Читать книгу Blutläufer 2: Aufstand der Sklaven - Stefan Burban - Страница 6

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Michael Anderson befand sich in einem der Hangars und beaufsichtigte die Reparaturarbeiten an dem erbeuteten Sturmkreuzer.

Der Hangar war in vier Ebenen unterteilt, auf denen an insgesamt neun Schiffen gearbeitet wurde. Der erst kürzlich ihrer Flotte hinzugefügte Sturmkreuzer war das schwerste Beuteschiff auf der Basis und entsprechend hoch war die Aufmerksamkeit, die man ihm zukommen ließ. Auf der Außenhülle sowie dem Innenleben wimmelte es nur so von Kexaxa, die ihrer Arbeit nachgingen.

Michael hasste die kleinen Wiesel. Warum er sie so verachtete, wusste er selbst nicht zu sagen. Vielleicht war es ihre pazifistische Grundeinstellung, die ihm missfiel. Oder auch nur die schlichte Tatsache, dass sie ohne Loyalitätsimplantat auskamen, weil sie im Traum nicht daran dachten, in den bewaffneten Widerstand zu gehen.

Natürlich wären sie alle ohne die Kexaxa immer noch versklavt. Übergelaufene Kexaxa kümmerten sich um die Instandhaltung der Technik und um die Reparatur der Schiffe, Waffen und Rüstungen. Das war alles richtig und niemand – auch kein Michael Anderson – zog dies auch nur für eine Sekunde in Zweifel. Ohne die Kexaxa und ihren Mut, sich im Verborgenen gegen die Rod’Or und die Ashrak zu stellen, gäbe es gar keine Rebellion. Und dennoch würden die Kexaxa niemals und unter keinen Umständen jemals zu den Waffen greifen. Das Kämpfen und Sterben überließen sie den Menschen, den Dys, den Samirad.

Das war der Grund, aus dem ihm die Kexaxa zutiefst suspekt waren.

Eine der kleinen Kreaturen watschelte auf ihren Stummelbeinen in charakteristischem Pinguingang an ihm vorbei. Das Wesen hantierte dabei mit einer Unmenge von Werkzeugen, die teilweise viel zu groß schienen für dessen kleine Hände. Als der Kexaxa Michael passierte, kam er kurzzeitig aus dem Tritt und verlor zwei seiner Utensilien, die prompt auf Michaels Fuß landeten.

Der Soldat spürte davon kaum etwas. Er ärgerte sich dennoch.

»Passt doch auf, du Tollpatsch!«, herrschte er den Kexaxa an und gab ihm einen leichten Tritt.

Das Wesen rutschte über den Boden, rappelte sich auf und schnatterte etwas Unverständliches in seiner piepsigen Sprache. Es war so leise, dass das Übersetzungsinsekt in Michaels Ohr die Worte nicht auffangen konnte. Er war aber überzeugt, es handelte sich um eine Beleidigung.

Mit einem großen Satz war er bei dem Techniker und gab diesem einen weiteren, diesmal wesentlich stärkeren Tritt. Der Kexaxa quiekte und rutschte über die Kante der Andockbucht. Er bekam gerade noch das Geländer zu fassen, wo er sich krampfhaft festhielt.

Die Hilferufe des Kexaxa machten seine Artgenossen auf die brenzlige Lage aufmerksam. Sie quietschten und schnatterten durcheinander, sodass es schwierig wurde, überhaupt ein paar Fetzen aufzufangen. Sie waren aber nicht glücklich, so viel war mal sicher.

Michael war versucht, den Techniker vollends in die Tiefe zu stoßen. Letztendlich kam er zur Vernunft und entschied sich dagegen.

Er trat ans Geländer, packte zu und holte den jammernden Kexaxa wieder auf sicheres Terrain. Dieser schwitzte aus sämtlichen Poren. Die Ausdünstungen erinnerten stark an Ammoniak. Michael rümpfte die Nase und hätte dem Kexaxa beinahe erneut einen Tritt gegeben.

Der kleine Außerirdische sah mit vorwurfsvollem Blick zu ihm auf, sagte aber keinen Ton. Schließlich packte er seine über den Boden verteilten Werkzeuge zusammen und setzte seinen Weg fort.

Michael sah ihm kopfschüttelnd hinterher. Selbst in einer solchen Situation weigerten sich die kleinen Kreaturen zu kämpfen. Diese Einstellung würde er nie verstehen.

Michael wandte sich um und verließ unter heftigem Geschnatter, in die sich einige Schmähungen mischten, den Hangar. Er hatte für geraume Zeit genug von diesen Wieseln und er wollte nicht das Risiko eingehen, doch noch eines von ihnen zu töten. Das hätte ihm nur Ärger mit Gareth eingebracht und darauf konnte er gut verzichten.

* * *

Gareths und Ris’rils Liebesspiel konnte man beim besten Willen nicht als zärtlich beschreiben. Es war mal wild, mal fordernd, aber zärtlich war es nie.

Gareth lag die meiste Zeit unten. Ris’ril wurde richtiggehend wütend, wenn er, weil ihm langsam der Rücken wehtat, mal zur Abwechslung obenauf sein wollte.

Liebe war bei ihrem Matratzensport nie im Spiel. Sie mochten sich. Sie respektierten sich sogar. Aber Liebe empfand keiner von beiden. Sie nahmen sich einfach vom jeweils anderen, was sie in diesem Moment brauchten. Nicht mehr und nicht weniger. In einem heiteren, gelösten Augenblick musste sich Gareth sogar eingestehen, dass es schwer war, jemanden zu lieben, der es als erotisch ansprechend verstand, regelmäßig Bisswunden auf seinem Körper zu hinterlassen. Wirklich auf seinem ganzen Körper. Er kannte nicht viele Samirad, aber wenn alle Frauen dieser Spezies so waren wie seine derzeitige Spielkameradin, dann wunderte es ihn kein bisschen, dass deren Männer ihre Heimatwelt Raktia nie verließen.

Nachdem sie fertig waren, lag Ris’ril in seinen Armen. Ihre Hand streichelte gelassen über seine Brust, während beide an die Decke seines Quartiers starrten.

»Erzähl mir von deiner Heimatwelt«, bat sie plötzlich.

Er schielte zu ihr hinüber. »Danach hast du mich noch nie gefragt. Warum jetzt?«

Sie lächelte selig. »Ich weiß kaum etwas von dem Ort, von dem du kommst. Wie heißt deine Heimatwelt noch mal?«

»Erde«, erwiderte er und spürte im selben Moment, wie er bei der Erwähnung ihres Namens fast ein wenig wehmütig wurde. Seit Jahren hatte er nicht mehr an die blau-grüne Kugel gedacht, von der er stammte.

»Und? Wie ist es dort?«

Er überlegte. »Es ist schwierig für mich, das in Worte zu kleiden. Als die Ashrak unsere Städte in Schutt und Asche legten, war ich noch sehr klein. Wir sind in den Ruinen aufgewachsen – ich und Heather …« Er stockte und spürte, wie ihm Tränen in die Augen schossen. Gareth unterdrückte sie standhaft.

Ris’ril fiel es trotzdem auf. »Du sprichst nie über sie.«

»Warum auch?«, reagierte er heftiger als beabsichtigt. Gareth bemühte sich, seine Fassung wiederzuerlangen. »Sie ist tot«, fuhr er ruhiger fort. »Worte bringen die Toten nicht zurück.«

»Nein, aber man erinnert sich an sie«, antwortete Ris’ril. »Auf meiner Heimatwelt ist es ein Zeichen von Ehre, über die Toten zu sprechen. Wir glauben, dass sie uns immer noch hören.«

Gareths Mundwinkel hoben sich ganz leicht. »Das ist schön. Ich wünschte, ich könnte daran glauben, dass sie auch mich hört.«

Ris’ril strich ihm erneut über die Brust. »Das tut sie. Da bin ich sicher.« Sie stupste ihn leicht an. »Und jetzt erzähl mir von deiner Heimatwelt.«

Gareths Gedanken verselbstständigten sich, als sich sein Verstand auf die Erde fokussierte. Ungewollt leuchtete ein Lächeln in seinem Gesicht auf. »Wir haben sehr unterschiedliche Klimazonen. Es ist im Prinzip alles vorhanden, von Eis und Schnee bis hin zu endlos erscheinenden Wüsten. Aber ich glaube, das Markanteste an unserer Welt sind die Ozeane. Siebzig Prozent der Erdfläche sind mit Wasser bedeckt.«

»Siebzig Prozent«, hauchte Ris’ril ehrfürchtig. »Das kann ich mir kaum vorstellen. Meine Heimatwelt ist eine einzige große Wüste. Ohne das Grundwasser, das in langen Flüssen unseren Untergrund durchfließt, hätte mein Volk es nie geschafft, sich aus dem Urschlamm zu erheben und zur dominanten Lebensform aufzusteigen.«

»Das Meer habe ich nur einmal gesehen. Während eines Urlaubs in Frankreich mit meinem Dad und meiner Mom. Später, während meiner Zeit in London, war es zu gefährlich, allzu ausgedehnte Wanderungen zu unternehmen. An jeder Ecke lauerte jemand, der einem alles wegnehmen wollte. Die Menschen töteten für eine einzelne Konservendose.« Gareth schnaubte. »Die Zustände werden jetzt eher noch schlimmer sein.«

»Wie groß ist denn eure Bevölkerung?«

Gareth runzelte die Stirn. »Vor dem Krieg? Zwischen neun und zehn Milliarden. Wir standen kurz davor, die Zehn-Milliarden-Grenze zu durchbrechen. Und jetzt? Ich wäre sehr überrascht, wenn es noch mehr als zwei Milliarden Menschen geben würde. Oder auch nur eine Milliarde. Ich glaube, wir stehen kurz vor der Ausrottung.«

Ris’ril schüttelte den Kopf. »Eine Bevölkerung, die in die Milliarden geht. Das ist unglaublich. Auf Raktia gibt es gerade einmal zweihundertfünzig Millionen von uns. Für eine größere Bevölkerung reichen die spärlichen Ressourcen gar nicht. Immer wenn wir auf einem guten Weg sind, kommt das Imperium und nimmt uns alles weg. Sie halten uns künstlich auf dieser Entwicklungsstufe.«

»Das überrascht mich nicht. Sie haben Angst vor euch. Ihr verfügt über herausragende, angeborene kämpferische Fähigkeiten. Das macht euch zur Bedrohung. Würden die Rod’Or sich eurer nicht als Krieger bedienen, hätten sie euer Volk vermutlich vor langer Zeit ausgelöscht. Nur um sicherzugehen, dass ihr niemals zur akuten Gefahr werdet.«

Sie lachte kurz auf. »Ich wüsste, was ich mit einer Bevölkerung von Milliarden anfangen würde.«

Er sah an sich herunter und musterte ihren Haarschopf. »Ach ja? Was denn?«

»Ich würde sie gegen die Ashrak führen und so lange kämpfen, bis die Rod’Or und ihre Speichellecker vor mir auf ihren Knien liegen.«

Gareth neigte leicht den Kopf zur Seite. »Netter Gedanke, aber die Menschen ticken anders. Ich war dort. Ich habe es erlebt. Besser noch: Ich habe es überlebt. Die Menschen sind Egoisten und nur aufs eigene Überleben fixiert. Die kann man gegen niemanden führen.«

»Vielleicht fehlt ihnen nur die richtige Motivation.« Ris’ril stupste ihn erneut in die Seite. Er beugte sich nach unten und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss.

Aber noch während sie sich gegenseitig heißmachten, fing sein Verstand an, auf Wanderschaft zu gehen. Er löste sich halb von ihr, während ihre Zunge noch in seinem Mund herumwühlte.

Sie zog sich verwundert von ihm zurück. »Was ist denn? Habe ich etwas falsch gemacht?«

Allein ihr Tonfall versprach bereits Schmerzen, falls er auch nur auf die Idee kam, diese Frage mit »Ja« zu beantworten.

»Ganz im Gegenteil.« Er sprang auf und zog sich notdürftig an. »Du bist ein Genie.«

Sie grinste träge und streckte sich. »Ja, das weiß ich. Aber nur mal aus Neugier: Was habe ich jetzt in der aktuellen Situation denn Geniales gesagt?«

»Erkläre ich dir unterwegs.« Er hob ihre Uniform auf und warf sie seiner Gespielin zu. »Zieh dich an. Wir müssen los.«

Ris’ril zog einen Schmollmund. Sie hätte jetzt wohl am liebsten etwas anderes gemacht, aber Gareths neu erwachter Enthusiasmus machte sie neugierig. Sie erhob sich grazil und zog ihre Kleidung über. Gareth aktivierte sein implantiertes Kommgerät.

»Fabian? Michael? Ludwig? Untray? Wir treffen uns sofort im unteren Besprechungstraum.«

Jeder der vier außer Michael bestätigte die Anweisung sofort. Nur dieser meldete sich mit einer verbalen Entgleisung. »Fick dich! Ich bin beschäftigt«, hallte es schwer keuchend über die Frequenz.

Gareth wusste sehr genau, womit der Blutläufer beschäftigt war. Der Offizier war eine Liaison mit einer anderen menschlichen Soldatin eingegangen. Das war inzwischen ein offenes Geheimnis. Gareth hatte keine Ahnung, wann der Mann zwischen all den Beleidigungen, den Streitereien und Antipathiebezeugungen für seine Umgebung die Zeit und Energie für eine sexuelle Beziehung aufbrachte.

»Das ist mir scheißegal. Ich brauche dich hier. Lös dich von ihr und dann komm zur Besprechung. Du wirst meine Idee nicht verpassen wollen.«

Michael antwortete nichts mehr. Gareth sah das als Zeichen der Zustimmung an. Gemeinsam mit Ris’ril begab er sich schnellstmöglich auf den fünf Ebenen unter ihnen befindliche Besprechungsraum. Als sie eintrafen, waren Fabian, Ludwig sowie Untray bereits vor Ort. Michael traf nur Sekunden später ein und war noch dabei, sich richtig anzuziehen. Gareth verkniff sich ein spöttisches Grinsen. Das war auch eine Möglichkeit, Coitus interruptus zu praktizieren.

Gareth sah sich unter seinen versammelten Offizieren um. Erwartungsvolle Blicke begegneten ihm. »Was fehlt uns dringend?«, begann er ohne Umschweife.

»Schiffe«, erwiderte Ludwig sofort.

Fabian schüttelte den Kopf. »Soldaten.«

Gareth richtete seinen Finger auf seinen Freund. »Ganz genau. Und die finden wir auf der Erde.«

Ludwig und Michael wechselten einen vielsagenden Blick und brachen in Gelächter aus. Die beiden Offiziere wandten sich von Lachkrämpfen geschüttelt ihrem Befehlshaber zu. Der Anfall an Heiterkeit ebbte allmählich ab, als ihnen bewusst wurde, dass ihr Anführer nicht mit einstimmte.

Fabian zog beide Augenbrauen hoch. »Das ist dein Ernst? Wirklich?«

»Du bist verrückt«, stimmte Michael zu, was an und für sich schon einer gewissen Komik nicht entbehrte. Normalerweise konnten er und Fabian sich nicht einmal auf die Farbe von Scheiße einigen.

»Wieso?«, wollte Gareth wissen. »Wieso ist das verrückt?«

»Na, zunächst mal gibt es keine Zentralregierung, mit der wir uns in Verbindung setzen und verhandeln können«, erklärte Ludwig. »Es gibt nicht einmal so etwas wie nationale Regierungen. Die Menschheit ist in Tausende von Splittergruppen zerbrochen, von denen jede einzelne nur darauf aus ist, die anderen zu übervorteilen.«

Gareth schüttelte den Kopf. »Das ist nicht ganz richtig. Sie sind nicht darauf aus, andere zu übervorteilen. Sie sind lediglich darauf aus zu überleben.«

Fabian zuckte die Achseln. »Auf der Erde kommt das aufs Gleiche raus.«

»Schon, aber nur deswegen, weil die Menschen bisher keine Alternative hatten.«

Michael runzelte ungläubig die Stirn. »Und das ist jetzt anders?«

Gareth nickte. »Allerdings. Sie haben jetzt uns.«

Ludwig neigte den Kopf zur Seite. »Sie wissen aber nichts von uns«, erwiderte er, als würde er mit einer besonders begriffsstutzigen Person reden.

Gareth ließ sich in seinem Eifer aber nicht bremsen. »Dann ändern wir das«, erklärte er in die Runde hinein. Ungläubige Blicke musterten ihn nach dieser Ankündigung.

»Sehe ich das richtig«, wollte Michael wissen, »du planst eine Expedition zur Erde? Um was zu tun?«

»Wir bilden dort eine Armee aus. Eine Untergrundarmee. Nachdem uns der Nachschub an befreiten Blutläufern verwehrt wurde, ist das die einzige Chance auf frische Truppen. Jedenfalls so lange, bis die Kexaxa eine andere Möglichkeit gefunden haben, unsere versklavten Brüder und Schwestern aus dem Joch der Rod’Or zu befreien.«

Fabian schüttelte unnachgiebig den Kopf. »Deine Idee besitzt einen gewissen Charme, das will ich gar nicht mal abstreiten. Aber die Menschen auf der Erde sind keine Soldaten. Das sind Wegelagerer, Banditen und solche, die sie ausnutzen. Die Menschheit teilt sich nur noch in zwei Kategorien: Opfer und Täter.«

»Dann müssen wir auch das ändern. Wir haben Waffen. Wir haben Rüstungen. Und wir haben auch eine Menge Nahrungsmittel, die wir zur Erde bringen können. Es ist nicht viel, was wir damit erreichen würden, aber es wäre auf jeden Fall mal ein Anfang.«

»Das ist zwecklos«, wehrte Michael ab. »Aus denen werden nie Blutläufer. Sie besitzen weder unsere Optimierungen noch unsere Indoktrination. Außerdem sind zu wenige übrig, um etwas Brauchbares auf die Beine zu stellen. Wie viele Menschen wird es noch geben? Eine Milliarde vielleicht?«

»Es gibt noch vier Komma drei Milliarden Menschen auf der Erde«, mischte sich Untray mit einem Mal ein.

Alle Augenpaare wandten sich ihm ungläubig zu. Die kleine Kreatur schrumpfte förmlich in sich zusammen, angesichts von derart viel ungewohnter Aufmerksamkeit. »Gemäß den aktuellsten imperialen Bevölkerungsstatistiken für die Erde«, erklärte der Kexaxa. »Die Ashrak planen anhand solcher Statistiken ihre Fischzüge. Kein Landstrich der Erde darf so weit entvölkert werden, dass sich die Population nicht mehr erholen kann. Das ist imperiales Gesetz. Die Rod’Or verlangen stetigen Nachschub an neuen Truppen. Das funktioniert aber nur, wenn die Bevölkerung einer Welt nicht gänzlich ausgerottet und in imperialen Dienst gezwungen wird. Die Sklavenvölker müssen die Gelegenheit erhalten, sich wieder zu erholen. Nur auf diese Weise wird steter Nachschub für die imperiale Militärmaschinerie generiert.«

»Mehr als vier Milliarden Menschen«, sinnierte Gareth vor sich hin. »Ich hätte nicht gedacht, dass noch so viele übrig sind.«

»Es bedeutet trotzdem, dass die Hälfte der Menschheit tot ist«, erinnerte Fabian.

»Oder in den Dienst des Imperiums gepresst wurde«, ergänzte Untray.

»Und aus dem Rest werden niemals brauchbare Blutläufer«, beharrte Michael.

»Dass wir aus ihnen Blutläufer machen, das verlange ich ja gar nicht. Aber Soldaten. Das können wir schaffen. Wir formieren unsere eigene Armee, direkt unter der Nase der Ashrak.«

»Da hätten wir dann das nächste Problem«, gab Fabian zu bedenken. »Zur Erde zu kommen, wird nicht einfach. Das System ist ein wichtiges Nachschubreservoir für die imperialen Streitkräfte. Es ist gut gesichert. Und gemäß den neuesten Geheimdienstberichten hat das Imperium seine Taktik bezüglich der Erde geändert. Die Ashrak unterhalten dort jetzt mehrere Basen auf der Oberfläche. Gut möglich, dass es sich dabei um eine direkte Reaktion auf unseren Aufstand handelt. Man will kein Risiko mehr eingehen. Ganz zu schweigen von dem Stützpunkt auf dem Mond, der den Verkehr von oder zur Erde regelt und überwacht. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, wird das System sicher von Patrouillen nur so wimmeln. Wie willst du ohne Kampf überhaupt auf die Oberfläche gelangen?«

»Ich überhaupt nicht«, schmunzelte Gareth und deutete mit dem Daumen auf einen der Anwesenden. »Aber er.«

Michael erstarrte auf der Stelle. »Das ist jetzt wohl ein Witz?!«, presste er mühsam hervor.

»Ganz und gar nicht. Die Flesh and Bones sind die größte Straßengang in Südengland. Sie sind gefährlich und haben Zugriff auf eine große Anzahl wehrfähiger Männer und Frauen. Ich finde, mit ihnen anzufangen, ist ein ganz guter Plan.«

»Und du denkst, ich könnte sie mobilisieren? Ich bin seit gut einem Standardjahrzehnt nicht mehr dort gewesen. Sogar mehr nach irdischer Zeitrechnung. Die meisten werden mich vermutlich gar nicht mehr kennen.«

Gareth schüttelte energisch den Kopf. »Du bist der Beste für diese Aufgabe. Ich könnte mir niemand anderen vorstellen.« Gareth trat vor den Blutläufer und packte ihn fest bei den Schultern. Er fixierte ihn mit seinem Blick. »Kehre zur Erde zurück und beschaffe mir eine Armee.«

In Michaels Gesicht arbeitete es fieberhaft. Schließlich wandte er den Blick ab, richtete sich auf und lockerte die Muskeln in seinen Schultern. »Dann gehe ich wohl besser packen.«

Zufrieden entfernte sich Gareth etwas von dem Mann. »Du nimmst ein paar Schiffe und ein paar Tausend unserer Leute mit. Du wirst Hilfe dabei brauchen, eine militärische Infrastruktur aufzubauen.« Sein Blick senkte sich, als sich Gareths Augenmerk auf Untray richtete. »Welches ist die Präfekturhauptwelt, in der sich die Erde befindet?«

»Estagar«, antwortete der kleine Kexaxa sofort.

Gareth nickte. »Nimm Verbindung zu deinen Kontaktleuten dort auf. Wir brauchen die derzeit gültigen Codes, um das Solsystem anfliegen zu können. Ich will nicht, dass unsere Schiffe sofort nach der Ankunft in ein Gefecht verwickelt werden.«

Untray nickte, wirkte über die Anweisung aber nicht besonders glücklich. Gareth runzelte die Stirn. »Ist was?«

Untray sah auf. »In den letzten Monaten wurden Tausende meines Volkes exekutiert. Aus Rache über unsere Hilfe beim Aufstand auf Draimina. Ich befürchte, wenn wir das für euch tun, werden weitere Kexaxa erwischt, wo sie nichts zu suchen haben, und einfach getötet.«

Gareth presste die Lippen aufeinander, bevor er antwortete. »Ich will dich und die Deinen nicht dazu zwingen. Ihr habt schon genug getan. Ohne euch wären wir nicht frei.«

Untray dachte angestrengt über die Worte nach und stieß dann einen tiefen Seufzer aus. »Wir haben uns für einen Weg entschieden und den müssen wir nun bis zum Ende gehen. Wir werden tun, was du verlangst.«

Gareth nickte. Es war nicht gerade eine enthusiastische Zustimmung, aber vermutlich konnte er unter den gegebenen Umständen nicht mehr erwarten.

Sein Blick richtete sich erneut auf Michael und der Blutläufer verstand diesen als Aufforderung. Er lächelte schief. »Dann gehe ich jetzt meine Vorbereitungen treffen.« Der Blutläuferoffizier verließ zügig den Besprechungsraum. Die anderen sahen ihm mit einer Mischung aus Hoffnung und Skepsis hinterher.

»Soll ich nicht lieber mit ihm gehen? Er wird jemanden brauchen, der ihn zuweilen unter Kontrolle hält.« Ris’ril wirkte entschlossen, Michael zur Erde zu begleiten.

»Nein, dich brauche ich hier«, erwiderte Gareth, während sein Blick immer noch auf die Tür gerichtet blieb, durch die Michael gerade verschwunden war.

»Und wir alle wissen, wofür«, grinste Ludwig.

Gareth wandte den Blick von der Tür ab und bedachte seinen Freund mit einer strafenden Mimik. Dieser verkniff sich nur mit Mühe weiteres Feixen.

Gareth zog eine Augenbraue hoch. »Ihr beide werdet mitgehen.« Fabian und Ludwig erstarrten beide fast gleichzeitig. »Ris’ril hat recht. Jemand muss Michaels Zügel in der Hand halten, sonst gehen vermutlich die Pferde mit ihm durch.« Gareth hob mahnend den Zeigefinger. »Geht mit Bedacht vor und bleibt unter dem Radar. Wir können uns keine Konfrontation auf der Erde leisten, bis wir so weit sind zuzuschlagen.«

Ludwig nickte. Sein Gesicht aber hellte sich schlagartig auf. Was dahintersteckte, war kein Geheimnis. Bei Ludwigs Verschleppung hatte er den Kontakt zu seiner Familie verloren. Gareth hatte den Mann nicht ohne Grund ausgewählt. Die Rückkehr zur Erde bot diesem die besten Chancen, eine Spur zu seinen Leuten zu finden. Jeder verdiente es, den Verbleib seiner Lieben zu kennen. Auch wenn die Informationen, die Ludwig unter Umständen finden würde, nicht die waren, die er sich vielleicht erhoffte.

Fabian war allerdings von der Aussicht, diese Operation gemeinsam mit Michael durchführen zu müssen, nicht angetan. Die beiden mochten sich nicht besonders. Was das betraf, konnte niemand Michael wirklich leiden. Der Offizier sagte jedoch nichts dazu. Der Profi in ihm nahm die Aufgabe mit der gebührenden Ernsthaftigkeit an – auch wenn er ein Naserümpfen nicht verbergen konnte.

»Und wie sehen unsere Befugnisse aus, falls er aus der Reihe tanzt?«, wollte er wissen.

Ris’ril und Ludwig drehten sich in verschiedene Richtungen, als könnten sie die Anweisung, die Fabian nun erhielt, irgendwie ausblenden. Sie kannten Michael und wussten aber, dass sie absolut notwendig war.

Gareth erwiderte nichts, sondern blickte Fabian lediglich tief in die Augen. Fabian verzog die Miene. »Verstanden«, antwortete er.

Blutläufer 2: Aufstand der Sklaven

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