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Das Schlachtfeld war erst wenige Tage alt. Eine große Flotte des Imperiums war hier auf eine vereinte Streitmacht der Syall und Sekari getroffen.

Gareth wusste nicht, wer gewonnen hatte, aber die Kämpfe mussten mörderisch gewesen sein. Die Wracks von mindestens tausend Schiffen trieben hier herum. Syall und Sekari machten inzwischen keinen Hehl mehr aus ihrer Allianz. Das Imperium drängte sie immer weiter gegen den Abgrund und die drohende Niederlage machte sie verwegen. Immer öfters drangen sie in imperiales Gebiet ein, um größtmöglichen Schaden anzurichten. Dieses Mal hatte ihr Angriff einer Werftwelt gegolten in dem Versuch, die imperialen Streitkräfte vom Nachschub abzuschneiden.

Gareth warf einen Blick aus einem ziemlich breiten Riss in der Außenhülle des Sekarizerstörers, in dem er sich derzeit aufhielt. Mithilfe seiner Rüstung konnte er sich eine gewisse Zeit lang dem Vakuum des Alls gefahrlos aussetzen, aber er hegte weder die Absicht noch den Wunsch, diesen Zeitraum länger als nötig auszudehnen.

Sein Kopf neigte sich etwas nach vorn und er betrachtete die Welt, die unter ihnen ihre Bahn zog. Rot glühende Risse zogen sich über das Antlitz von Ganeld. Das orbitale Bombardement hatte sich sogar bis zum Planetenkern durchgebrannt und Ströme von Lava ergossen sich über die Oberfläche. Zumindest das sprach dafür, dass der Sekari/Syall-Angriff erfolgreich verlaufen war, auch wenn die meisten ihrer Schiffe die Offensive wohl nicht überlebt haben dürften.

Das war aber auch zweitrangig. Die einstmals lebendige Welt voller ausgedehnter Ozeane mit ihren Industrie- und Schiffsfertigungsanlagen des Imperiums war nun ein Anblick wie einem Albtraum entsprungen. Die Ozeane waren verdampft und an ihre Stelle waren Seen aus flüssigem Gestein getreten, die sämtliche imperialen Anlagen in einem feurigen Grab unter sich einschlossen.

Aber Schlachtfelder boten auch Möglichkeiten. Der im Entstehen begriffene Blutläuferaufstand brauchte zwei Dinge ganz dringend: Soldaten und Waffen. Zumindest Letzteres fand sich hier zuhauf. Dabei war es ganz egal, wem die Waffen früher gehörten. Es spielte keine Rolle, ob sie den Syall, den Sekari oder dem Imperium zuzuordnen waren. Sobald die Rebellen sie bargen, gehörten sie ihnen. Führte man einen Guerillakrieg, durfte man nicht wählerisch sein.

Gareth trat einen Schritt von dem Riss zurück. Er aktivierte sein Komm. »Michael? Wie sieht es aus?«

Es knackte zunächst in der Leitung, bevor sich Michael Anderson meldete. Seine Stimme keuchte vor Anstrengung. Der Schwere Templer kroch gerade mit einigen Technikern in den Eingeweiden des Schiffes herum. »Ich glaube, wir können den Zerstörer wieder flottkriegen.«

Gareth nickte beifällig. »Ausgezeichnet. Das Schiff wird uns gute Dienste leisten. Auch wenn es etwas mitgenommen ist.«

»Es hat Waffen und kann noch aus eigener Kraft fliegen«, erwiderte Michael. »Das ist mehr, als man über die meisten anderen Wracks hier sagen kann.«

Gareth schmunzelte. »Dafür, dass das hier eine Werftwelt ist, gibt es nun bemerkenswert wenige intakte Schiffe im System.«

Michael gluckste. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal den Syall und den Sekari dankbar sein würde. Hast du schon was von Ris’ril gehört?«

»Nicht innerhalb der letzten zwanzig Minuten. Ihre Truppe ist gerade dabei, ein paar Syall- und Sekarieinheiten wieder flottzumachen. Mit etwas Glück können wir ein gutes Dutzend Schiffe für unsere Sache in Beschlag nehmen.«

»Wir sollten uns aber nicht zu viel Zeit lassen. Bald werden imperiale Einheiten auftauchen, die selbst auf Bergung aus sind. Die Ashrak und die Rod’Or verschwenden nichts.«

Gareth machte eine verkniffene Miene. Damit sprach Michael ein heikles Thema an. Er hob den Kopf und spähte angestrengt durch den Riss in der Außenhülle des ehemaligen Feindschiffes. Eigentlich wunderte er sich sogar, dass sie nicht bereits aufgetaucht waren. Sich so lange Zeit zu lassen, sah den Ashrak gar nicht ähnlich.

Gareth wandte sich ab und stapfte durch die verwaisten Korridore des Zerstörers. Abgesehen von den Blutläufern, die sich notgedrungen als technologische Leichenfledderer betätigten, gab es nichts Lebendiges mehr an Bord. Die Leichen der Besatzungsmitglieder trieben durch die Gänge. Aufgrund der Schwerelosigkeit verklumpte ihr Blut in abstrakten Formen mitten in der Luft, nur um sich kurz darauf wabernd wieder voneinander zu lösen.

Gareth schob ungeduldig einen der toten Sekari aus dem Weg. Der Körper trieb zur Seite, wo er beinahe sanft von einem Schott abprallte, um anschließend in die Gegenrichtung zu driften.

Gareth rümpfte die Nase. Sobald die künstliche Schwerkraft wiederhergestellt war, würde das ein ganz schönes Chaos an Bord auslösen. Die Gänge und Korridore zu säubern, würde keine angenehme Aufgabe werden.

Er setzte seinen Weg fort. Mehrmals musste er Trümmern ausweichen oder diese beiseiteschaffen. Der Zerstörer hatte in der Tat einiges abbekommen. Dennoch würde er eine Bereicherung für die Rebellenflotte werden. Gareth schnaubte. Falls sie es jemals schafften, die Energieversorgung wiederherzustellen. Endlich erreichte er nach einer gefühlten Ewigkeit die Brücke.

An der Station des Kommandanten stand Isabella Karuschenkow, eine Schwere Templerin, die sie kurz nach dem Angriff auf Suvus hatten befreien können. Die Frau stammte aus Russland und besaß einen Körperbau, auf den so mancher Ringer neidisch gewesen wäre. Mehrere andere Blutläufer arbeiten an verschiedenen offenen Konsolen oder krochen drunter herum. Alle arbeiteten unter Hochdruck daran, das Schiff wieder flugtauglich zu bekommen.

Bei seinem Eintreten wandte sich Isabella um und musterte ihn halb über die Schulter. Wie alle anderen auch, war ihre Rüstung geschlossen, was keinen Eindruck ihrer Mimik lieferte. Die Körpersprache drückte jedoch Unzufriedenheit bis hin zur Frustration aus. Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.

»Das verdammte Ding ist ein Schrotthaufen«, meinte sie nur, ohne erneut aufzublicken.

Gareth trat neben sie und warf einen Blick durch das Brückenfenster. Dieses war wie durch ein Wunder intakt geblieben, obwohl die Kommandobrücke einen Volltreffer abbekommen hatte. Die gesamte Brückenbesatzung war dabei umgekommen. Isabella und ihr Team hatten die Leichen in die Ecke geschafft und dort festgebunden, damit diese nicht ständig im Weg herumtrieben.

»Wir können es uns nicht leisten, wählerisch zu sein. Das Schiff ist halbwegs intakt, es verfügt über Waffen … das genügt mir.«

»Wie schön, dass dir das genügt«, erwiderte sie sarkastisch. Ihr Schmunzeln übertrug sich sogar über die Funkverbindung. »Und welche Chancen hat dieses Schiff wohl gegen einen Ashrakkreuzer?«

»Keine großen … für sich allein genommen«, versetzte er ungerührt. »Wir haben aber auch nicht die Absicht, es allein in den Kampf zu schicken, oder?«

Isabella seufzte. »Nein … nein, haben wir nicht.«

»Wenigstens benötigen wir für Syall- und Sekarischiffe keinen Navigator«, setzte er noch nach.

»Genau deswegen kann ich dich manchmal nicht leiden«, meinte sie nicht ohne Sympathie. »Deine zwanghafte Haltung zum Optimismus.«

Gareth verzog leicht die Miene. »Das war nicht immer so, aber ich gebe zu, unsere Fortschritte sind doch recht beeindruckend.«

»Wird sich zeigen«, gab sie lapidar zurück.

Michael Andersons Stimme hallte in einem triumphierenden Aufschrei durch Gareths Helm – und seinen Kopf. In seiner Euphorie musste Michael aus Versehen beide Kommgeräte aktiviert haben: das seiner Rüstung und das persönliche von den Ashrak unter die Haut implantierte.

Gareth begnügte sich mit dem Komm seiner Rüstung und aktivierte eine Zwei-Wege-Verbindung. »Ich nehme an, du bist mit der Energieversorgung weitergekommen.«

»Warum urteilst du nicht selbst?«, erwiderte Michael.

Mit einem Mal gingen auf der Kommandobrücke die Lichter an. Mehrere Konsolen erwachten so schlagartig zum Leben, dass die unter ihnen arbeiteten Rebellensoldaten sich unwillkürlich aufrichteten und den Kopf stießen. Auch innerhalb einer Rüstung war dies nicht angenehm.

Gareth seufzte auf. Er wollte schon anmerken, dass dies endlich mal eine positive Entwicklung war, als eine der Konsolen ein fast sanftes Ping von sich gab. Alle Blutläufer auf der Brücke erstarrten.

Gareth und Isabella begaben sich gleichzeitig dorthin und starrten verdrossen auf den Bildschirm. Er schluckte. »Sag mir, dass es nicht das ist, was ich glaube.«

Isabella antwortete zunächst nicht. Gareth warf ihr einen kurzen Blick zu. Die Blutläuferin stieß einen Schwall Luft aus. »Die Sensoren sind wieder aktiv. Es nähern sich uns mehrere Schiffe.«

»Identifikation?«

Isabella sah nicht auf. »Ashrak«, erklärte sie kurz angebunden. »Ein Angriffskreuzer, der vier Fahrzeugtransporter eskortiert.«

Gareth richtete sich auf. »Das hatte ich befürchtet.«

Isabella wandte sich ihm zu. »Sie suchen nach Überlebenden.«

Gareth schüttelte den Kopf. »Das würde den Angriffskreuzer erklären, aber nicht die Transporter. Die sind aus demselben Grund hier wie wir. Das ist ein Bergungstrupp. Die Transporter befördern schwere mobile Ausrüstung, mit der sich Trümmer bewegen lassen. Die sind für die Werft auf der Oberfläche bestimmt. Ein Ingenieursteam zur Schadensbegutachtung. Der Angriffskreuzer soll sie währenddessen schützen.«

»Was machen wir jetzt?«, dröhnte Michaels Stimme erneut durch Gareths Helm. Selbst wenn er zu flüstern versuchte, war seine Stimme unangenehm deutlich zu hören. »Warten wir, bis sie weg sind?«

»Das könnte Wochen dauern«, entgegnete Gareth. »Die Zeit haben wir nicht.«

»Außerdem dürfte ihnen der Energieanstieg in diesem Wrack kaum entgangen sein«, warf Isabella ein. »Falls sie ihn noch nicht entdeckt haben, dann wird das nicht mehr lange dauern.«

Gareth stieß einen wüsten Fluch aus. »Kontakt zu den anderen Trupps aufnehmen. Wir müssen wissen, wie weit sie sind.«

Isabella benötigte nur Augenblicke, um die gewünschten Informationen zu beschaffen. »Wir haben sieben halbwegs einsatzbereite Schiffe und sechs weitere, die wir in gut einer Stunde flottkriegen würden.«

Gareth schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Alle Trupps auf den noch nicht einsatzfähigen Schiffen sollen sich auf die flugfähigen Einheiten begeben. Wir nehmen, was wir haben, und verschwinden.«

Einer der Blutläufer wirbelte herum. »Der Angriffskreuzer bewegt sich.«

Gareth fluchte erneut. »Welches Ziel?«

»Auf einen Mittleren Syallzerstörer. Einer unserer Trupps ist an Bord«, informierte der Blutläufer gepresst.

»Die sollen machen, dass sie da wegkommen.« Er hatte noch nicht ausgesprochen, als mehrere Energiebahnen die Entfernung zwischen Ashrak- und Syallschiff überbrückten. Die Strahlen fraßen sich ihren Weg quer durch den Zerstörer. Dies war endgültig zu viel für die Struktur des Syallschiffes. Es zerplatzte mit der Kraft einer Sonne. Die Detonation breitete sich in alle Richtungen aus, bevor die Explosion sich selbst verzehrte. Übrig blieben nichts weiter als Tausende zusätzliche Trümmer, die sich mit dem Rest des Schlachtfelds vermischten.

Alle Augen waren wie gebannt auf den Ort gerichtet, an dem vor Sekunden noch ein Schiff sowie eine Truppe Blutläufer existiert hatten. Gareth keuchte auf. »Wie viele unserer Leute waren auf dem Schiff?«

Isabellas Stimme klang bar jeder Emotion, als sie antwortete. »Zweiundzwanzig.«

Gareth schüttelte den Kopf. Zweiundzwanzig weitere Leben verloren. Er schwor sich insgeheim, sie auf die Rechnung zu setzen. Die Rod’Or und ihre Ashraklakaien würden die Zeche bezahlen.

»Der Angriffskreuzer ändert den Kurs«, informierte der Blutläufer, der bereits zuvor gesprochen hatte.

»Worauf jetzt?«

»Einen Schwerer Kreuzer der Sekari.«

»Einsatzbereit?«

Der Blutläufer wandte sich um und schüttelte wortlos den Kopf.

»Verfluchter Mist!« Gareth aktivierte eine Verbindung. »Michael? Ich brauche die Waffen! Sofort!«

»Wir arbeiten dran! Wir arbeiten dran!«, erwiderte der Schwere Templer hektisch.

Zur Hilflosigkeit verdammt, beobachtete Gareth durch das Brückenfenster, wie das Ashrakkriegsschiff in Stellung ging, um auch den havarierten Schweren Kreuzer ins Jenseits zu pusten.

Bevor es dazu kam, schlugen mehrere Raketen auf dem Rumpf des Feindschiffes ein. Explosionen blühten auf. Gareth schluckte. »Wer war das?«

»Ris’ril«, entgegnete Isabella. »Auf einer Schweren Korvette der Syall. Ihr schließen sich gerade noch zwei weitere Schiffe an: ein Sekaristurmkreuzer sowie eine weitere Schwere Korvette.«

»Zeig sie mir.«

Auf seine Bitte hin übertrug Isabella die einkommenden Daten der Sensoren direkt auf seine Rüstung. Vor seinen Augen bauten sich mehrere Schemata auf. Er biss sich leicht auf die Unterlippe. In bestem Zustand wären die drei Schiffe dem Angriffskreuzer mehr als ebenbürtig gewesen. Aber alle von den Blutläufern erbeuteten Einheiten wiesen schwere Schäden und multiple Hüllenbrüche auf. Der Angriffskreuzer würde mit ihnen den Boden aufwischen.

Gareth trat ganz dicht vor das Brückenfenster und beobachtete das ungleiche Gefecht. Die beiden Schweren Korvetten umkreisten den größeren und schwereren Gegner, wobei sie ihre überlegene Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit nutzten. Der Sturmkreuzer hingegen ließ sich auf einen direkten Schlagabtausch ein.

Gareth erkannte Ris’rils Absicht dahinter. Sie lenkte den Gegner lediglich ab. Drei weitere erbeutete Schiffe machten sich unterdessen daran, die Blutläufertrupps auf den nicht einsatzfähigen Schiffen zu evakuieren. Ris’ril kämpfte einen nahezu aussichtslosen Kampf. Dennoch brachte sie dem Gegner schwere Schäden beide. Energiebahnen verheerten die Außenhülle des Angriffskreuzers, während immer wieder Raketen einschlugen und ganze Panzerplatten aus der Verkleidung rissen.

Der feindliche Kommandant ließ sich eine Weile auf dieses Spiel ein, doch dann wurde es ihm offensichtlich zu bunt. Das Gefährliche an länger andauernden Gefechten war, dass sich ein Gegner auf die eigenen Manöver einstellen konnte. Genau dasselbe geschah nun hier.

Der Angriffskreuzer ging auf einmal auf Gegenkurs, drehte sich um die eigene Achse und beharkte eine der Schweren Korvetten mit einer kombinierten Salve aus Energiewaffen und Raketen. Das Beuteschiff wurde am Heck getroffen, eine Sekundärexplosion riss die rechte Geschützbatterie sowie große Teile der Antriebssektion ab. Eine weitere Detonation verzehrte den Rest des Schiffes. Die Blutläufer an Bord hatten keine Chance.

Gareth presste die Kiefer derart fest aufeinander, dass er spürte, wie die Wangenmuskeln hervortraten. Ris’ril in der zweiten Korvette sowie der Sturmkreuzer feuerten eine weitere Salve ab und erzielten mehrere Treffer am Bug und mittschiffs. Währenddessen begannen drei Beuteschiffe unter dem Kommando von Blutläuferrebellen damit, sich aus dem Schlachtfeld zurückzuziehen.

Gareth folgte ihrem Flug mit den Augen, bis sie im Labyrinth aus Trümmern und Wracks verschwanden. Er atmete erleichtert auf. Wenigstens die hatten es geschafft.

Sein Blick zuckte zurück zu dem ungleichen Gefecht. Ris’rils Schwere Korvette und der Sturmkreuzer lieferten sich mit dem Ashrakschiff einen heftigen Schusswechsel. Die Korvette erlitt mehrere Treffer am Bug, unweit der Kommandobrücke. Gareth biss sich aus Verstehen vor Anteilnahme auf die Unterlippe. Die Korvette wies schon vorher schwere Schäden auf. Nun aber klaffte ein breiter Riss direkt unterhalb der Brücke. Er zog sich über die halbe Steuerbordbreitseite.

Er öffnete erneut eine Frequenz zu Michael. »Was machen meine Waffen? Ich brauche sie! Jetzt!«

»Wenn du’s besser kannst, dann solltest du runterkommen und den Scheiß selbst erledigen!«, dröhnte Michaels gehetzt klingende Stimme in seinen Ohren.

Gareth verkniff sich eine bissige Bemerkung. Michael tat sicherlich sein Möglichstes. Und immerhin war er Soldat und kein Techniker.

Der feindliche Angriffskreuzer zog in weniger als dreißigtausend Kilometern an dem Zerstörer vorbei. Die Besatzung war gut. Zu gut, wie Gareth fand. Sie wehrten den Schwereren Sturmkreuzer mit so wenig Feuerkraft wie möglich ab, um Ris’rils Korvette zur Strecke zu bringen. Sie wollten das kleine Schiff innerhalb kürzester Zeit erledigen, um sich anschließend voll und ganz der fetteren Beute zu widmen.

Mit einem Mal erwachte die taktische Station auf der Brücke des Sekarizerstörers zum Leben. Das Aufflammen der Statusbeleuchtung ging einher mit Michaels Triumphschrei, der über wirklich jede Frequenz des Entertrupps zu hören war.

Isabelle und Gareth eilten gemeinsam zur nun funktionsfähigen Station und die Blutläufersoldatin quetschte sich in den Sitz. Ihr Blick überflog die Anzeigen, während sie mit gerunzelter Stirn darum bemüht war, die komplizierte Sprache der Sekari zu übersetzen.

»Und?«, wollte Gareth ungeduldig wissen. »Was haben wir?«

»Wenn ich das hier halbwegs richtig verstehe, dann ist die Energiebewaffnung offline«, informierte sie ihren Befehlshaber mit abwesend klingender Stimme. »Aber wir haben vier abschussbereite Torpedos in den Rohren und eine voll funktionsfähige achtschüssige Raketenbatterie.«

»Na das ist doch was«, honorierte er. »Sind die Ashrak in Reichweite?«

Isabella lächelte kalt. »Ja«, erwiderte die Soldatin. »Sind sie.«

»Dann jag ihnen eine Salve rein.«

»Mit Vergnügen.«

Isabella hackte auf einige der Tasten ein. Das Wrack erzitterte, als die Abschussrohre ihre tödliche Last freigaben.

Die Geschosse überbrückten die Entfernung zum Feindschiff in Rekordzeit. Die Torpedos schlugen in den Backbordrumpf ein und zertrümmerten die Panzerung. Das Schiff verlor zusehends Atmosphäre.

Gareth wollte innerlich jubeln. Das sah ganz eindeutig nach einem kritischen Treffer aus. Die Fluglage des Ashrakkreuzers wurde leicht unregelmäßig und er legte sich schwer auf die Seite. Gareths Miene versteinerte. Die Besatzung bekam ihre Probleme verblüffend schnell in den Griff und der Bug des feindlichen Schiffes richtete sich auf Gareths erbeuteten Sekarizerstörer aus. Er hörte Isabella neben sich schwer schlucken.

Das Feindschiff stieß eine Wolke aus Fernlenkgeschossen aus.

»Bereit machen für Aufprall!«, war alles, was Gareth noch hervorbrachte, bevor der feindliche Angriff über sein Schiff hereinbrach. Gareth, Isabella sowie vier ihrer Kameraden schafften es noch, die Rüstung zu schließen und zu versiegeln, bevor ein großes Stück der Deckenverkleidung aufbrach und die Kommandobrücke zum Vakuum hin öffnete. Drei Blutläufer wurden hilflos strampelnd ins All gerissen. Gareth hielt sich krampfhaft an Isabellas Sitz fest. Ihm blieb nichts anderes übrig, als den Sog auszusitzen, als die Luft auf der Brücke explosionsartig entwich.

Die Lichter an der taktischen Station verloschen auf einen Schlag. Isabella sah sich zu ihm um. Ihr geschlossener Helm machte es unmöglich, die Gefühlslage der Soldatin abzuschätzen. Die Tonlage bei ihren nächsten Worten vermittelte jedoch eine eher fatalistische Einstellung. »Das war’s. Wir können jetzt höchstens noch mit Steinen werfen.«

Gareth hob den Blick. Der Ashrakangriffskreuzer befand sich genau gegenüber. Trotz der Entfernung, war das Schiff ausnehmend gut zu erkennen.

Gareth runzelte die Stirn. Worauf wartete der feindliche Kommandant? Er musste lediglich ein letztes Mal feuern, um dem angeschlagenen Zerstörer den Gnadenstoß zu versetzen. War es möglich, dass der Torpedoangriff größeren Schaden beim Feindschiff angerichtet hatte als ursprünglich erwartet?

Der Angriffskreuzer glitt näher, allerdings mit weit niedrigerer Geschwindigkeit, als dem Kampfschiff normalerweise möglich gewesen wäre. Hinter Gareth glitt die Tür auf und Michael sowie weitere Blutläuferrebellen strömten auf die Brücke. Die beiden ungleichen Männer wechselten einen kurzen Blick. Michael schüttelte den Kopf. »Da unten ist nichts mehr zu machen. Die Technik ist komplett zerstört. Ich habe zwei Leute verloren.«

»Ich drei«, erwiderte Gareth und richtete sein Augenmerk erneut auf das Feindschiff.

»Worauf wartet das Arschloch?«, wollte Michael wissen. »Er sollte es endlich hinter sich bringen.«

Gareth zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Aber solange er nicht feuert, leben wir noch. Das ist auch was wert.«

Isabella stand an der Sensorstation, die den Angriff wie durch ein Wunder überstanden hatte. »Ich glaube, er nähert sich auf Raketenentfernung an.« Sie sah auf. »Vielleicht sind die Kontrollen für Energiewaffen und Torpedos beschädigt.«

»Dann haben wir … wie lange?«, verlangte Gareth zu wissen.

»Weniger als vier Minuten«, kommentierte die Frau.

Gareth sah sich vielsagend unter seinen Mitstreitern um. »Irgendwelche Vorschläge?«

Natürlich hatte niemand in dieser Hinsicht etwas zu bieten. In einem havarierten, kampfunfähigen und praktisch in Stücke geschossenen Schiff ließ sich nur schwer etwas ausrichten. Gareth seufzte. »Hätte ich auch nicht erwartet.«

Mit einem Mal überzogen mehrere Explosionen die oberen Deckaufbauten des Angriffskreuzers. Waffenstellungen sowie eine Sensorphalanx wurden glatt abgerissen.

Ris’rils Schwere Korvette sowie der Sturmkreuzer tauchten auf und flankierten das Feindschiff. Sie pumpten aus allen verfügbaren Waffen Energie in das angeschlagene Kampfschiff. Dessen Besatzung wurde allmählich klar, dass hier kein Sieg zu erringen war. Der Angriffskreuzer gab Vollschub, um aus dieser Misere zu entkommen. Dabei ließ er die Fahrzeugtransporter mit den Ingenieuren zurück und setzte sie quasi der Gnade der Rebellen aus.

Ris’ril aber entstammte den Samirad, einer kriegerischen Spezies. Diese waren nicht dafür bekannt leicht aufzugeben. Und hier bahnte sich ein Sieg an, den die blauhäutige Kämpferin sich nicht durch die Lappen gehen lassen wollte.

Die Schwere Korvette drehte bei, eskortiert von dem Sturmkreuzer. Beide Schiffe beharkten den Antrieb des Ashrakkreuzers, bis dieser flackernd seinen Dienst einstellte. Der Kampf war an und für sich vorbei, die Besatzung des Angriffskreuzers wusste es nur noch nicht. Sie waren manövrierfähig, kämpften aber im Rahmen ihrer Möglichkeit weiter. Gareth hatte nicht die Absicht, ihnen eine Aufforderung zur Kapitulation zu senden, und die Ashrak im Gegenzug wussten genau, dass sie vonseiten der Blutläufer nicht mit Nachsicht rechnen durften. Also schossen sie mit allen infrage kommenden Waffen. Aber die viel manövrierfähigere Korvette tanzte einfach um das angeschlagene Schiff herum und brachte mehrere gute Treffer an.

Der Sturmkreuzer positionierte sich genau hinter dem Ashrak und damit in einem toten Winkel für dessen Bewaffnung. Die Energiegeschütze flammten mehrmals auf und das Kriegsschiff schnitt den Angriffskreuzer in Stücke, bis er letztendlich detonierte und zu einem weiteren Wrack in diesem Schiffsfriedhof wurde.

Gareth atmete erleichtert auf. In seinen Ohren knackte es und Ris’rils besorgte Stimme drang über die geöffnete Frequenz. »Wir sollten ganz schnell verschwinden. Wenn sich der Kreuzer nicht zurückmeldet, dann kommen weitere. Mit denen dürften wir es deutlich schwerer haben.«

»Geh längsseits und docke an einer der Luftschleusen an. Du musst uns abholen. Unser Zerstörer ist erledigt. Der fliegt nirgends mehr hin.«

»Verstanden«, erwiderte die Samirad. »Was ist mit den Fahrzeugtransportern?«, fragte die Kriegerin nach kurzem Zögern. »Sollen wir die auch erledigen?«

Gareth dachte ernsthaft über den Vorschlag nach. Dem Feind einen letzten Schlag vor ihrem Rückzug zu verpassen, war überaus verführerisch. Doch er schüttelte den Kopf. »Da sind ohnehin nur Kexaxa drin. Deren Verlust würde dem Imperium nichts bedeuten.«

»Wie kommst du darauf?«, fragte Ris’ril. »Vielleicht sind es Ashrak.«

Gareth machte eine verkniffene Miene. »Wohl kaum. Wären es Ashrak, hätte die Besatzung des Kreuzers sie nicht derart bedenkenlos geopfert.«

Blutläufer 2: Aufstand der Sklaven

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