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Die Fähre sank sanft in den Außenbezirken von London nieder. Die Triebwerke gaben ein letztes Zischen von sich, bevor sie endgültig verstummten.

Michael und Fabian verließen das Gefährt, noch bevor die Rampe gänzlich den Boden berührte. Sie hatten die eingefahrene Rüstung auf der linken Brustseite befestigt, trugen aber ansonsten Zivilkleidung.

Die Aurora befand sich derzeit auf dem Meeresgrund vor der irischen Nordküste. Die übrigen sechs Schiffe hatten sich aus Sicherheitsgründen verteilt. Die Hermes lag vor Norwegen, die Hera vor der amerikanischen Ostküste, die Ostia vor China, die Karthago in der Nähe von Australien und die Scipio Africanus zwischen Sardinien und Italien. Michael war nicht glücklich damit, seine kleine Streitmacht aufzuteilen. Das Ganze war Fabians Idee gewesen. Es hinterließ einen bitteren Nachgeschmack, die Einheiten so exponiert zu wissen. Aber er verstand durchaus den tieferen Sinn dahinter.

Falls die Ashrak sie aufspürten, waren sie erledigt, egal ob sie zusammen oder getrennt blieben. Die Zersplitterung reduzierte jedoch die Gefahr, entdeckt zu werden, und in dieser speziellen Situation war der Tarnung den Vorrang vor der Feuerkraft zu geben.

Alle sechs Einheiten hatten sich auf den Meeresgrund begeben und verharrten dort in Wartestellung, bis Michael einen anderslautenden Befehl erteilte. Nach ihrem Täuschungsmanöver hatten sie allerhand Funkverkehr der Fischköpfe aufgeschnappt. Demzufolge hatten diese vorläufig die Geschichte mit dem Absturz geschluckt. Michael hoffte, dass dem so blieb. Die militärischen Anlagen rund um den Jupiter gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn. Damit hatte niemand gerechnet – ja, niemand rechnen können. Es machte aber eine relativ einfach geplante Operation zum gefährlichen Wagnis.

Auch die Einrichtung einer dauerhaften Route für die Lieferung von Hilfsgütern und Nachschub sowie die Etablierung einer militärischen Infrastruktur wurden dadurch enorm erschwert.

Michael schüttelte den Kopf. Ein Problem nach dem anderen. Erst mal musste der Kontakt zu den Stämmen hergestellt werden, aus denen sich die Überreste der Menschheit inzwischen zusammensetzten. Und sie mussten überzeugt werden, sich dem Kampf anzuschließen. Oder anders ausgedrückt: Sie mussten überzeugt werden, dass der anstehende Krieg überhaupt zu gewinnen war. Die Fülle an Problemen, mit denen sie sich konfrontiert sahen, ließ ihn schwindeln.

Michael sog die Luft seiner Heimat ein in dem irrigen Glauben, es würde seinen Geist klären. Tatsächlich musste er unwillkürlich husten. Er würgte leicht und spie aus.

Fabian warf ihm einen verwirrten Blick zu. »Alles in Ordnung?«

Michael rümpfte die Nase und legte die Stirn in tiefe Falten. »Nicht wirklich. Irgendeine Art von seltsamen Partikeln liegt in der Luft. Das kenne ich von früher nicht. Und es ist viel zu warm für diese Jahreszeit.«

Fabian nickte. »Das ist mir auch schon aufgefallen. Ich schätze, die Temperatur liegt gute fünf Grad über normal. Seltsam. Ich frage mich, was dafür verantwortlich ist.«

Michael zuckte die Achseln. »Wir sind lange weg gewesen. Da kann eine Menge vorgefallen sein.«

»So lange nun auch wieder nicht.« Abermals schüttelte Fabian den Kopf. »Wir sollten das im Auge behalten.«

Michael warf ihm einen leicht spöttischen Blick zu. »Denkst du nicht, wir haben Wichtigeres zu tun?«

Der andere Blutläuferoffizier begegnete seinem Kameraden mit Gleichmut. »Wir wollen hier ein Ausbildungszentrum für die Rebellion einrichten. Da ist alles wichtig.«

»Touché!«, erwiderte Michael ungewohnt eloquent.

Fabian sah sich in der für ihn fremden Umgebung um. Die Fähre hatte inmitten eines ausgebombten Gebäudes aufgesetzt. Dort war sie sowohl vor neugierigen Augen am Himmel wie auch am Boden geschützt. Ansonsten glich die Stadt einer einzigen Ruinenlandschaft, ganz egal, in welche Richtung man sein Augenmerk auch schweifen ließ. »Also, wo geht’s lang?«

Michael deutete nach Süden. »Buckingham Palace. In der Nähe werden wir mit Sicherheit ein paar Flesh and Bones treffen.«

Fabian bedeutete der Crew der Fähre wortlos zurückzubleiben. Ein Trupp aus fünf Soldaten begleitete sie aber. Im Gegensatz zu Michael und Fabian hatten diese ihre Rüstungen ausgefahren. Auf diese Weise bewehrt und schwer bewaffnet, schwärmten sie aus, um die Umgebung zu sichern. Schon bald verschmolzen die Spezialisten mit der Stadt und wurden nahezu unsichtbar. Beinahe überkam Michael das Gefühl, er wäre mit Fabian allein. Doch ihm war klar, dass die fünf Blutläufer jeden ihrer Schritte beobachteten und zu jedem Zeitpunkt über sie wachten.

Von ihrer Unterstützung allein gelassen, setzten sie ihren Weg gen Süden schweigend fort. Sie nahmen die Hauptstraße. Aus einem Sicherheitsaspekt betrachtet, war das nicht wirklich ratsam. Dort waren sie leichte Beute für jedermann, der dachte, sich an ihnen bereichern zu können. Allerdings kamen sie wesentlich schneller voran. Sich durch die Ruinenlandschaft zu bewegen, hätte sie nur unnötig aufgehalten.

Michaels Herz verkrampfte sich praktisch bei jedem Schritt. Damals, als Anführer der Flesh and Bones, hatte er diese Umgebung als seine Heimat und Zuflucht betrachtet. Nun, mit dem durch seine Entführung gewonnenen Abstand, sah er vieles mit anderen Augen.

Die Stadt London, einst voller Leben und Kultur, war nun ein Ort des Schreckens und der Verzweiflung. Die Menschen wurden hier lediglich in zwei Kategorien eingeteilt: Täter und Opfer. Und er hatte früher zu den Tätern gehört.

Hin und wieder schreckte die zwei Wanderer ein Geräusch auf. Immer wenn sie sich in die entsprechende Richtung wandten, war nichts zu sehen – oder lediglich im Halbdunkel schimmernde Augen, die sie aufmerksam und oftmals voller Furcht beobachteten. Die Menschen von London hatten aus bitterer Erfahrung gelernt, sich vor dem Fremden zu fürchten.

Michael blähte unbewusst seine Brust auf. Falls er hier etwas mitzureden hatte, dann würde sich das vielleicht irgendwann wieder ändern. Nicht nur hier, sondern überall auf der Erde. In ständiger Furcht zu leben, war kein Leben.

Mit einem Mal bemerkte er, wie Fabian ihn von der Seite her angestrengt musterte. Michael machte eine verkniffene Miene. »Du hast was zu sagen?«, forderte er seinen Begleiter auf.

Dieser zögerte. »Ich frage mich nur gerade, wie das alles für dich sein muss.«

»Beschissen«, erwiderte Michael kurz angebunden.

»Beschissen? Das ist alles?« Fabian verkniff sich ein schmales Schmunzeln.

»Das reicht doch vollkommen«, erwiderte Michael. »Ein Wort, das alles aussagt.«

»Das stimmt allerdings«, meinte Fabian immer noch leicht amüsiert. »Ich dachte nur, du willst dich vielleicht ein wenig über deine Eindrücke nach so vielen Jahren der Abwesenheit austauschen.«

Michael warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Bist du jetzt mein Beichtvater?«

»Brauchst du denn einen?«

Michael zögerte einen unendlich scheinenden Moment lang. »Manche Dinge sind unverzeihlich.«

Daraufhin warf Fabian ihm einen unergründlichen Blick zu. Der Blutläuferoffizier zuckte schließlich die Achseln und entschied offenbar, es dabei bewenden zu lassen.

Michael hielt das für eine kluge Entscheidung. Manche Dinge sollten besser nicht angesprochen werden. Sie schlenderten eine Weile dahin. Die Hauptstraße wurde gesäumt von unzähligen Fahrzeugen, allesamt verrostet. Der Zahn der Zeit nagte aber nicht nur am Material, sondern auch am Fleisch. An mehr als nur einem Lenkrad saß eine Leiche, die nurmehr die Überreste verrotteter Kleidung am Leib trug. Alles Fleisch war verwest und selbst die Maden, die es verspeist hatten, waren längst zu Staub zerfallen.

»Warst du schon mal hier?«, wollte Michael plötzlich wissen. »Ich meine, vor der Invasion.«

Fabian sinnierte ausgiebig über die Frage nach. Michael dachte schon, sein Kamerad würde gar nicht mehr antworten. Als er es doch tat, klang seine Stimme seltsam abwesend. Als wäre es zu schmerzhaft, auch nur die geringste durch die Erinnerung hervorgerufene Emotion zuzulassen.

»Zweimal. Als ich noch Schüler war. Im Rahmen eines Austausches. London war wunderschön und ich empfand es als sehr exotisch. Voller Leben, Geschichte und vielfältiger, wunderbarer Menschen.«

Michael nickte. »Der Tower von London, die Tower Bridge, Madame Tussaud’s … alles ist nun weg. Für immer verloren.«

Voraus kam eine alte Barrikade in Sicht. Ein klobiger Challenger-2-Panzer thronte über zwei schweren MG-Nestern. Der verrostete Geschützturm deutete nach Norden und drohte einem Feind, der diese Verteidigungslinie bereits vor Jahrzehnten überrannt hatte. Die beiden Blutläufer sprangen ohne große Mühe über die Sandsäcke hinweg. Fabian landete in einem Gewirr ausgebleichter Knochen. Bei einigen von ihnen waren noch britische Uniformen erkennbar. Aber nicht ausschließlich. Andere Soldaten gehörten den USA, Irland, Frankreich und Deutschland an.

Michael erinnerte sich noch an die letzten Kriegswochen und -monate. Damals waren gemischte NATO-Verbände an allen Brennpunkten eingesetzt worden. Freunde und Nachbarn hatten einander beigestanden im Augenblick größter Not. Alte Feindschaften und Rivalitäten waren beigelegt worden im Angesicht eines gemeinsamen Feindes. Einheiten der deutschen Bundeswehr hatten bei der Verteidigung von Paris, London, Dover und Straßburg geholfen, Franzosen und Polen beim Kampf um Berlin und Hamburg. Ägypten, Jordanien und Israel hatten gemeinsam Jerusalem verteidigt.

Michael hielt inne. Es war traurig, dass dieser Anflug internationaler Solidarität nur Monate gedauert hatte, bevor die ganze Welt zurück in einen Zustand permanenter Barbarei zurückfiel. Und er selbst war Teil davon gewesen. Nach all diesen Jahren erneut auf den Straßen von London zu wandeln, hatte etwas Surreales an sich. Was aber noch schwerer wog, es hatte etwas brutal Ernüchterndes.

Hinter dem Challenger 2 kamen zwei ausgebrannte deutsche Leopard 2 sowie ein zerstörter französischer Leclerc in Sicht. Und etwas die Straße hinab lagen die Gerippe eines imperialen Achilles-Panzers sowie eines Skorpions.

Fabian lächelte. »Schön zu sehen, dass der Widerstand nicht gänzlich erfolglos verlaufen ist.«

»Dasselbe habe ich auch gerade gedacht.«, erwiderte Michael. Er sah zum Himmel. »Ich schätze, wir haben noch etwa drei Stunden Tageslicht. Das sollten wir nutzen und so schnell wie möglich in die Innenstadt kommen.«

Fabian wollte gerade antworten, als sie von einer unbekannten Stimme angesprochen wurden. »Ihr rührt euch nicht von der Stelle!«

Michael und Fabian erstarrten. Zwischen den Trümmern und Ruinen tauchte eine grobschlächtig wirkende Meute von Männern und Frauen auf. Sie wirkten abgerissen und ungepflegt, aber auch verblüffend gut genährt. Und jeder Einzelne von ihnen war bewaffnet. Es handelte sich um Hieb- und Stichwaffen. Niemand trug eine Schusswaffe. Nun, das war immerhin ein Lichtblick.

Fabian tastete verstohlen nach dem Schalter für die Rüstung, aber Michael hielt ihn zurück. »Noch nicht. Vielleicht können wir das auch friedlich regeln.«

Fabians Blick zuckte umher. »Und da bist du dir sicher?«, entgegnete er wenig überzeugt.

»Nein«, gab Michael zu. »Aber wenn sie die Rüstung sehen, sind sie entweder weg oder fallen über uns her.«

»Das würde nicht gut für sie ausgehen.«

»Das wissen sie aber nicht.« Michaels Blick glitt über die Menschenmenge. Es waren mindestens fünfzig. »Lass mich das regeln.«

Fabian senkte langsam seine Hand. »Es ist deine Nachbarschaft. Aber mach schnell, ich werde gerade so richtig nervös.«

Michael nickte. Er konnte die Gefühle des anderen Blutläufers durchaus nachvollziehen. Ihre Ausbildung hatte Dinge wie Diplomatie und friedliche Problemlösungsstrategien nicht beinhaltet. Die Ashrakausbilder hatten sie gelehrt, Bedrohungen auszuschalten: schnell, gründlich und endgültig.

Michael trat vor und stellte sich dem Mann, den er für den Anführer hielt. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, erhob dieser die Stimme. »Diese Straße gehört den Flesh and Bones. Wer hier passieren will, muss Wegzoll zahlen. Was immer ihr bei euch habt, gehört jetzt uns.«

»Flesh and Bones! Flesh and Bones! Flesh and Bones!«, skandierte die Menge und schwenkte dabei angriffslustig ihre Waffen.

»Die Flesh and Bones?«, wisperte Fabian ihm zu. »Du hattest gesagt, ihr Territorium ist noch mindestens eine Stunde entfernt.«

»Meine Informationen sind schon längst veraltet«, gab Michael leise zurück. »Sie müssen ihr Gebiet ausgeweitet haben. Das birgt aber ein paar Probleme für uns.«

»Nämlich?«

Michael schluckte. »Um ihr Gebiet bis hier auszuweiten, mussten sie drei andere Gangs entweder schlucken oder vernichten. Das bedeutet, sie sind weitaus aggressiver als noch zu meiner Zeit. Es sind jetzt Expansionisten.«

»Großartig!«, kommentierte Fabian, dem dicke Schweißtropfen von der Stirn perlten.

Michael erhob die Stimme. »Wer führt die Flesh and Bones jetzt?«

»Wer will das wissen?«, fragte der Anführer provokant.

»Sieh dir mal die Typen an, Justin«, mischte sich ein anderes Bandenmitglied ein. »Die sehen aber komisch aus. Die graue Haut … sind die Kerle krank?«

Der Mann namens Justin beäugte die beiden Blutläufer mit einem Mal misstrauisch. »Hat er recht? Seid ihr krank?«

»Wir sind nicht krank«, beruhigte Michael den Mann, der sich davon aber nicht beeindrucken ließ.

»Wenn ihr krank seid, steinigen wir euch. Die letzte Grippewelle hat ein Drittel unserer Gruppe dahingerafft.«

Michael presste die Lippen aufeinander. Das konnte er sich sehr gut vorstellen. Die Beschaffung von Medikamenten gehörte zu den größten Problemen in dieser postapokalyptischen Gesellschaft.

»Wir – sind – nicht – krank«, wiederholte der Blutläufer erneut und betonte jedes einzelne Wort. »Wir wollen mit eurem Boss sprechen. Wir kommen mit einem Angebot für ihn.«

»Unser Boss hat keine Verwendung für ein Angebot«, beharrte Justin. »Wir sind die Stärksten. Wir nehmen uns, was wir wollen.« Das Bandenmitglied grinste hämisch.

»Flesh and Bones! Flesh and Bones! Flesh and Bones!«, skandierte die Menge erneut.

»Legt alles von Wert ab und ihr kommt vielleicht mit dem Leben davon«, drohte Justin nun ganz offen. Er grinste abermals. »Aber garantieren kann ich das natürlich nicht.«

Michael baute sich vor dem Mann auf. »Du begehst einen großen Fehler.« Er klopfte sich mit dem Daumen der rechten Hand gegen den Brustkorb. »Ich bin der düstere Michael. Die Flesh and Bones gehören mir. Auf ewig. Und es ist mir völlig gleich, wer denkt, euch im Augenblick zu führen. Bring uns zu eurem Boss und ich überlege mir, ob du – und er – unter Umständen am Leben bleiben.«

Ein Raunen ging durch die Menge. Justin zog beide Augenbrauen nach oben. »Der düstere Michael ist schon lange fort. Fischköpfe haben ihn sich geholt. Der ist vermutlich seit Jahren tot. Oder er wünscht sich, es zu sein.« Justins Lippen teilten sich zu einem gehässigen Grinsen. Dabei entblößte er zwei Reihen gelber, fleckiger Zähne. »Kommt drauf an, was die Fischköpfe mit ihren Gefangenen anstellen.«

Michael blieb felsenfest. Nur eine Sekunde der Schwäche, und die Konfrontation würde in Gewalt ausarten. Er hatte keinerlei Zweifel daran, dass sie diese bunt zusammengewürfelte Gruppe zerlumpter Bandenmitglieder würden besiegen können, aber er hegte nicht den Wunsch, einen von ihnen zu töten. Mal ganz davon abgesehen, dass sie ihrem Ziel dadurch keinen Millimeter näher kamen.

In seinem Trommelfell knackte es, als das implantierte Kommgerät einen Kanal öffnete. »Team Alpha in Position«, meldete sich der Anführer ihrer Eskorte mit konzentrierter Stimme. »Bereit, auf ihren Befehl hin einzugreifen.«

Michael und Fabian wechselten einen kurzen Blick. Der andere Rebellenoffizier hatte die Meldung mit angehört. Michael nickte ihm zu und dieser öffnete eine Zwei-Wege-Verbindung. »Nicht eingreifen. Auf Anweisung warten. Stand by.«

»Hey, mit wem redet ihr da?«, verlangte Justin zu wissen. Der Kerl hatte verdammt gute Ohren.

»Du wirst uns jetzt zu deinem Boss bringen.« Michael trat dem Anführer der Gruppe provokant entgegen, ohne dessen Frage zu beantworten.

Justin streckte die Hand aus und deutete mit dem Zeigefinger auf sein Gegenüber. »Du gibst mir keine Befehle.«

Michael gab sich gar nicht erst mit einer Erwiderung ab. Er hatte sich schon immer durch körperliche Kraft und Gewandtheit ausgezeichnet. Doch aufgrund seiner Blutläuferausbildung verfügte er über gesteigerte Reflexe und enorme Muskeln. Der Elitesoldat überbrückte die Distanz zu dem Bandenanführer mit einem letzten Satz. Mit einer Hand schlug er dessen selbst gebastelte Axt zur Seite. Sie entglitt den Fingern des Mannes und landete irgendwo hinter ihm auf dem Asphalt. Michael holte mit seinem rechten Arm aus. Er hielt sich absichtlich zurück, denn er wollte Justin keinen dauerhaften Schaden zufügen.

Es genügte aber ein leichter Schwinger, um das Bandenmitglied in hohem Bogen durch die Luft fliegen zu lassen. Justin landete auf der Motorhaube eines Schrottautos und durchbrach dabei klirrend die Windschutzscheibe.

Beim Laut, den der Aufprall des Mannes machte, zuckte selbst Michael erschrocken zusammen. Hinter sich hörte er Fabian die Luft einsaugen. »War das so geplant?«, wollte sein Kamerad wissen.

»Nicht wirklich«, erwiderte Michael, der sich auch sogleich der veränderten Stimmung bewusst wurde. Die Menschen ringsum schwiegen auf unangenehme Weise. Sie hoben drohend ihre Waffen.

»Die Sache gleitet uns aus den Fingern«, sprach Fabian aus, was Michael dachte.

Dieser seufzte. »Na schön. Dann also Plan B.« Mit einem Schlag auf die linke Brustseite aktivierte er seine Rüstung. Fabian folgte nur einen Sekundenbruchteil später. Die einzelnen Scheiben der Panzerung legte sich mit einem klar vernehmlichen Klack-Klack-Klack über den Körper der beiden Soldaten.

Michael aktivierte einen Kanal. »Team Alpha: Zugriff! Nur Warnschüsse. Tödliche Gewalt auf jeden Fall vermeiden.«

Der Teamführer antwortete nicht, aber im nächsten Moment brach die Hölle los. Die fünf versteckten Soldaten kamen aus der Deckung. Energieimpulse fauchten und zischten über die Köpfe der schockierten Bandenmitglieder hinweg. Deren Lust auf Streit zerbrach so schnell, wie er aufgekommen war.

Derartige Rüstungen und Waffen kannten die Banden der Erde nur von den Fischköpfen. Aus bitterer Erfahrung hatten die Menschen gelernt, das Auftauchen derartiger Soldaten zu fürchten. Die zerlumpte Bande verschwand zwischen den Trümmern wie ein aufgeschreckter Vogelschwarm.

Michael gab den Blutläufern mit einem Zeichen zu verstehen, das Feuer einzustellen. Er war erleichtert, dass es keine Toten gegeben hatte. Jeder Tropfen vergossenen Blutes hätte den weiteren Verlauf ihrer Mission gefährdet.

Michael und Fabian traten an das Fahrzeug, durch dessen Windschutzscheibe Justin gedonnert war. Dieser kam gerade wieder zu sich und sah sich sieben in Rüstungen gehüllten Blutläufern gegenüber. Sein Gesicht verlor von einer Sekunde zur nächsten alle Farbe.

»Und jetzt führst du uns zu deinem Boss«, verkündete Michael. Von Justin war kein Einwand mehr zu hören.

Blutläufer 2: Aufstand der Sklaven

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