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VIER

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In der Nacht schlief Filou unruhig. In seinen Träumen wurde der graue Kater immer riesiger. Er erwachte viel zu früh und beschloss, noch vor dem Frühstück im Dorf nach dem Rechten zu sehen. Als er sich hinausschlich, sah er zu seinem Erstaunen Felix über den Gartenweg traben, der ihn nicht bemerkte. Der Kleine leckte sich zufrieden die Lefzen. War er hausieren gegangen bei fremden Leuten? Hatte der faule Kerl anderen Katzen das Fressen weggenommen?

»Wo warst du?« Zu spät merkte Filou, dass er wie Luc klang, die ihn stets anzuzischen pflegte, wenn er nach Hause kam, statt ihn freudig zu begrüßen. »Ich meine … Schön, dich zu sehen«, stotterte er, aber Felix grinste ihn fröhlich an.

»Katzen würden Mäuse kaufen, wusstest du das, Dad?«

Dad! Wie er diesen Namen hasste!

»Mäuse kann man nicht kaufen!«

»Nein, aber fangen!«

Filou erstarrte. Sein Sohn. Fing Mäuse. Etwas, das Filou nie geschafft hatte. Weil er ein Versager war, wie Luc gespottet hätte. Der Gedanke machte ihn wütend.

»Kriegst du zu Hause nicht genug?«, hörte er sich sagen. Und wieder war er sich selbst peinlich. Mein Gott, Alter, wie klingst du denn, dachte er. Sei doch endlich mal stolz auf den Kleinen!

»Na klar. Katz-Gourmet. Und Schinken. Und Thunfisch aus der Dose. Man kann wirklich nicht klagen. Aber Mäuse sind gesünder. Die Knochen, die Knorpel, der Mageninhalt. Weißt du – ein Kater, der nie die selbst gefangene Maus genossen hat …« Felix stockte. Er schien zu merken, was er da gerade sagte.

»Der ist was?«

»Der hat was versäumt.« Felix reckte sich hoch zu Filou, um ihm die Nase zu küssen. »Nicht böse sein, Dad.«

Filou war wider Willen gerührt. »Warum sollte ich dir böse sein? Ich bin stolz auf dich, mein Sohn«, brummte er und leckte dem Kleinen das Gesicht. »Du wirst ein großer Jäger werden.«

Fidel lag bereits auf seinem Stammplatz, als Filou beim Café de la Paix eintraf.

»Howdie«, sagte der Mops zur Begrüßung.

»Hau was?« Oder wen? Filou war irritiert. Der Mops war schlau, aber er konnte kaum mitbekommen haben, dass in Beaulieu Gewalt in der Luft lag. Fidel ging mit Herrchen jeden Abend früh ins Bett, nachdem sie ein Pfeifchen geraucht und ein Gläschen getrunken hatten, wie Fidel sich auszudrücken pflegte.

»Kurzform von: How do you do.«

»Du meinst, du hast keine Zeit mehr, anständig guten Tag zu sagen?«

Fidel riss das Maul zum Gähnen auf und zeigte seine spitzen kleinen Beißerchen.

»Howdie ist cool, that’s all.«

»Ich kenne nur Rowdy. Und der ist das Gegenteil von cool.«

Rowdy hieß der Kläffer der Bäckersfrau, der sich zum Blockwart der Grande Rue aufspielte, wenn man ihn nicht daran hinderte. Das war allerdings nicht schwierig, der Kerl war nicht sonderlich schlau. Man machte sich einen Spaß, indem man ihn so lange provozierte, bis er hysterisch kläffend hinter einem herlief. Weiter und weiter und weiter. Bis man aus Beaulieu heraus war. Und dann – ab auf den nächsten Baum und ein Nickerchen halten. Während unten die arme Töle stand und bellte, bis sie heiser war.

»Auch wieder wahr, oh wandelnde Weisheit!«

»Sehr wohl, Klugscheißer.«

Sie betrachteten einander mit Wohlgefallen. Gut, Fidel war ein wenig unförmig geworden in den letzten Monaten. Zu wenig Bewegung, schätzte Filou, der Winter war heuer lang gewesen. Und träge war der Mops schon immer. »Pack rennt, Adel denkt«, pflegte er zu sagen. Das war zwar ziemlich arrogant, und Filou war sich auch nicht ganz sicher, ob es stimmte, aber eines war zweifellos richtig: Wenn Fidel seinen Verstand erst eingeschaltet hatte, war er das klügste Wesen von Beaulieu. Filou beschloss, ihm von den Ereignissen der letzten Nacht zu berichten und um sein Urteil zu bitten.

Fidel hörte zu, ohne ihn zu unterbrechen, die Augen halb geschlossen, den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt.

»Grau, sagst du. Hmhm. Nun, nachts sind alle Katzen grau«, bemerkte er, nachdem Filou seinen Bericht beendet hatte.

»Ein Riesenvieh. Nicht gescheckt, nicht gestromt. Und weder weiß noch schwarz. Was bleibt da übrig? Grau.« Filou war stolz auf seine Beweisführung.

»Und dein grauer Held hat Maurice in Rekordtempo auf die Matte geschickt?«

»Oh ja.« Filou streckte sich, machte einen Buckel und wollte den letzten entscheidenden Spielzug demonstrieren, als er aufsah und die seltsame Prozession bemerkte. »Da sind sie«, zischte er.

Der Mops hob den Kopf mit der faltigen Stirn. »Auha«, sagte er.

Das war eine treffende Zusammenfassung. Maurice sah verboten aus. Blut verkrustete sein Gesicht, das linke Auge war halb geschlossen. Und er hinkte. Ein erbärmlicher Anblick.

»Armer Maurice! Bist du unter den Rasenmäher gekommen?« Fidel, der sich aufgerichtet hatte, als ob er die Parade abnehmen wollte, tat mitleidig.

»Halt die Luft an, Fettsack!«, grummelte Garibaldi. »Sonst kriegste aufs Maul.«

»Ich hab Maurice gefragt, nicht dich, du Schwachkopf.«

Maurice warf ihnen einen scheelen Blick zu und hinkte weiter, gefolgt von dem leise grollenden Diabolo.

»Was für ein erhebender Anblick.« Fidel seufzte befriedigt und machte es sich wieder bequem. »Also«, sagte er.

»Also was?«

»Was willst du wissen?«

»Na ja …« Filou kam sein großes Projekt plötzlich albern vor. Er sollte in Beaulieu wieder Frieden und Glück herstellen? Träum weiter, Kater. Und war es weise, sich auf den Grauen einzulassen? Was wusste er schon von dem Fremden?

»Du willst also sichergehen, dass du nicht aus Versehen die Pest mit der Cholera austreibst, wenn du dich dem grauen Rächer anschließt.«

»So in etwa.« Filou kannte die Cholera nicht, so hieß keine der Katzen von Beaulieu. Pest im Übrigen auch nicht. Aber er mochte nicht fragen. Fidel machte sich gern lustig über das, was er Filous »Halbbildung« nannte.

»Also, ich …« Fidel rekelte sich. »Ich würde die Sache beobachten. Und dann meine Entscheidung auf solide Fakten gründen.«

»Man sollte nichts …«

»Nichts übereilen, genau.«

»Andererseits …«

»Ja?«

»Ich meine: Man muss etwas tun. Sich einmischen. Aufstehen für das, was man für richtig hält. Hast du nicht gesagt, mir fehlte eine Aufgabe?«

»So besehen«, murmelte Fidel. »So besehen …«

Doch bevor der Mops eine aus unendlicher Weisheit gespeiste Antwort geben konnte, sprang er auf. Gefahr? Filou duckte sich. Er hatte den Freund noch nie so schnell in Bewegung gesehen.

Fidel stand hoch aufgereckt da und hielt die platte Boxernase in die Luft. »Riechst du das?«

»Was? Baguette? Croissant? Croque Monsieur?«

»Ach was. Du denkst immer nur an das eine.« Fidel ließ sich wieder sinken.

Ich nicht, dachte Filou. Das ist ja wohl eher dein Problem.

»Unbeschreiblich. Dieser Duft.« Der Mops ließ die Zunge aus dem rosafarbenen Maul hängen und hechelte.

»Ich riech nichts.« Filou sog die Luft ein. Es roch wie immer: nach Staub und Erde, nach Hunde- und Männerpisse, nach Kaffee und Petunien.

»Du Empfindungsloser«, murmelte der Mops. Und dann trabte er los. Filou sah ihm verblüfft hinterher. Die kurzen Beine stapften vorwärts, das weiche Bauchfell schwang im Takt, und der eingerollte Schwanz zitterte. Nein, graziös wirkte Fidel wirklich nicht. Aber er hatte eindeutig irgendetwas in der Nase.

Und das musste etwas ganz Außerordentliches sein, sonst hätte er es nie gewagt, den Platz zu verlassen, den sein Herrchen ihm zugewiesen hatte. Wie oft hatte Filou darüber gespottet! »Freiheit heißt, sie auch opfern zu dürfen – denen, die man liebt«, pflegte Fidel zu sagen, wenn er ihm Sklavenmentalität vorgeworfen hatte. Woher der plötzliche Unabhängigkeitsdrang?

Filou beschloss, dem Freund zu folgen. Zu seiner Enttäuschung sah er, dass der Mops das Café de la Paix ansteuerte. Es war also nur das Übliche. Hund hat Sehnsucht nach Herr. Es gab nichts Neues unter der Sonne.

Doch darin täuschte er sich gründlich.

Filou - Ein Kater rettet die Liebe

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