Читать книгу Momentaufnahme - Sören Prescher - Страница 7
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Zwei Stunden und einen Spaziergang später saß sie mit ihren Eltern im hiesigen Restaurant – zumindest, wenn man es so nennen wollte. Marcys Diner zählte sicher nicht zu den attraktivsten Orten der Welt, war aber offenbar der einzige in Milton, an dem heute noch eine warme Mahlzeit zu bekommen war. Skeptisch stimmte sie allerdings, dass sie sich als einzige Gäste im Lokal aufhielten. War das Essen so miserabel oder existierte irgendwo noch ein zweites Diner, das sie übersehen hatten?
Aber nicht nur Marcys Diner wirkte wie ausgestorben. Auch auf der Straße sah sie kein einziges Auto. Fußgänger waren Jenny in den letzten Stunden ebenfalls nur eine Handvoll aufgefallen. Wohin um alles in der Welt hatte es sie bloß verschlagen? Selbst der Aufenthalt in einem Bootcamp dürfte spaßiger sein als das, was ihr bevorstand.
Ihren Eltern schien die Stille überhaupt nicht aufzufallen. Sie hatten ausschließlich Augen füreinander. Wie zwei verliebte Teenager strahlten sie sich an. Wohlmöglich überlegten sie, wo sie am besten knutschen konnten. Oder sie füßelten bereits unter der Tischplatte.
Angewidert verzog Jenny das Gesicht. Ganz bewusst vermied sie es, hinabzublicken. Einerseits war die Harmonie ein schönes Zeichen. Kein falsches Wort kam ihren Eltern über die Lippen und beide schienen stets im Voraus zu ahnen, was der andere gleich sagen würde.
Anderseits waren die zwei Mom und Dad. Sie beim Flirten – oder Schlimmerem – zu beobachten, war in etwa so prickelnd wie die Vorstellung, sich Gabeln in die Augen zu rammen. Letzteres hatte aber wenigstens den Vorteil, dass sie sich das Elend nicht länger hätte mit anschauen müssen.
Während sie die beiden so sah, kamen ihr erste Zweifel, ob diese überschwängliche Freundlichkeit wirklich ein Teil des Wir-versuchen-es-zu-kitten-Plans war, oder ob sie sich vollkommen auf dem falschen Dampfer befand. Vielleicht hatte sie sich die Probleme der Familie nur eingebildet oder überdramatisiert.
Sie beschloss, die beiden ihr Ding durchziehen zu lassen und war froh, als sie auf der Straße ein paar Jugendliche vorbeilaufen sah. Die ganze Gruppe lachte, als kämen sie direkt aus einem Adam-Sandler-Film. Vier Mädchen und vier Jungen waren es. Allesamt in ihrem Alter. Einer davon war ein athletischer Blondschopf, der mit Sicherheit zum Sportteam der hiesigen Highschool zählte und die Herzen der Mädchen reihenweise brach. Wie auf ein Stichwort lächelte er ihr zu. Jenny wurde ganz warm im Bauch. Schüchtern lächelte sie zurück. Vielleicht würde der Aufenthalt in Milton doch nicht so langweilig verlaufen.
Ein anderer Junge sah, wohin der Blick seines Freundes zielte und klopfte ihm beherzt auf die Schulter. Dadurch wurde er abgelenkt und widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Gruppe. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, Jenny ein letztes Mal zuzulächeln.
Liebend gern wäre sie mit ihm und den anderen Jugendlichen losgezogen. Ganz gleich, wohin sie gingen, alles war besser, als Mom und Dad beim Turteln zuzusehen. Doch um die zurückgewonnene Harmonie ihrer Eltern nicht zu unterbrechen, verwarf sie die Überlegung schnell wieder.