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Die Aurora fiel am Rand des Solsystems aus dem Normalraum. Ihr folgten in kurzen Abständen die beiden Angriffskreuzer Hermes und Hera, die Schweren Kreuzer Karthago und Ostia sowie die mittelschwere Abfangkorvette Scipio Africanus. Allesamt stammten die Schiffe aus dem Bestand der Ashrak. Daher würde sich äußerlich keinerlei Rückschlüsse auf ihre Zugehörigkeit ableiten lassen. Das bereitete Michael auch die geringsten Sorgen.

Der Blutläuferoffizier stellte seinen unruhigen Spaziergang ein. Seit Stunden wanderte er auf der Brücke auf und ab. Er war sich dabei der vorsichtigen Blicke seiner Brückenbesatzung durchaus bewusst. Immer wieder rief er sich in Erinnerung, dass er Stärke und Vertrauen ausstrahlen musste. Das würde sich zwangsläufig auf seine Leute übertragen.

»Verdammt!«, murmelte er. »Bei Gareth sieht es immer so einfach aus.«

Fabian wandte sich ihm zu. »Hast du was gesagt?«

»Was?« Fabians Einwand riss ihn unsanft aus seinen Gedanken. Er schüttelte leicht den Kopf. »Nein, nichts weiter. Hab nur laut gedacht.«

Fabian erwiderte nichts, doch seine Mimik drückte genug aus. Er war keineswegs überzeugt, dass Michael alles im Griff hatte.

Dieser räusperte sich. »Christian? Welches ist das nächste stellare Objekt?«

Der Navigator im Vortex benötigte nicht mal eine Sekunde für die entsprechende Antwort. Die Sensoren liefen direkt über seine Implantate und versorgten ihn in Echtzeit mit allen notwendigen Informationen. »Direkt voraus ist der Uranus«, informierte er. »Keine Patrouillen in Sicht. Aber wir dürften innerhalb der nächsten Minuten auf ihren Sensoren erscheinen.«

Michael nickte angestrengt. Der mehr als drei Monate währende Flug zum Solsystem hatte alle an die Grenzen des Belastbaren geführt. Jetzt wollte er eigentlich nichts mehr als wieder festen Boden unter den Füßen spüren und richtige Luft atmen.

Aber unnötige Eile brachte den Tod. Er bezwang seine Ungeduld und ließ sich die taktische Lage durch den Kopf gehen.

Hinter ihm öffnete sich zischend die Tür zur Brücke. Er sah sich halb über die Schulter um. Ibitray, der auf dieser Mission ranghöchste Kexaxa, watschelte herein. Michael verzog die Miene. Es war eine herbe Überraschung gewesen, dass ausgerechnet der Kexaxa, den er im Hangar der Bounty-Basis fast getötet hätte, sie auf dieser Mission begleiten sollte.

Er wandte sich wieder dem zentralen Brückenfenster zu. »Ich hoffe, die Codes funktionieren«, hielt er dem Kexaxa vor, ohne diesen anzusehen.

»Es sind dreiundvierzig Mitglieder meines Volkes gestorben, damit wir diese Informationen erhalten«, erwiderte der Kexaxa ungerührt. »Die Codes sind akkurat und aktuell.«

»Das will ich schwer hoffen«, erwiderte Michael und konnte nicht verhindern, dass sich ein gereizter Unterton in seine Stimme schlich. Er seufzte tief. »Na schön. Versuchen wir es.« Lauter sagte er: »Christian? Bring uns rein? Die anderen Schiffe sollen uns folgen. Standard-Ashrakformation in Friedenszeiten.«

Der Navigator erwiderte nichts, aber die Aurora nahm Fahrt auf. Die fünf nachfolgenden Schiffe formierten sich in der befohlenen Weise. Die beiden Angriffskreuzer flogen im Gänsemarsch direkt hinter der Aurora, die Schweren Kreuzer bezogen unterhalb respektive oberhalb des Schlachtschiffes ihre Position und die mittelschwere Abfangkorvette bildete das Schlusslicht.

Die Erde befand sich weitab sämtlicher Kämpfe, daher hatte sich Michael mit voller Intention für eine Formation entschieden, die nach Ashrakart ihre friedlichen Absichten demonstrierte. Andernfalls wäre die örtliche Garnison auch sofort alarmiert gewesen und hätte in ihnen eine Bedrohung gesehen. Die Fischköpfe waren in früheren Zeiten selbst eine Beutespezies gewesen und die Verhaltensmuster aus jener Ära waren noch immer tief in ihrer DNS verwurzelt.

»Wir werden angepingt«, informierte Christian.

Michael war von einer Sekunde zur anderen angespannt. Er wechselte mit Fabian einen vielsagenden Blick, bevor er sich erneut auf die Sterne voraus konzentrierte. »Jetzt gilt es also. Code übermitteln.«

Das Rod’Or-Imperium war viel zu ausgedehnt, um wirklich überall in gleicher Weise militärisch präsent zu sein. Daher überließen sie es auch bei wichtigen Systemen oftmals einem autonom operierenden Sensornetz, Neuankömmlinge zu identifizieren und auf ihr Bedrohungspotenzial hin einzuschätzen. Erst falls es sich tatsächlich um Angreifer handelte, kamen Ashrakverbände zum Einsatz, um den Eindringling zu stellen und auszuschalten.

»Code wird übermittelt«, meinte Christian mit geistesabwesender Stimme.

Michael beugte sich leicht zur Seite. »Nur mal so aus Neugier, was sagt der Code über uns?«

»Wir sind ein Nachschubkonvoi für den Kontinent, den ihr Nordamerika nennt. Das sollte sie eigentlich zufriedenstellen.«

Fabian warf dem Kexaxa einen unschlüssigen Blick zu. »Und wenn wir dort nie auftauchen? Wie werden sie reagieren?«

»Sie werden Schiffe aussenden, um uns zu suchen«, entgegnete Michael an Ibitrays Stelle. »Aber das wird kein Problem sein. Dafür habe ich bereits einen Plan.«

Fabian zog eine Augenbraue hoch. »Einen guten Plan?«

Michael schmunzelte. »Wenn er funktioniert ja, wenn nicht … dann nicht.«

»Sehr geistreich«, kommentierte Fabian.

Die Offiziere warteten angespannt. Nach einigen Minuten sprach Michael den Navigator erneut an: »Christian?«

»Sie prüfen noch den Code«, meinte dieser.

Michael warf dem Kexaxa neben sich einen düsteren Blick zu. »Ist es üblich, dass es so lange dauert?«

»Eigentlich nicht«, antwortete dieser. »Falls es nicht gelingt, sollten wir uns schon mal darauf einrichten, hier so schnell wie möglich wieder zu verschwinden.«

»Davon will ich nichts hören«, entgegnete Michael. »Ein Misserfolg ist keine Option.«

»Wenn das Leben nur immer derart einfach wäre …«, gab Fabian zurück.

Michael fiel auf, dass sein Offizierskollege angestrengt die Hände an den Seiten zu Fäusten ballte. Die Anspannung auf der Brücke der Aurora war beinahe körperlich greifbar. Michael war sich sicher, sie schneiden zu können, wenn er nur ein Messer zur Hand gehabt hätte.

»Da stimmt doch was nicht«, wisperte Fabian.

»Nur die Ruhe«, ermahnte Michael. »Nur die Ruhe.«

Plötzlich meldete sich Christian zu Wort. »Erlaubnis zum Weiterflug erteilt.«

Die Männer und Frauen auf der Brücke des Schlachtschiffes atmeten kollektiv auf. Michael hatte gar nicht gemerkt, dass er die Luft überhaupt angehalten hatte.

»Christian? Bring uns zur Erde.«

»Mit Vergnügen«, entgegnete der Navigator. Sogar er hörte sich erleichtert an und dabei war Michael immer der Meinung gewesen, diese Typen besäßen kaum etwas, das man als normale Emotion bezeichnen konnte.

Die Flottille setzte ihren Weg unter normaler Reisegeschwindigkeit fort. Es wurde auf der Brücke kaum gesprochen, und wenn, dann lediglich im Flüsterton. Jeder der anwesenden Blutläufer hatte das unangenehme Gefühl, die Ashrak würden über ihre Schultern sehen.

Michael hätte sonst etwas dafür gegeben, schneller fliegen zu dürfen, aber jedes von der Norm abweichende Verhalten hätte das Misstrauen ihrer Gegner erregt. Christian blendete auf einem Schirm neben der Kommandostation eine Sensorabtastung der näheren Umgebung ein. Michael hob den Kopf. Eine feindliche Patrouille kam unangenehm dicht an ihnen vorbei. Sie kreuzte ihren Kurs in weniger als fünfhundert Kilometern.

In diesem Moment gingen dem Rebellenoffizier unheimlich viele Gedanken durch den Kopf: Hatten sie sich irgendwie doch verraten? Hatten sie alle Markierungen und Zeichnungen auf der Außenhülle der Schiffe entfernt, die sie nicht als zur imperialen Flotte zugehörig kennzeichneten? Hatten sie womöglich irgendetwas vergessen, was einem Ashrakoffizier zwangsläufig ins Auge springen musste?

Sein Hirn dampfte fast vor Anstrengung, als er die Flugbahn der feindlichen Schiffe mit den Augen verfolgte. Es handelte sich lediglich um drei kleine Patrouillenkreuzer. Die Aurora wäre schon allein problemlos mit ihnen fertiggeworden. Aber wo die herkamen, da waren noch mehr. Würden sie entdeckt, kämen sie kaum mit dem Leben aus dem Solsystem heraus.

Die Patrouille flog aber vorüber, ohne innezuhalten. Sie sendeten lediglich einen kurzen Gruß in einem Ashrakcode, den ihr Navigator in ebensolcher Weise erwiderte. Michael atmete hörbar auf. Es war kein Nachteil, wenn man einen von den Kerlen an Bord hatte. Sie kannten sich mit den Gepflogenheiten der Fischköpfe aus und waren in der Lage, schneller und effizienter darauf zu reagieren, als es jedem anderen – selbst mit Computerunterstützung und mithilfe von Übersetzungsprotokollen – möglich gewesen wäre.

Sie setzten den Flug ungehindert fort. Zwei weitere Male kreuzten feindliche Patrouillen ihren Weg, aber sie wurden nicht behindert.

»Jupiter kommt jetzt in Ortungsreichweite«, informierte Christian ihn über das implantierte Kommgerät.

Michael zuckte die Achseln. »Ja und? Flieg einfach vorbei.«

»Das solltest du dir aber besser ansehen.«

Christians warnender Unterton ließ Michael aufhorchen. Er überlegte kurz und nickte schließlich. »Na schön. Zeig es mir.«

Ein Hologramm baute sich direkt vor ihm auf. Es war fast genauso groß wie er selbst und rotierte langsam vor seiner muskulösen Gestalt. Michael kniff die Augen zusammen, während Fabian näher trat.

»Das ist in der Tat neu.«

»Das war bei unserer Abreise noch nicht da«, stimmte Fabian ihm zu.

Michael erhob seine Stimme: »Christian? Was genau sehen wir uns da an? Bitte detaillierte Erklärung.«

»Die Jupitermonde Io, Europa, Ganymed und Kallisto wurden zu einer Verteidigungslinie zusammengefasst. Ich orte im direkten Umkreis des Jupiters und insbesondere der vier Monde etwa zweihundert Kriegsschiffe des Rod’Or-Imperiums.«

»Und innerhalb des Verteidigungsparameters?«, verlangte Fabian zu wissen.

Christian zögerte mehrere Sekunden, eine für seine Verhältnisse ungewohnt lange Wartezeit. »Meine Sensoren sind nicht in der Lage, den äußeren Verteidigungsring zu durchdringen. Starke Störsender blocken alles ab. Ich wage es nicht, aggressivere Abtastungen vorzunehmen. Die Ashrak würden es bemerken.«

»Aber es gibt einen inneren Verteidigungsring?«, hakte Fabian noch einmal nach.

»Ohne jeden Zweifel«, erwiderte der Navigator. »So viel kann ich feststellen. Ich weiß nicht, was sich dort drin befindet, aber es handelt sich um massive Strukturen.«

»Na toll«, kommentierte Michael. »Das Solsystem ist jetzt ein militärisches Aufmarschgebiet.«

Fabian runzelte die Stirn. »Das glaube ich nicht. Es würde keinen Sinn ergeben. Wir sind hier weitab von jeder Front. Hier ein Aufmarschgebiet einzurichten, wäre einfach nur strohdumm, und wenn die Ashrak eines nicht sind, dann ineffizient. Hier geht was anderes vor.«

Michael warf ihm einen schrägen Seitenblick zu. »Hast du auch eine Ahnung, was?«

Fabian schüttelte leicht den Kopf. »Mir kommt es vor, als würden die Ashrak nicht wollen, dass jemand sieht, was sie am Jupiter treiben.«

Michael schnalzte mit der Zunge. »Der Jupiter ist eine wertlose Gaswolke. Völlig uninteressant.«

Fabian sah zu ihm auf. »Die Ashrak würden keinen solchen Aufwand betreiben, wenn sie das genauso sehen würden.«

»Eines ist jedenfalls sicher: Eine Flottenbasis in direkter Nachbarschaft macht unsere Aufgabe nicht gerade leichter.«

»Nein«, stimmte Fabian ihm zu. »Aber wir haben auch nicht vor, hier einen Krieg anzufangen.«

»Noch nicht«, verbesserte Michael. Die beiden wechselten einen langen Blick.

Fabian nickte unmerklich. »Ja, noch nicht.«

Den Rest des Weges setzten sie in brütendem Schweigen fort. Sie passierten den Mars sowie den Erdmond. Je näher sie der Erde kamen, desto spärlicher wurde der Schiffsverkehr. Die Aktivitäten des imperialen Militärs schienen sich wirklich hauptsächlich im Umfeld um den Jupiter zu konzentrieren.

Als sie sich der Erde näherten, begegneten ihnen zwei Ernteschiffe, die auf dem Weg zu einem der Hyperraumkatapulte im äußeren System waren. Als sie Michaels Einheiten passierten, wechselten viele der Blutläufer auf der Brücke betretene Blicke. Bei einigen mochte es Jahre her sein, bei anderen Jahrzehnte, aber die Eindrücke von der Zeit im Frachtraum eines solchen Schiffes waren bei allen Blutläufern noch allzu präsent.

Michael bemerkte, wie Fabians Kiefermuskeln angespannt mahlten. Er nickte gepresst. »Ja, ich würde die Schiffe jetzt auch am liebsten entern, aber wir können für die armen Schweine nichts tun. Gar nichts.«

Fabian nickte und richtete sein Augenmerk auf die blau-weiße Kugel voraus. »Vielleicht solltest du mir nun deinen genialen Plan erklären, wie wir unbemerkt landen sollen. Wir befinden uns ständig auf ihren Scannern.«

»Ich habe nie gesagt, dass der Plan genial ist«, versetzte Michael. Er seufzte. »Formation enger zusammennehmen beim Wiedereintritt.«

Fabian hob eine Augenbraue. »Das ist verdammt gefährlich bei einem solchen Manöver. Dabei kommt es oft zu Unfällen.«

»Genau darauf baue ich. Wir nähern uns dem nordamerikanischen Kontinent über dem Pazifik. Sobald wir die Atmosphäre durchstoßen, haben sie uns für wenige Sekunden nicht auf ihren Sensoren. Das nutzen wir.«

»Inwiefern?«

»Wir senden ein Notsignal, dann feuern wir eine Salve Torpedos ins Meer und tauchen direkt in die Explosion hinein.«

Fabian stutzte. »Du meinst, wir fliegen in den Ozean hinein?«

Michael nickte. »Gleichzeitig stoßen wir unseren gesamten Müll aus und tauchen mit den Schiffen in den Marianengraben hinab. Das ist der tiefste Punkt des Ozeans. Wenn ein Rettungsteam eintrifft, dann finden sie nur noch überall Trümmer vor und denken, es hätte einen Unfall gegeben, der zum Verlust aller sechs Schiffe geführt hat.«

»Und du denkst, das funktioniert?«, zweifelte Fabian.

»Für Alternativen habe ich ein offenes Ohr«, gab Michael leichthin zurück in dem Wissen, dass Fabian auch nichts Besseres einfallen würde.

Dieser machte eine verkniffene Miene. »Wenn das nicht funktioniert, sind wir tot.«

»Sind wir ohnehin, wenn wir nicht unentdeckt auf der Erde landen können.«

»Auch wieder richtig.«

Die Schiffe näherten sich der Erdatmosphäre weiter an. Weniger als fünftausend Kilometer von der Umlaufbahn entfernt, wurden sie erneut gerufen.

»Man weist uns Anflugkoordinaten zu«, ließ Christian verlauten.

»Sind sie in der Nähe der Anflugschneise, die wir benötigen?«

»Fast. Wir müssen nur um wenige Kilometer abweichen. Das könnte als Berechnungsfehler durchgehen.«

Michael atmete tief durch. »Dann hoffen wir mal das Beste.« Er kreuzte unbemerkt die Finger. »Christian? Du kannst loslegen. Koordiniere dich mit den anderen Navigatoren.«

»Verstanden.«

Die Stimme des Navigators klang zu diesem Zeitpunkt bereits hoch konzentriert. Michael entschloss sich, ihn nicht mehr anzusprechen. Der Mann hatte jetzt weiß Gott genug um die Ohren.

Als hätte der Navigator seine Gedanken gelesen, baute sich erneut ein Hologramm vor ihm auf. Darauf ließ sich der gesamte Verlauf des Anflugs genau verfolgen. Die sechs blinkenden grünen Punkte, die Michaels Einheiten darstellten, zogen ihre Formation merklich enger zusammen.

Michaels Körper spannte sich unwillkürlich an. Seine vorigen Worte waren nicht nur so dahergesagt gewesen. Bei derartigen Manövern hatte das Imperium in der Vergangenheit bereits des Öfteren Schiffe verloren. Gut möglich, dass ihr Ablenkungsmanöver am Ende tatsächlich in einer Katastrophe mündete.

»Eine der Bodenstationen ruft uns«, war Christians Stimme plötzlich zu hören. »Sie warnen uns, wir sollen die Formation wieder auseinanderziehen.«

»Ignorieren«, befahl Michael.

Die sechs Schiffe drangen in die oberen Atmosphärenschichten ein, verloren dann schnell an Höhe. Die Reibungshitze verursachte eine Feuerwolke, die wie ein Mantel die sechs Kampfraumer umgab. Die Panzerung der Rebelleneinheiten leuchtete karmesinrot auf, als sie sich abmühte, dem enormen Druck standzuhalten.

Der Boden unter Michaels Füßen vibrierte besorgniserregend. Er verlagerte unmerklich das Gewicht. Es kostete ihn alle Kraft vorzugeben, es wäre das Leichteste von der Welt. Aber er wollte seine Leute nicht zusätzlich beunruhigen, sondern vielmehr Gelassenheit ausstrahlen.

»Wir sind fast durch«, meinte Christian. Und tatsächlich löste sich die Feuerwolke langsam auf. Das Blau des Ozeans tief unter ihnen schimmerte bereits hindurch.

Michael nickte. »Dann wird es Zeit. Christian? Notsignal absetzen. Waffenoffiziere? Feuer auf mein Kommando.«

Michael bekam nichts davon mit, dass Christian Verbindung mit der zuständigen Bodenstation aufnahm. Der Navigator meldete sich mit einem Mal wieder. »Erledigt.«

Michael verzog die Miene zu einer Grimasse. »Feuer!«

Die sechs Schiffe setzten eine volle Salve Torpedos auf ihre Flugbahn voraus. Die Geschosse waren so programmiert, dass sie knapp über der Wasseroberfläche detonierten. Die Aurora erzitterte erneut ganz leicht, als die Torpedos ihre Rohre verließen.

Die Flottille stieß aus der Feuerwolke des Atmosphäreneintritts und tauchte nur Sekunden später in die Explosionswolke des Torpedoangriffs ein.

»Abbremsen! Geschwindigkeit auf nahezu null senken.« Michaels gehetzt klingende Stimme hallte über die Brücke.

Der Blutläuferoffizier sog unwillkürlich die Luft ein, als die Aurora in die tosenden Fluten eintauchte. Die Relativgeschwindigkeit wurde auf null gesetzt und die Masseträgheit sorgte dafür, dass die Schiffe in die schwarzen Tiefen des Pazifiks hinabtauchten. Gleichzeitig öffneten alle sechs Schiffe die Heckluken, durch die sie normalerweise den Müll entsorgten. Ein Schwall von Unrat und Panzerungsbruchstücken verließ die Einheiten und vieles davon trieb an die Oberfläche. Alles war vorher fein säuberlich bearbeitet worden und wies unter anderem Brandspuren wie durch eine Explosion verursacht auf.

»Marianengraben direkt voraus«, informierte Christian die Brückenbesatzung.

»Bring uns rein. Vorsichtig manövrieren. Wir haben dort unten nicht viel Platz. Wir werden so tief sinken wie nur möglich und dort warten wir ein paar Tage, bis die Bergungs- und Suchoperationen beendet sind. Wenn sie nichts mehr von uns finden, dann nehmen sie an, unsere Schiffe sind auseinandergebrochen.«

»Das hoffst du«, hielt ihm Fabian dagegen.

Michael schenkte ihm einen schrägen Seitenblick. »Noch mal: Für bessere Vorschläge bin ich jederzeit zu haben.«

Fabian machte ein verkniffenes Gesicht, schwieg aber. Die sechs Kriegsschiffe sanken immer tiefer. Die Geschwindigkeit war nun nahezu null. Lediglich die Manövriertriebwerke wurden hin und wieder aktiviert, um den Kurs zu korrigieren.

Fabian sah sich missmutig um. »Werden wir dem Druck hier unten standhalten?«

Michael zuckte die Achseln, während am zentralen Brückenfenster allerhand Meerestiere inklusive einer Buckelwalfamilie vorüberzogen. »Sollten wir eigentlich. Ashrakschiffe werden immerhin unter Wasser gebaut und treten auch ihren Dienst unter Wasser an, bis sie zum ersten Mal starten. Das dürfte eigentlich kein Problem sein.«

Fabian nickte nachdenklich. »Dir ist schon klar, dass wir im falschen Ozean sind. Oder?«

Michael seufzte ein wenig genervt. »Eines nach dem anderen. Sobald es ungefährlich ist, setzen wir unseren Weg unter Wasser fort und steuern den Atlantik an.«

»Und dann?«, wollte Fabian wissen.

Michaels Gesicht zeigte mit einem Mal ein ungewohntes Lächeln. »Und dann … heißt der nächste Stopp für mich Heimat.«

* * *

Einsfünf war darauf trainiert, Geduld zu beweisen. Der Krieg bestand in der Regel aus langen, ewig erscheinenden Phasen der Stagnation, unterbrochen von nur wenigen Augenblicken hektischer Aktivität.

Aber zuweilen, musste der Paladin zugeben, konnte es durchaus an den Nerven zehren, auf ein bestimmtes Ereignis zu warten.

Der Auftrag, mit dem Cha’acko ihn geehrt hatte, stellte eine Herausforderung dar, zumal er hierfür sein Team hatte zurücklassen müssen. Diese Aufgabe musste er ganz allein bewerkstelligen. Seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. Das Imperium setzte großes Vertrauen in ihn. Er würde es nicht enttäuschen.

Einsfünf wartete nun bereits seit geschlagenen zwei Wochen in einem Trümmerfeld, das vor nicht allzu langer Zeit einmal eine Flotte von Kriegsschiffen gewesen war.

Die Sekari waren hier auf die Einheiten des Imperiums getroffen und hatten eine vernichtende Niederlage erlitten. Die Schlacht hatte weit hinter den Frontlinien stattgefunden, im Aquarius-Sektor. Wenn die Rebellen wie gewohnt vorgingen, dann suchten sie schon bald wie Aasfresser dieses Schlachtfeld heim, um sich an den Knochen imperialer Kriegskunst zu laben.

Die Rebellen litten an Nachschubmangel.

Das war zwar nur eine Vermutung, jedoch eine fundierte. Es war bereits des Öfteren beobachtet worden, wie feindliche Bergungseinheiten Schlachtfelder plünderten. Natürlich wussten sie um das Risiko, das damit einherging. Ihnen blieb aber kaum eine andere Wahl, wollten sie ihre Streitkräfte aufstocken.

Der Honuh-ton war bekannt, dass es in diesem Sektor ein Hauptquartier der Rebellen geben musste. Weiterhin war bekannt, dass der Anführer der Rebellion, der ehemalige Templer HT-843715, dort das Kommando führte.

Seit über einer Woche hatte Einsfünf nichts mehr gegessen. Seine Rüstung versorgte ihn mit allen Nährstoffen, die er benötigte. Außerdem kam ihn seine Ausbildung zugute. Paladine waren darin geschult, ihren eigenen Metabolismus perfekt manipulieren zu können. Dadurch war er in der Lage, seinen Nährstoffbedarf zu steuern. Dies kam einer biologischen Rationierung gleich. Kot und Urin wurden von der Rüstung aufgefangen, verarbeitet und als Nährstoff seinem Körper erneut zugeführt. Dadurch konnte er buchstäblich Monate ununterbrochen im Raum zubringen, bevor die Lage auch nur annähernd kritisch wurde.

Dass er hier draußen sterben könnte, das kam ihm nicht einmal in den Sinn. Der Tod war eine notwendige Konsequenz seiner Arbeit. Aber nicht hier und nicht heute. Nicht bei dieser Mission. Sie war zu wichtig.

Ein Lichtblitz erhellte für einen Moment die Schwärze des Alls. Einsfünf merkte auf. Mindestens ein Schiff war gerade in das System eingeflogen.

Einsfünf schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Es war keine Angst, aus dem dieser sich gebildet hatte, sondern Vorfreude. Endlich ging es los. Was da anflog, war mit Sicherheit ein Rebellenschiff. Im Umkreis von drei Systemen hielten sich keine Ashrakverbände auf. Sie hatten sich zurückgezogen, um die Rebellen anzulocken.

Einsfünf wartete angespannt. Er stieß sich von einem der größeren Trümmerstücke ab und trieb genau in die Flugbahn des Feindschiffes. Dieses verringerte seine Geschwindigkeit. Einsfünf war sicher, dass sie gerade mit ihren Sensoren das Trümmerfeld sowie die nähere Umgebung abtasteten. Das hätte er an ihrer Stelle auch getan. Seine Rüstung würde nicht auf deren Sensoren erscheinen. Und im unwahrscheinlichen Fall, dass dem doch so war, würde er lediglich als eines von Tausenden Wrackteilen erscheinen.

Der Schwere Kreuzer glitt unendlich langsam und gemächlich in den Schiffsfriedhof ein. Sie würden schon sehr bald feststellen, dass sich keine imperialen Einheiten in der Nähe aufhielten. Das würde sie mutig genug werden lassen, um mit der Bergungsoperation zu beginnen.

Einsfünf glitt langsam näher. Das Schiff stoppte. Der Paladin nickte zufrieden. Sehr gut. Sie würden gleich ihre Hangars sowie die Luftschleusen öffnen, um ihre Fähren und Ingenieure nach Verwertbarem suchen zu lassen.

Das war der richtige Augenblick. Einsfünf glitt näher, griff sich eine Verstrebung und zog sich dicht an die Schiffshülle. Er hangelte sich seinen Weg über die Außenanlagen entlang, bis er eine Nische hinter einer der Waffenstellungen fand. Dort quetschte er sich hinein und hakte seine Rüstung fest.

Einsfünf war zufrieden. Der schwierigste Teil der Aufgabe war erledigt. Er sank in tiefe Meditation, um auf diese Weise die Wartezeit auf möglichst angenehme Art verstreichen zu lassen. Bald schon würde der Kreuzer seine Arbeit beenden und zu seiner Basis zurückkehren.

Und unbemerkt, wie eine Zecke im Fell eines Tieres, würde die Besatzung einen blinden Passagier mitnehmen. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass das Schiff der feindlichen Hauptbasis angehörte. Das bedeutete, es brachte ihn direkt zu Templer HT-843715. Dann konnte Einsfünf endlich seine Aufgabe ausführen: die Eliminierung des Anführers der Rebellion. Einsfünf grinste bei dieser Vorstellung. Er freute sich bereits sehr darauf.

Blutläufer 2: Aufstand der Sklaven

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