Читать книгу Filou - Ein Kater rettet die Liebe - Sophie Winter - Страница 11
SIEBEN
ОглавлениеAls Filou am nächsten Tag zum täglichen Treff mit Fidel trabte, war der Mops nicht zu sehen. Unschlüssig stand Filou vor ihrem Rendezvousplatz. Das war noch nie vorgekommen. Und es gab nur eine Erklärung dafür. Kurz entschlossen drehte er sich um und lief hinüber zum Café de la Paix. Der Tag hatte mit blauem Himmel und einem prächtigen Sonnenaufgang begonnen, und mittlerweile war es heiß unter den Sonnenschirmen über den Tischchen, die draußen vor dem Café standen. Herrchen entdeckte er sofort. Die Dame, auf die er einredete, erkannte er erst auf den zweiten Blick. Als er sie das erste Mal gesehen hatte, trug sie ein Kopftuch und eine Sonnenbrille und saß in einem Kabriolett.
Merkwürdig. Aber es wurde noch merkwürdiger. Unter dem Tisch hockte sein abtrünniger Freund, nicht lang ausgestreckt, wie üblich, sondern aufrecht sitzend, voller gespannter Aufmerksamkeit. Neben ihm lagerte ganz offenkundig das Wesen, das ihm den Kopf verdreht hatte: Agathe Comtesse de la Haye. Filou schlich sich heran, um die Szene ungestört zu beobachten. Die Edle war nicht nach seinem Geschmack, was Damen betraf. Ihre Ohren hingen kraftlos herab, statt eines stolzen Schweifs hatte sie hinten nur ein Ringelschwänzchen, und von einer Nase konnte recht eigentlich nicht die Rede sein.
Aber was zählte schon das Urteil eines Katers? Was Möpse an und für sich betraf, verdiente sie sicherlich Fidels Aufmerksamkeit.
Er richtete sich auf und trabte nonchalant auf die beiden zu. »Sie müssen die Comtesse sein«, sagte er fröhlich und formte seinen Schweif zu einem freundlichen Fragezeichen. Fidel wandte ihm den Rücken zu, er schien ihn gar nicht zu bemerken. Das schwarze Etwas aber, das er anhimmelte, sprang blitzschnell auf, bleckte die spitzen Zähnchen und begann hysterisch zu bellen.
Was für eine Szene! Die Comtesse kläffte sich heiser, und von oben hörte man Frauchen zetern, die an der Leine zerrte, bis Agathe überaus unedel zu röcheln begann.
Fidel hatte sich verlegen vor seinen Freund platziert. »Darf ich vorstellen?«, fragte er mit belegter Stimme. »Das ist Filou, ein treuer Freund des Hauses.«
Des Hauses, soso. Liebe macht offenbar aus jedem atmenden Wesen einen Idioten, dachte Filou. Sicher, auch er hatte seine Momente gehabt. Doch Josephine rechtfertigte jedes partielle Irresein. Im Unterschied zu …
»Und das, lieber Freund, ist Agathe Comtesse de la Haye.«
Filou neigte den Kopf. Wie konnte man einer solchen Kratzbürste verfallen? Bei Josephine war das was anderes. Josephine war einfach … die schönste Katze der Welt. Aber das hier …
»Ach«, zischte die schwarze Zicke. »Du bist also ein Katzenfreund.« Sie hätte genauso gut »Katzenfloh« sagen können. Wie verächtlich sie klang.
»Filou ist der größte, der prächtigste Kater von Beaulieu, liebe Agathe.« Fidel wackelte mit seinem Ringelschwänzchen. »Außerdem – Katzen sind auch Tiere. Und ich persönlich glaube an Freiheit und Brüderlichkeit, also …«
Es war nicht zu fassen: Der sonst so wortgewandte Mops stotterte.
»Quatsch mit Soße«, fuhr Madame dazwischen.
Filou schämte sich für Fidel. Der Mops hatte sich eindeutig unter Niveau verliebt.
»Er ist mein bester Freund«, sagte Fidel leise.
»Na schön.« Die Comtesse gähnte. »Hat mich gefreut.« Und jetzt zieh ab, Flohfalle, sagte ihr Blick.
Und Fidel? Der drehte seinem besten Freund das große weiße Hinterteil zu und murmelte untertänig: »Wo waren wir stehen geblieben, liebe Agathe?«
Filou war für einen Moment völlig außer sich. Was bildete sich dieser Fettsack ein? Was war eine Freundschaft wert, die man wegen eines Flirts mit einer Unwürdigen verriet? Unwillkürlich fuhr sein Schweif hin und her und peitschte den Boden, bis der Staub aufwirbelte und Krümel und Zigarettenkippen durch die Gegend flogen.
Glücklicherweise war Frauchen aufgestanden und zog an Agathes Leine.
»Ich glaube, meine Kleine möchte jetzt ihr Fresschen«, sagte sie zu Herrchen. »Es war nett, Sie kennenzulernen, Marcel. Bis bald mal wieder.«
Herrchen nickte, er wirkte halb betäubt. »Auf bald, Céline.«
Waren denn alle verrückt geworden? Offenbar hatte auch Herrchen die Liebesidiotie erwischt.
In einem Anfall von Mitleid kroch Filou wieder unter den Tisch, wo der Mops hilflos hechelnd seinem Herrchen zu Füßen lag und theatralisch stöhnte.
»Ob sie mich wohl mag?«
Was für eine selten dämliche Frage. »Nicht, wenn du dich derartig an sie ranschmeißt.«
»Ich … ich fühle mich so – erbärmlich neben ihr.«
Das merkt man, hätte Filou am liebsten gesagt. »Wer sich erbärmlich fühlt, trifft selten auf Erbarmen«, murmelte er. Wenn es darauf ankommt, können auch Katzen philosophisch werden, dachte er befriedigt.
»Aber ich erweise ihr doch nur meinen Respekt!«
Filou betrachtete den Dicken. Ob er die Wahrheit vertragen konnte? »Dein Respekt ist nicht viel wert, wenn du dich selbst nicht respektierst«, sagte er schließlich. »Du machst dich klein.«
»Klein?« Fidel jaulte auf. »Ich bin nicht klein! Ich bin fett!«
»Das kommt erschwerend hinzu.« Filou blieb ungerührt. »Und entweder trägst du dein Schicksal mit Würde oder …«
»Würde? Ich bin unwürdig, ihr auch nur die Krallen zu lecken!«
»Na prima. Dann scheint ihr euch ja einig zu sein. Du bist unwürdig, und sie ist eine hochnäsige Kläfferin, die auf dich herabsieht.«
Fidel erwiderte nichts, aber man spürte sein Unglück wie eine schwere schwüle Wolke.
»Ich könnte vielleicht – abnehmen«, sagte er schließlich mit schwacher Stimme.
Filou musterte ihn. Er wusste zwar nicht, ob Abnehmen im Fall der hochnäsigen Comtesse etwas nützte, aber im Großen und Ganzen war das sicher eine gute Idee.
»Lass gucken, Alter!«
Der Mops rappelte sich hoch. Es stimmte: Fidel war nie schlank gewesen, aber über den Winter hatte er noch einmal zugelegt, sein Bauch berührte fast den Boden.
»Du hast recht. Du solltest abnehmen.«
Fidel ließ sich wieder sinken. »Aber wie?«, jammerte er.
»Wir laufen jetzt zweimal ums Kriegerdenkmal herum, und dann sag ich dir, wie das geht, ja?«
Fidel watschelte los, mit schwabbelndem Bauchfell, und schon nach den ersten paar Schritten war er außer Atem. Filou schlich leise hinter ihm her. Herrchen merkte nichts von alledem, er war ausnahmsweise einmal nicht in seine Zeitung vertieft, sondern starrte mit blödem Lächeln in die Gegend.
»Wo bleibst du?«, quengelte Fidel und wurde immer langsamer.
»Bin hinter dir«, zischte Filou, streckte den Kopf vor und biss den Freund ins Bein. Wie von einer Wasserpistole getroffen raste Fidel los, Filou mit gebauschter Rute hinterher.
»Jetzt guck dir das an! Die Katze jagt den Hund!«, rief ihnen ein kleiner Junge nach, der sich im Café de la Paix ein Eis gekauft hatte.
Er war nicht der Einzige, der zusah, wie der rote Blitz den weißen Vollmond jagte. Und so kam Fidel nicht nur völlig außer Atem, sondern auch unter größtmöglicher Beachtung durch die Kunden des Café de la Paix wieder bei seinem Herrchen an.
»Ja, sag mal«, sagte der, als er seinen Hund endlich bemerkt hatte. »Geht’s dir noch gut? Oder bildest du dir ein, du wärst ein Windhund?«
Japsend kroch Fidel unter den Tisch, Filou hinterher.
»Meinst du, das hat geholfen?«, flüsterte Fidel.
»Nur, wenn du es täglich machst«, verkündete Filou. »Und ab sofort wird weniger gegessen.«
Fidel nickte verträumt. Doch dann hob sich sein Kopf, und sein Blick war plötzlich hellwach.
»Aber wenn Herrchen mir was extra Leckeres hinstellt?«
»Sag nein, wenn du kein Feigling bist.«
»Aber …« In Fidels treuen Hundeaugen stand helles Entsetzen. »Aber wenn er dann gekränkt ist! Oder sich Sorgen macht! Oder mit mir zum Arzt will! Oder das ganze gute Essen wegwirft!«
Filou sah den Freund nicht an, sondern schüttelte nur langsam den Kopf, drehte ihm den Rücken zu und trottete davon. Es gab Wesen, denen einfach nicht zu helfen war.