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Sechstes Kapitel

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Meghan konnte nicht still sitzen. Seit sie ein Kleinkind gewesen war, hatte niemand sie mehr gezwungen, mit einem Mann zu reiten. Im Alter von etwa vier Jahren hatte sie gelernt, ihrem Kindermädchen zu entkommen und in den Stall zu laufen. Dort kletterte sie auf das Gatter und lockte eines der Pferde herbei. Die Stallknechte starben beinahe vor Entsetzen, als sie das Mädchen fanden, wie es mit einem Hengst plapperte und ihm den gewaltigen Hals küsste.

Keine Schläge auf den Hintern hatten sie davon abgehalten, immer dann in den Stall zurückzukehren, wenn sie es wollte. Der Stallmeister bettelte bei dem alten Laird, ihrem Großvater, bis dieser ihr ein Hochlandpony schenkte und sie zusammen mit Connor das Reiten erlernte.

Doch jetzt galt es, von dem Pferd herunterzukommen. Sie rollte die Augen gen Himmel und zog eine Grimasse, als sie daran dachte, dass Rolf seinem Pferd keinen Namen gegeben hatte. Dieses wundervolle Reittier verdiente einen guten Namen.

»Beim heiligen Kreuz, Frau, gibst du niemals Ruhe?« Rolfs Atem strich ihr über die Wangen.

»Doch, aber nur dann, wenn ich will. Ich bin nicht gewöhnt, herumzusitzen und nichts zu tun, wenn ich mich auf einem Pferd befinde.«

Er ritt tiefer in den Wald und hielt neben einem Wasserfall an, der beinahe das Ufer des Flusses darunter überschwemmte. Die Stromschnellen erfüllten die Luft mit Klängen, die für Meghan wie Musik waren. Rolf schwang ein Bein über das Pferd und sprang ab. Als er die Hände nach ihr ausstreckte, beachtete sie diese Geste der Hilfe nicht. Auch sie sprang allein vom Pferd.

Ihre Füße trafen den Boden, und sie zuckte unter dem Stoß zusammen, der durch ihren wunden Körper fuhr. Bis dieser Tölpel von Rolf ihr so viel Ungemach bereitet hatte, war sie recht anmutig gewesen. Heute allerdings war davon nicht mehr viel zu sehen.

Während die Pferde tranken, formte Meghan die Hände zu einer Schale und wusch sich das Gesicht mit dem eisigen Wasser. Dann stand sie abwartend da. Rolf hob fragend eine Braue. Sie hielt ihren rechten Fuß in die Höhe.

»Bis wie viel willst du heute zählen?« Sie wartete mit dem Fuß in der Luft.

Rolf sah sie vorsichtig an. Glaubte er etwa, dass sie so dumm war, ihn wieder anzugreifen? Sie hatte andere Pläne.

»Mein Bein wird langsam müde.« Meghan verlagerte ihr Gewicht und sah ihn finster an.

Er machte eine Schleife in das Seil und wand es um ihren Knöchel.

»Nein, diesmal werde ich nicht zählen. Du solltest dich aber trotzdem beeilen, oder dein Schamgefühl könnte leiden«, sagte er, während er ihren Fuß losließ.

»Mehr, als es schon gelitten hat? Ich habe noch nie einen ungeduldigeren Mann als dich gesehen«, murmelte sie, als sie sich zwischen den Bäumen entlangbewegte, bis sie spürte, wie sich das Seil spannte. Sie hielt die Spannung und suchte einen Baum, um den sie es binden konnte. Dabei spürte sie, wie er daran zog.

»Willst du mich in die Brombeeren werfen?«, rief sie, während sie das Seil an ihrem Knöchel durchschnitt und es an einem Baum befestigte. Mit schnellen und lautlosen Schritten lief sie in einem großen Bogen, bis sie bei den Pferden stand. Rolf hatte ihr den Rücken zugedreht. Sie grinste, denn er schaute hoch zum Himmel, als ob er Gott um Geduld bitte.

Nachdem sie die Zügel der Pferde ergriffen hatte, sprang sie auf Sturm und trieb ihn an. »Los!«, rief sie dem Hengst namens Pferd zu und zerrte auch an dessen Zügeln. Bald galoppierten beide davon.

»Meghan! Komm zurück, oder du wirst es bereuen!«, rief Rolf.

»Erst, wenn dem Satan der Hintern abfriert, du Flegel«, brüllte sie.

Ein lauter, schriller Schrei zerriss die Luft. Bei allen Heiligen, wie hasste sie dieses Geräusch! Rolfs Pferd bremste und blieb stehen. Seine Zügel hätte sie beinahe aus dem Sattel geworfen. Meghan ließ sie los.

Sie musste nicht hinter sich blicken, um zu wissen, dass Rolfs Atem sie bald im Nacken treffen würde.

»Du Missgeburt«, murmelte sie, während sie sich nach vorn beugte und Sturm befahl, so schnell wie möglich zu laufen. »Er hat sich nicht die Mühe gemacht, seinem Pferd einen Namen zu geben, aber er hat ihm genug Kommandos beigebracht, bei Luzifers Hörnern!«

Es war die letzte Gelegenheit. Sobald sie den Grund und Boden von Rimsdale betreten hatte, würde sie nicht nur Rolf, sondern auch all seinen Leuten entkommen müssen.

Pferd donnerte hinter ihr heran. Ein rascher Blick zurück auf Rolfs Gesicht, und kalte Angst packte sie an der Kehle.

»Bei Luzifers verdammten Zähnen, kann ich diesen Mann denn nie abschütteln?«

Sturm stellte die Ohren auf. Hörte er ihr zu, oder bemerkte er das Pferd hinter ihnen, das immer näher kam? Vielleicht würde der Wettkampf der beiden Reittiere ihr helfen.

»Lass ihn nicht an dich heran, Sturm. Hat er nicht heute Morgen versucht, dir am Ohr zu knabbern?«

Sturm preschte voran. Pferd folgte dicht hinter ihm.

Auch Rolf lehnte sich über den Kopf seines großen Rosses und trieb es an. So, wie er aussah, würde er sie erwürgen, wenn er sie erwischte.

Verdammt! Er musste etwas besonders Heftiges zu Pferd gesagt haben, oder es hatte Flügel, die es zu einer solchen Schnelligkeit befähigten. Bevor Meghan bis zehn zählen konnte, hatte sich Rolf neben sie gesetzt und bedrängte Sturm, bis der Hengst endlich anhielt.

Meghan rang nach Luft. Die Pferde schnaubten und stampften auf, und der Sperber schrie von oben herab. Der arme, verwirrte Vogel! Noch nie war er so lange sich selbst überlassen gewesen.

Rolfs Sattel knirschte, als er mit quälender Langsamkeit von Pferd abstieg. Sie schloss die Augen und schluckte. Vielleicht würde jetzt alles enden? Sie öffnete die Augen gerade in dem Moment, als er nach ihr griff, und schlug mit der Hand aus. Dabei stieß sie einen erstickten Schrei aus, und der Dolch fuhr um Haaresbreite an seinem Hals vorbei.

Wann hatte sie ihren Dolch gezogen? Sie konnte sich nicht daran erinnern.

Er packte ihr Handgelenk und hätte beinahe ihre zarten Knochen zerquetscht. Sie kreischte vor Schmerz auf, denn er hatte in die Wunden gegriffen, die das Seil und die glühende Kohle verursacht hatten.

»Verdammt seiest du, Meghan«, brüllte er, während er sie aus dem Sattel zog. Ihre zitternden Beine gaben unter ihr nach, und sie fiel zu Boden. »Falls dir dein Leben lieb ist, tu das nie wieder. Wenn du den Dolch vor meinen Männern gezogen hättest, wäre ich gezwungen gewesen, dich auspeitschen zu lassen. Hast du so wenig Verstand, dass du nicht weißt, wann du dich ergeben musst?«

Rolf hob die Hand, um sie zu schlagen. Sie bezwang ein Zucken. Sie würde nicht zurückweichen. Sein Arm zitterte vor Anspannung, als er den Schlag unterdrückte. Immer wieder ballte er die Hände zu Fäusten. Er holte mehrmals tief und rasselnd Luft, zerrte dann das zusammengerollte Seil von seinem Sattelknauf und machte eine Schlinge.

Wollte er sie aufhängen? Eine Welle der Panik überspülte sie. Verzweifelt versuchte sie ihre Angst vor ihm zu verbergen.

»Könntest du wirklich eine Frau töten, Rolf? Bist du schon so tief gesunken?« Das würde sie niemals glauben, auch wenn sie hundert Jahre alt wäre.

»Steh auf!« Er trat zurück und machte ihr Platz.

Sie erhob sich und er umkreiste sie langsam. Sie keuchte auf, als die Schlinge um ihren Hals fiel. Das konnte er doch nicht tun! Oder etwa doch? Sie hielt es für das Beste, den Mund zu halten und sich nicht zu bewegen. Bald würde er wieder zu Verstand kommen. Sie zog eine Grimasse. Oder etwa nicht?

»Ich habe dir die Gelegenheit gegeben, freiwillig mitzukommen, aber das wolltest du nicht. Ich kann dir nicht vertrauen, wenn du auf deinem Pferd sitzt. Und ich kann dir nicht vertrauen, wenn du mit mir auf meinem sitzt. Ich kann dir nicht vertrauen, wenn du zu Fuß gehst, so lange du nicht in meiner Reichweite bist.« Er wickelte sich das Ende des Seils um die linke Faust, ergriff Sturms Zügel, wie sie es vorhin getan hatte, und sprang in seinen Sattel.

Dort saß er und wartete. Und sie stand vor ihm und wartete ebenfalls.

»Geh«, sagte er mit einer Stimme voll unterdrückter Wut.

Meghan reckte die Schultern und schlenderte in die Richtung, die er ihr wies. Er folgte dicht hinter ihr und hielt das Seil schlaff, sodass es nicht allzu fest um ihren Hals lag. Sie ging etwas schneller, damit sie mehr Platz zwischen sich und ihn brachte, denn sie wusste nicht, wie viele Meilen sie auf diese Weise zurücklegen musste. Ihr letzter Fluchtversuch hatte sie etwa eine halbe Meile von Rimsdale fortgeführt. Den Heiligen sei Dank, dass trotz der wollenen Strümpfe genug Platz in ihren Stiefeln war.

Um ihren Geist zu beschäftigen, genoss sie die Nähe der Pflanzen um sie herum; das war etwas, das ihr beim Reiten nicht vergönnt war. Zwischen den Bäumen entdeckte sie einige der Kräuter, die auch auf Blackthorn angepflanzt wurden.

Sie kannte nicht viele, denn sie hatte die Heilkünste anderen Frauen im Schloss überlassen, während sie selbst sich zu deren Verteidigung ausgebildet hatte. Falls sie je angegriffen werden sollten, erwarteten die Feinde sicherlich nicht, dass die Frauen nur von einem Mädchen bewacht wurden.

Sie erkannte einige Büschel Mutterkraut an den weißen Blüten in dem goldenen Inneren, und Baldrian an den kleinen weißen, rosa- oder lavendelfarbenen Blüten und dem angenehmen Geruch.

Eine Pflanze, von der sie genau wusste, dass sie sich vor ihr in Acht nehmen musste, war die Alraune. Die hübschen, grünlich gelben Blüten verrieten nichts über ihre tödliche Macht. Meghan hatte Damrons Frau gegenüber angemerkt, dass die verzweigte Wurzel sie an den Umriss eines menschlichen Körpers erinnerte. Brianna hatte dafür gesorgt, dass Meghan diese Pflanze sofort erkannte und wusste, wie gefährlich sie war.

»Du trödelst«, sagte Rolf, während er das Seil hinter ihr anzog.

Sie hatte nicht bemerkt, dass sie stehen geblieben war und eine Alraune am Wegesrand anschaute.

»Tue ich das wirklich? Ich dachte, ich mache einen angenehmen Spaziergang durch den Wald.«

Ein Reißen am Seil war die Belohnung für ihre böse Bemerkung. Sie hielt es für klug, eine Hand unter die Schlinge zu schieben und auf diese Weise, ihre zarte Haut zu schützen.

Wie viele Meilen war sie schon gewandert? Bald lenkte es sie nicht mehr ab, nach Kräutern Ausschau zu halten oder nach kleinen Waldgeschöpfen, die sich vor ihr versteckten. Ihre Füße brannten, und die Fersen stachen. Bei Luzifers Klauen, sie würde trotzdem nicht humpeln!

»Geh bei der großen Kiefer da vorn nach links. Wir halten an und tränken die Pferde«, befahl Rolf.

Seine Stimme war immer noch rau vor Wut. Weil eine Frau es gewagt hatte, sich ihm zu widersetzen? Was hatte er denn erwartet, als er zu der Höhle gekommen war? Dass sie voller Angst die Hände heben und ihm scheu wie eine Küchenmagd folgen würde?

Rolf warf Meghan einen finsteren Blick zu. Am liebsten hätte er sie wohl erwürgt, weil sie ihn zu dieser Handlung zwang. Manchmal war sie so in ihre Gedanken vertieft, dass sie vergaß, sich hinter ihrer angeblichen Unerschütterlichkeit zu verstecken. Jedes Mal, wenn sie deshalb humpelte, grinste er. Rimsdale lag noch eine Meile entfernt am anderen Ende des Waldes. Während der letzten Meile waren sie entlang des nördlichen Ausläufers eines Sees gereist, der zwischen zwei Waldstücken eingezwängt lag.

Rolf führte sie zum Ufer und hielt an. Meghan ging in die Knie und hielt den Kopf ins Wasser. Er wusste, dass sie das nur tat, um ihrem Körper neue Kraft zu geben. Ihre nassen Locken peitschten ihr um den Kopf und versprühten feine Wassertropfen, die in der Sonne wie Regenbogen funkelten.

Als sie den Kopf in den Nacken warf und das Gesicht dem Himmel entgegen hielt, die Augen schloss und das Haar zurückschüttelte, brach das Verlangen durch seine Beherrschtheit. Seine Bauchmuskeln verhärteten sich, und Hitze durchflutete seine Lenden. Ihr voller, sinnlicher Mund glitzerte vor Feuchtigkeit. Er bekämpfte den Drang, ihr die Lippen trocken zu lecken und mit den Zähnen daran zu knabbern. Seine schmerzende Rute bedrängte ihn, sie zu nehmen. Doch mit eisernem Willen zwang er seinen Körper, das in ihm wühlende Verlangen nicht zu beachten. Selbst mit ihrer verfilzten Mähne und der mit Staub und Schlamm besprenkelten Kleidung konnte er die Anziehung, die sie auf ihn ausübte, nicht verleugnen.

Meghan war die begehrenswerteste Frau, die er je gesehen hatte.

Diese Höllenkatze! Wie sehr er sie deswegen verachtete!

Wusste sie, was sie ihm antat? Er konnte sie nicht ansehen, ohne dass seine Lenden entflammt wurden und ihm beinahe die Kleidung versengten. Seit er sie eingefangen hatte, befand er sich in einem andauernden Zustand der Erregung.

Ich muss nicht mehr lange warten, versprach er sich, während er seine Gefühle erstickte.

Er kniete nieder, besprengte sein eigenes heißes Fleisch und rieb sich die Augen, um ihr Bild loszuwerden. Beide tranken. Dann kümmerten sie sich um ihre anderen Bedürfnisse. Er blieb in der Nähe auf der einen Seite des Busches, sie auf der anderen. Als sie zurückkehrte und er ihr rotes und beschämtes Gesicht sah, grunzte er zufrieden.

»Daran bist du selbst schuld, Meghan.« Als sie die Schultern reckte und ihn böse anstarrte, wusste er, dass sie ihn verstanden hatte.

Nachdem sie ihre langsame Reise wieder aufgenommen hatten, hätte er sie gern in den Sattel gehoben, wenn sie ihn darum gebeten hätte. Doch dazu war sie zu halsstarrig und stolz. Und er war zu entschlossen, sie zu zähmen, sodass er ihr das Angebot nicht machte. Seiʼs drum. Sie konnte ihr Humpeln nicht länger verbergen. Er versuchte alle Gefühle zu unterdrücken, die ihn beim Anblick ihrer Pein überkamen.

Für ihn war Meghan of Blackthorn wertvoller als Gold. Nicht als begehrenswerte Frau, sondern als Mittel zu seiner Rache. Warum sollte er sich schämen? Er brachte jene lange vergangenen Träume in sich zum Schweigen, die er von ihr als seiner Braut geträumt hatte.

Nun fiel der Boden sanft ab. Durch den lichter werdenden Wald sah man die grauen Steine von Rimsdale Castle. Die Festung nahm eine Insel ein, die durch eine Steinbrücke mit dem Festland verbunden war. Ein Torhaus bewachte den Zugang zur Brücke. An ihrem Ende verteidigte ein weiteres Torhaus die Insel mit einer Zugbrücke als zusätzlicher Sicherung. Die Burg selbst befand sich am Rand der Insel. Der Eingang steckte in der Mitte des schmälsten und breitesten Teils des Gebäudes. Links davon erhoben sich die Mauern vier Stockwerke hoch, und dahinter lag ein noch viel größerer und höherer Teil.

Rolfs Lippen hoben sich in einem leichten Lächeln, als Meghan stehen blieb und die Burg anstarrte. Rimsdale war ganz anders als Blackthorn. Ihr eigenes Heim bekrönte den Klippenrand über dem Kyle of Tongue.

Auf der rechten Seite der Insel wuchs ein Hain aus Apfelbäumen inmitten von purpurfarbenem und weißem Heidekraut. Ein süßer Duft wehte Meghan und Rolf von dort entgegen. Und vor den Gebäuden lag ein Feld, das so groß wie mehrere Turnierplätze zusammengenommen war. Hinter der Insel reichte der See bis zum Fuß eines Berges.

Hmm. Meghans Blick auf die Insel war berechnend. Sie hatte sich nicht nur ungewöhnliche Fähigkeiten erworben, sondern er wusste auch, dass sie sich mit Verteidigungsanlagen auskannte. Ihr Blick glitt über alle Bereiche der Brücke, der Torhäuser und der Zugbrücke. Sie kniff die Augen zusammen, als wolle sie die Tiefe des Wassers ermessen, und betrachtete dann das Land, das aus dem See aufragte. Sie nickte beinahe unmerklich.

Das verfinsterte seinen Blick. Was hatte sie gesehen?

»Trödle nicht herum.« Er zog wieder an dem Seil.

Meghan hob den Kopf, versteifte den Rücken und schlenderte den Hügel hinunter. Stolz lag in jedem ihrer Schritte. Als sie beim ersten Torhaus angelangt waren, hatten sich Rolfs Leute bereits am anderen Ende zusammengefunden. Sturm tänzelte über die Balken der Brücke und bäumte sich auf. Rolf packte die Zügel des Wallachs fester. Ein scharfer Ruck brachte das Tier wieder zurück in die Reihe.

Der Wächter hob das Fallgitter. Seine Eisenstäbe waren spitz und tödlich.

»Kannst du nicht endlich die Schlinge von meinem Hals nehmen? Auf deiner eigenen Brücke kann ich keinen Schaden mehr anrichten.« Sie schluckte und warf einen Blick auf die starrende Menge.

»Dessen kann ich mir nur sicher sein, wenn ich dich angebunden lasse. Es ist zu deinem eigenen Vorteil. Ich will nicht, dass sich mir ein Mädchen vor den Augen meiner eigenen Leute widersetzt.«

Sie räusperte sich und hob den Kopf. Stolz versteifte ihren Körper. Plötzlich tat sie so, als wische sie ein Insekt fort, während sie in Wirklichkeit Staub und Schmutz von ihrer Kleidung zu klopfen versuchte.

Nun ging sie so schnell sie konnte. Als er ihre zusammengebissenen Zähne sah, wusste er, dass sie sich sehr bemühte, vor diesen Leuten, die für sie Fremde waren, nicht zu humpeln.

»Nicht nötig zu rennen, Mädchen.«

Meghan beachtete seine Worte nicht. Er hörte die überraschten Stimmen der Menschen, die Mutmaßungen darüber anstellten, wer seine Gefangene sein mochte.

»Es kann kein Mädchen sein, nicht in Männerkleidung«, sagte ein Küchengehilfe.

»Nein, kein MacDhaidh würde ‘n Mädchen anbinden«, antwortete eine Wäscherin.

»Hmm, ist aber trotzdem ein Mädchen. Hab ich euch nicht gesagt, die Kleine ist wie ‘n Mann geritten und hat auch so gekämpft?« Das kam von einem Krieger, der zusammen mit Rolf draußen bei Blackthorn gewesen war.

»Ja. Zu wohlgeformt für ‘n Mann. Die Locken wär ʼn zu hinderlich für ‘n Mann beim Reiten.«

Ein lautes Kreischen drang aus einem Baum an der Landseite der Brücke. Meghan blieb stehen und drehte sich um. Ihr Sperber flog auf sie zu.

»Ah, kleines Federvieh, du siehst verängstigt aus«, murmelte Meghan, dann pfiff sie leise. »Komm her, Dummerchen«, rief sie. Der Vogel kreiste langsam über ihr, und Meghan hob einladend den rechten Arm.

»Tu das nicht!«, rief Rolf. Keine Ledermanschette schützte ihr Gelenk, und Rolf sah das rote, verletzte Fleisch daran. Die Krallen des Vogels würden ihr Schmerzen zufügen.

Meghan warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Das Tier hat Angst und braucht mich.« Sie biss die Zähne zusammen, als der Sperber landete. Meghan redete mit ihm und lockte ihn auf den Ellbogen. Dabei ging sie weiter, bis sie das nächste Torhaus erreichten.

Der Wächter hatte bereits das Fallgitter hochgezogen und die Zugbrücke heruntergelassen. Meghan sah nach vorn und beachtete nichts um sie herum.

»Seht ihr das? Das Mädchen hat keinen Handschuh.« Die Stimme des Hauptfalkners klang bewundernd.

»Es ist gut, dass du wieder da bist.« Alpin MacKean sah Rolf an und warf dann Meghan einen raschen Blick zu. Er rieb sich den Oberschenkel dort, wo Meghans Pfeil eingedrungen war. »Ich sehe, dass du sie gefunden hast.« Er trat dicht an ihre rechte Seite und blickte sie an, als wäge er ihren körperlichen Wert ab.

Alpins Blick blieb für Rolfs Geschmack allzu lange an der Rundung von Meghans Brüsten hängen. Die Hand seines Freundes betastete und drückte den Hintern des Mädchens. Meghan wirbelte herum und schlug ihm gegen den Hals. Keuchend und gurgelnd packte er sich an die Kehle.

»Du hinterhältige Hure!«, rief er und hob die Hand, um sie zu ohrfeigen.

»Wage es nicht!« Rolfs Befehl bewirkte, dass Alpins Hand knapp vor Meghans Wange Halt machte. »Geht fort«, gebot er, als die Menge näher rückte und das Schauspiel beobachten wollte. »Hört mir gut zu«, rief er sodann jedermann in Hörweite zu. »Meghan of Blackthorn gehört mir. Mir allein.« Er machte eine Pause und sah sich um. »Kein Mann, keine Frau, kein Kind darf sie bestrafen—nur ich.«

Bald darauf hatten sie den Eingang in der Burgmauer erreicht und den ersten Hof betreten, wo weitere Neugierige sie umschwärmten.

Der Sperber piepste verängstigt, und Meghan hielt ihn nahe an sich, damit sie den putzigen Kopf liebkosen konnte.

»Ist sie eine Sklavin, Bruder?«, fragte eine knarrende Stimme zwischen Jugend und Männlichkeit. Garith bahnte sich einen Weg durch die Menge und stellte sich vor Meghan. Sein rechter Arm hing schlaff von der Schulter herab. Als er die wund gescheuerte Haut an Meghans Hals sah, runzelte er die Stirn.

»Nein, sie ist unser Gast«, antwortete Rolf.

Gelächter kam von den Leuten, die sie umgaben.

»Wenn sie unser Gast ist, Rolf, dann ist es eine seltsame Art, Gastfreundschaft zu zeigen, indem du sie an einem Seil herbeischleifst«, sagte die wütende Stimme einer Frau. Sie wirkte so, als wolle sie ihm eine Pfanne gegen den Kopf schlagen. Sie streckte die Hand aus und wollte ihm das Seil wegnehmen, doch Rolf hielt sie auf.

»Lass das, Eda. Das Mädchen hat nicht genug Respekt vor Männern. Ich allein bestimme, wann das Seil entfernt wird.«

Eda stützte die Hände in die Hüften und schüttelte ihre roten Locken mit einer raschen Kopfbewegung. Blaues Feuer brannte in ihren Augen. »Ich kann nicht glauben, dass du mein Vetter bist. Kein MacDaidh hat je eine Frau so behandelt.«

»Kein MacDaidh hatte es je mit Meghan of Blackthorn zu tun«, erwiderte Rolf. »Und jetzt geht ihr alle wieder an die Arbeit. Das hier ist kein Spektakel zu eurer Belustigung. Fort mit euch!«

Die Menge murrte. Manche waren offen feindselig, da sie nun wussten, dass es eine Frau der Blackthorns war, die vor ihnen stand. Andere warfen Meghan verstohlene Blicke des Mitleids zu, doch bald waren sie alle gegangen – nicht jedoch, um sich wieder an die Arbeit zu machen. Sie trieben sich in der Nähe herum und versuchten, beschäftigt auszusehen, während sie jede Bewegung von Rolf beobachteten.

Nur Alpin, Garith und Eda weigerten sich, seinem Befehl zu folgen.

»Wir gehen zu den Stallungen, Meghan.«

Sie sah sich um und bemerkte ein Gebäude an der rechten Seite des ersten Hofes. Ohne ein weiteres Wort ging sie darauf zu.

Er verstand sehr gut, warum man sie die ›Kriegerfrau von Blackthorn‹ nannte. Weder ließ sie die Schultern sinken, noch zeigte sie ihre Schmerzen auf andere Weise. Er wusste, dass sie tief gedemütigt war. Die Anschläge auf ihren Stolz mussten sie den letzten Rest ihrer Selbstbeherrschung kosten.

Würde die Erniedrigung sie sanfter machen, oder wurde diese stolze Frau dadurch noch widerspenstiger?

Er kannte die Antwort und seufzte.

So sei es also.

Kampf der Leidenschaft

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