte Koteletten zierten den harten Kiefer. Eine stolze und starke Nase unter silbergrauen Augen mit dunklen Schatten. Beweis dafür, dass er nicht gut schlief. Eine breite Stirn erhob sich über geraden braunen Brauen, die den harten Augen Ausdruck verliehen.

Nun gab es keinen Zweifel mehr. Ihr Herz hatte seinen Namen ausgerufen, sein Geruch hatte ihr seinen Namen verraten. MacDhaidh of Rimsdale. Rolf. Der Mann, den sie jetzt den ›Lord der Rache‹ nannten. Weit entfernt von seinem eigenen Land hinter der südöstlichen Grenze der Morgans of Blackthorn.

Was vermochte einen Mann derart zu verändern? Bevor sie die Zähne zusammenbeißen konnte, drang ein leises Jammern, das sie aus ganzer Seele bedauerte, durch ihre verdörrte Kehle.

»Ja, ich bin nicht mehr der, der ich einst war, Connor sei Dank.« Er presste den Kiefer zusammen; die Lippen wurden schmal. »Komm.« Er spuckte das Wort aus.

Er wollte, dass sie aufstand. Sie versuchte zu sitzen, aber es gelang ihr nicht. Ihr verrutschtes Kettenhemd hielt sie am Boden. Vielleicht war es möglich, sich auf den Bauch zu drehen und dann eine kniende Haltung einzunehmen.

Doch das kam nicht in Frage. Sie würde nicht knien und ihm in dieser Lage den Rücken zukehren.

Stattdessen öffnete sie die hinter ihrem Rücken gefesselten Hände, damit sie die Kettenglieder nicht noch fester gegen ihren Hintern drückten. Vorsichtig darauf bedacht, die Beine zusammenzuhalten, streckte sie sich aus und brachte ihre Schultern in eine bequemere Lage.

Trotzig starrte sie ihn an. Sie würde nicht vor ihm im Dreck kriechen.

Ihr überraschtes Quieken erfüllte die Luft. Plötzlich drehte sich die Welt um sie, als er sie sich über die Schulter warf. Die Haare fielen ihr ins Gesicht. Mit dem Arm drückte er ihre Beine eng gegen seine Brust. Sie versuchte zu entkommen. Er griff unter das Hemd und kniff ihren Schenkel. Heftig.

Dabei schwieg er. Sie biss die Zähne zusammen; Dreck knirschte zwischen ihnen. Dann entspannte sie den Kiefer wieder. Erde blieb an ihren Zähnen kleben und überzog die Zunge. Sie schmeckte unangenehm, wie verbrannter Weizen.

Der Mann ergriff Sturms Zügel und schlenderte zum Höhleneingang. Bei jedem Schritt schlug sie gegen seinen Rücken.

»Um Gottes Liebe, Rolf, sei kein Narr. Es ist sicherer, wenn ich zu Fuß gehe.« Außerdem wäre es dann einfacher, im dichten Gebüsch am Ende des Pfades zu verschwinden.

»Ja. Falls ich dir vertrauen könnte.« Er schnaubte. »Falls? Niemals. Wir werden genauso sicher sein, wenn du dich nicht mehr wie ein Fisch windest und mich damit zum Stolpern bringst.«

Sie zappelte noch ein wenig, als er sich durch den Eingang duckte.

»Nesseln und scharfer Fels werden dir keine angenehme Reise zum Fuß dieses Berges bereiten«, warnte er.

Sie verstummte, denn sie wusste, dass er die Wahrheit sagte. Es war kein einfacher Weg; wenn man stürzte, war alles egal. Nach wenigen Schritten hob sie den Kopf, weil sie sehen wollte, ob Sturm ohne den Trost ihrer Hand unruhig wurde. Doch sie hätte sich nicht sorgen müssen. Das Tier verhielt sich, als wolle es sie beruhigen, denn jetzt streichelte es sie mit seinem großen Kopf.

Rolf trat mit dem rechten Absatz auf ein paar lose Steine. Das Knie knickte ihm ein, und sein Körper versteifte sich gegen den drohenden Sturz. Sein Griff um ihre Beine lockerte sich.

Als seine Schultern ins Schwanken gerieten, konnte Meghan einen entsetzten Aufschrei nicht mehr unterdrücken.

»Rolf! Nicht!«

Er kicherte, es war ein Laut böser Freude. Der Flegel! Er war nicht auf den Steinen ausgerutscht. Er hatte es absichtlich getan!

Während sie hilflos über seiner Schulter hing, kochte sie vor Wut und verletztem Stolz.

Bittere Galle stieg ihr in die Kehle. Höhenangst hatte sie nicht. Davon war sie weit entfernt, denn es gefiel ihr sogar, hoch auf einem Baum zu hocken und dort den Ausblick sowie den Wind in den Wipfeln zu genießen. Doch das hier war etwas anderes. Sie hatte die Kontrolle verloren. Und das hasste sie mehr als alles andere.

»Bei allem, was heilig ist«, rief Meghan, »dafür wirst du eines Tages bezahlen!«

»Verlass dich nicht darauf«, warnte Rolf sie. »Du wirst diejenige sein, die bezahlen muss, wenn du mir nicht gehorchst.«

Kampf der Leidenschaft

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