Читать книгу Ein Buch für Keinen - Stefan Gruber - Страница 11
ОглавлениеDer Anfang
Im Anfang war die Schuld, und die Schuld war bei Gott, und Gott war die Schuld. Dieselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dieselbe gemacht, und ohne dieselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.
Abgewandeltes Zitat aus Johannes 1,1 ff.
Im Anfang ist und ist nicht das göttliche Eine. Das göttliche Eine ist jener Zustand und Nichtzustand, in dem Sein und Nichtsein zu einer ungeschiedenen Einheit verschmolzen sind. Weder existiert dieses Eine, noch existiert es nicht. Weder existiert Gott, noch existiert er nicht. Das göttliche Eine ist vielmehr der Zustand des »nicht Realisierten« oder »realisierten Nichts«, des »Noch-Nicht-Seins« und »Nicht-Mehr-Seins«. Diese Einheit ist informationslos, weil sie Alles und Nichts gleichsam verkörpert. Doch körperhaft ist sie nicht. Es gibt kein Außen, keine Systemgrenze und kein ausdifferenziertes Innen und demnach auch keine Unterschiede, die Information konstituieren. Es gibt außerhalb und innerhalb dieser Einheit nicht einmal das Nichts, durch das sich das Eine als abgegrenzt erfahren und definieren könnte; keine Relation, durch das es sich unterscheiden könnte, indem es sich als getrennt davon erfährt. Ohne Referenz kann ein Ding nicht beschrieben oder definiert werden. Es gibt keine Grenze zwischen Objekt und Subjekt. Ohne Referenz kann es nicht wechselwirken und sich als Negation begreifen - als das, was dieses Außen nicht ist. Ohne Referenz existiert das göttliche Eine nicht – es wirkt nicht in Wirklichkeit und ist irreale Realität. Nichtsein/Sein, Leere/Existenz und Null/Eins sind hier ununterschieden und eins (null). Man kann sich die Leere als Summe aller unendlichen Varianten des Seins »vorstellen«. Doch sobald man auch nur versucht, sich diese Leere vorzustellen, zerstört man sie. So wie die Summe aller Spektralfarben weiß ist, so ist die Summe aller unterschiedlichen Formen des Seins das Nichtsein. Sein und Leere sind damit eins und ungeschieden. Dieses göttliche Eine stand nicht am Beginn oder Anfang aller Zeiten. Es ist zeitlos und – ohne äußeres Milieu, das als Referenz für das innere Ausmaß dienen könnte – auch raumlos. Weder war dieses göttliche Eine jemals, noch hörte es jemals auf zu sein. Es hat keinen Beginn und es hat kein Ende. Und das Sein, das sich manifestiert, ist ebenso nur Ausdruck dieser göttlichen Einheit, die für sich selbst gesehen Dynamik und Stillstand zugleich ist, in raumlosen Raum der zeitlosen Ewigkeit. Das Sein existiert nur für ein Teilsystem innerhalb dieser Einheit. Die Einheit selbst aber ist und ist nicht immer Leere und Sein zugleich. Diese Einheit ist unvorstellbar, unbegreifbar und unbeschreibbar. Damit wir uns ihr aber so weit wie nur menschenmöglich annähern können, wollen wir ihr das Konzept der Schuld zuweisen. Die Schuld ist nicht die göttliche Einheit. Sie ist nur ein Begriff, der seine Berechtigung im Laufe des Buches erfährt – wobei der Leser immer im Hinterkopf behalten sollte, dass ein Begriff, ja bereits das Nachdenken über die Einheit, diese spaltet und damit von uns abtrennt. Nur wenn wir nicht sind, wenn wir also tot sind, sind wir eins mit der Einheit, dann, wenn wir sie nicht beschreiben können, weil wir uns nicht mehr reflektieren. Diese Paradoxie ist dem Einen immanent, und sie gilt nicht nur für uns. Sie gilt auch für das Konzept von Gott. Auch Gott IST die Leere als Summe allen Seins, und damit nicht existent. Er ist und erfährt sich erst durch die Teilung seiner selbst, nach der jeder Pol nach Ausgleichung strebt.
Das Kapitel »Der Anfang« steht damit für die Beschreibung der Basis des Buches, an der es schließlich zugrunde geht.