Читать книгу Momentaufnahme - Sören Prescher - Страница 6

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Obwohl Jenny es nicht gern zugab, war dass Motel bedeutend besser, als sie es sich vorgestellt hatte. Den größten Pluspunkt bekam es, weil die meisten Zimmer – darunter ihr eigenes – im Schatten lagen und selbst bei den hochsommerlichen Temperaturen angenehm kühl blieben. Für alle Fälle gab es zwar noch die zimmereigene Klimaanlage, aber da Jenny von diesen Dingern immer Kopfschmerzen bekam, schied sie im Grunde genommen aus.

Einziger Wermutstropfen an ihrer Unterkunft: Das Zimmer ihrer Eltern befand sich gleich nebenan. Weder sie noch Jenny durften sich besonders laut aufführen, ohne Gefahr zu laufen, dass es der jeweils andere im Nachbarraum mitbekam.

Kurz lauschte Jenny, ob momentan etwas zu hören war. War es nicht. Was zumindest bedeutete, dass sie sich nicht stritten. Das war in den vergangenen Monaten eine Seltenheit und einer der Gründe, weshalb sie hierher gekommen waren. Nicht nur, um auszuspannen, sondern um zu kitten, was langsam zerbrach.

Ihr Vater war Immobilienmakler und nur durch Zufall hatte Jenny mitbekommen, dass er sich während ihres Aufenthaltes verschiedene Gebäude anschauen wollte. Was kein gutes Zeichen war. Ihrer Einschätzung nach konnte es dafür nur drei Erklärungen geben: Möglichkeit A bestand darin, dass Dad wirklich geschäftlich daran interessiert war. Möglichkeit B wies auf die derzeit recht angespannte Situation der Familie hin. Vielleicht wollte sich Dad eine neue Heimat suchen, damit der Familienkreis den längst überfälligen Ortswechsel vollzog. Die dritte und letzte Variante war die, die ihr am wenigsten gefiel. Im Prinzip war sie ähnlich wie die vorhergehende Möglichkeit, nur mit dem gravierenden Unterschied, dass sich Dad in Maine ein Haus für sich allein aussuchte. Vielleicht war dieser Familienurlaub sogar der letzte seiner Art und ihre Eltern wollten nur testen, ob es wirklich noch Liebe zwischen ihnen gab.

Schnell verscheuchte Jenny den Gedanken wieder. Über eine mögliche Trennung wollte sie nicht nachdenken. Zu viele offene Fragen gäbe es zu beantworten und Unmengen an neuem Kummer kämen auf sie zu. Zumindest von letzterem hatte sie in den vergangenen Monaten mehr als genug gehabt.

Um sich abzulenken, griff sie nach ihrem Smartphone. Nur Sekunden darauf legte sie es beiseite. Selbstverständlich gab es hier keinen Empfang. Sie hätte es wissen müssen.

Seufzend schaltete sie das Radio an. Zuerst ertönte nur ein schwaches Rauschen, aber schon nach kurzem Suchen fand Jenny einen Sender, der eine alte Reggae-Nummer spielte. Unschlüssig ob sie den Sender lassen sollte, runzelte sie die Stirn, ließ die Hand aber sinken.

»Immerhin besser als California Dreaming.«

Nachdenklich schaute sie aus dem Fenster. Bäume, Häuser und eine verwaiste Straße. Alles wirkte ruhig … und langweilig. Bestimmt war es der beste Ort zum Ausspannen und wohl auch der ideale Platz für ihre Eltern. Jenny hingegen fühlte sich wie ein Eskimo in der Sahara. Den kommenden Wochen sah sie mit Schrecken entgegen.

Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken. Ihre Mom streckte den Kopf zur Tür hinein. »Bist du so weit?«

»Ich komme gleich.«

Ihre Mom nickte. »Dad und ich warten draußen.« Sie verschwand hinaus, ließ die Tür aber angelehnt. Jenny überprüfte vor dem Spiegel kurz ihr Aussehen und verließ das Motelzimmer.

Momentaufnahme

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