Читать книгу Filou - Ein Kater rettet die Liebe - Sophie Winter - Страница 10
SECHS
ОглавлениеAn diesem Abend nahm Filou seinen Beobachterposten oben auf dem Roche du Diable frühzeitig ein, um da zu sein, falls das Theater wieder losging. Er wartete nicht lange. Schon kurz nach Sonnenuntergang kamen die drei Brüder auf den Place de la Patrie geschlendert, wo bereits der große Graue hockte. Der graue Rächer, wie ihn Filou mittlerweile getauft hatte. Diesmal begann Diabolo mit der Attacke. Er buckelte, bauschte seinen Schwanz zu einem beeindruckenden Busch auf, peitschte damit den Boden und tänzelte mit angelegten Ohren seitwärts auf den Feind zu. Der rührte sich nicht. Diabolo stieß einen gurgelnden Schrei aus. Der Feind bewegte sich noch immer nicht.
Erster Aufzug, erste Szene, dachte Filou. Wir lernen die Personen in tragenden Rollen kennen.
Diabolo machte ein paar Schritte zurück, wieder im Seitwärtsgang, und setzte erneut zu einem Kampfschrei an. Er war erst in der Mitte seiner Arie angekommen, als der graue Koloss vorschnellte. Reaktionsstark ließ Diabolo sich auf den Rücken fallen, um den Gegner mit kräftigen Tritten abzuwehren. Und sprang im nächsten Moment hoch, um dem Grauen in den Rücken zu fallen.
Kein schlechter Spielzug, dachte Filou. Das war riskant und gekonnt.
Doch der Graue war schneller. Er drehte – zweite Szene – eine Pirouette, landete dort, wo vorher Diabolo gelauert hatte, und begann seinerseits zu drohen, indem er sich hoch aufrichtete. Diabolo zog mit. Filou hielt die Luft an. Die beiden standen einander gegenüber, auf den Hinterbeinen. Minutenlang gab keiner nach. Bis Diabolo sich wieder auf alle vier Pfoten fallen ließ und maulend den Rückzug antrat.
Dritte Szene. Wieder standen sie voreinander, kreischend und drohend, mit angelegten Ohren. Diesmal griff der Graue zuerst an. Diabolo konnte nicht mehr ausweichen, und so rollten die beiden Fellbündel über den Platz, schreiend und beißend und kratzend. Filou konnte dem Geschehen dort unten in der Dämmerung kaum folgen, sein Herz schlug schneller, er war sich plötzlich nicht mehr so sicher, dass der Rächer siegen würde.
Doch plötzlich erstarb unten jede Bewegung. Der Graue hatte Diabolo am Schlafittchen. Was für ein Kampf! Filou hielt den Atem an. Ein kräftiger Tritt ins Rückgrat, und Diabolo wäre ein Fall für den Müllmann. Doch der graue Rächer kämpfte fair, soweit er das von hier oben sehen konnte, und ließ seinen Gegner los. Wieder standen sich beide gegenüber.
Die nächste Szene begann mit einem Foul. Garibaldi schien es nicht mit ansehen zu können, wie sein Bruder einer Niederlage entgegenging, und mischte sich ein. Filou schrie unwillkürlich auf, als er bemerkte, dass der Einäugige zum Sprung ansetzte. Ein hinterhältiger Angriff wie dieser verstieß gegen die Katzenehre. Doch sein Warnruf verhallte im Himmel über dem Roche du Diable, da unten im Dorf war er nicht zu hören. Oder doch? Denn der Graue rettete sich mit einem Salto nach vorn vor dem heimtückischen Angriff von hinten. Doch jetzt standen ihm zwei Kämpfer gegenüber: Diabolo und Garibaldi. Gegen den grauen Rächer.
Filou juckten die Pfoten. Wenn er jetzt hinunterlaufen, sich auf Garibaldi stürzen und ihn besiegen würde? Ob er noch rechtzeitig käme? Und wieso rührte sich eigentlich kein Mensch? Hatten alle Bewohner um die Place de la Patrie herum am Abend zu viel getrunken? Wo blieb der Schwall kalten Wassers, der auch den mutigsten Kampfkater zur Räson brachte?
Die beiden Schwarzen tänzelten. Der Graue zog sich ein paar Schritte zurück und duckte sich. Zwei gegen einen – das ging gar nicht! Das war unfair! Das musste man verhindern! Filou richtete sich mit gesträubtem Fell auf, bereit, hinunterzuspringen und ins Tal zu laufen, als endlich eine höhere Macht eingriff. Die Tür im Haus neben dem Café ging auf. Eine schrille Stimme rief Verwünschungen. Und dann ging der Inhalt eines Wassereimers auf die Kämpfer nieder, die mit Protestgeschrei und gesträubtem Fell davonstoben.
Dieser Kampf ist vorbei, doch der Krieg ist noch nicht entschieden, dachte Filou, als er gemächlich den Berg hinuntertrabte. Der graue Rächer brauchte einen Tapferen an seiner Seite. Er kannte einen: den roten Rächer. Geronimo. So hatte ihn der weise Magnifico genannt, damals, als sich alle Kater zum Kampf gegen die herrschsüchtigen Katzen zusammengetan hatten. Ab morgen war Geronimo wieder unterwegs. Dabei im Kampf gegen das Böse und für das Gute.
Kurz fragte er sich, ob man sich darauf auch verlassen konnte: Dass das Böse so böse war wie das Gute gut. Doch er schüttelte den Gedanken ab. Manchmal musste man sich einfach entscheiden.
»Hast du schon gehört?«, wisperte Josephine, als er nach Hause kam und zu ihr ins Körbchen kroch, wo Felix nur unwillig Platz machte. »Da draußen soll ein Ungeheuer wüten. Felix erzählt die schrecklichsten Dinge. Du solltest nicht mehr so spät unterwegs sein.«
»Mach dir keine Sorgen«, wisperte er zurück.