Читать книгу Brahmsrösi - Stefan Haenni - Страница 12
5
ОглавлениеAuf der Maurs formelle Anfrage liegt auf dem Tisch.
Ich nehme den Auftrag dankend an. Endlich eine würdige Herausforderung. Die Jagd nach den Sprayern werde ich ganz an Jürg Lüthi abtreten.
»Sobald Sie grünes Licht geben, erwerben wir das Manuskript. Unter dem Patronat der Gesellschaft wird später ein Konzert organisiert«, verspricht Auf der Maur. »Die Thuner-Sonate wird in der Originalfassung auf dem Programm stehen. Bernhard Bachmann, der Thuner Geigenvirtuose, ist als Wunschinterpret vorgesehen. Das weiß er allerdings noch gar nicht. Ich werde einen Live-Mitschnitt der Aufführung veranlassen, um danach eine CD herauszugeben. Diese Aufnahme dürfte der Gesellschaft einen schönen Batzen in die Kasse wälzen.«
»Tönt gut«, antworte ich. »Sie hätten nicht zufälligerweise eine alte Aufnahme und die neuen Drucknoten?«
»Selbstverständlich. Einen Augenblick bitte.« Auf der Maur erhebt sich. Leicht gebückt macht er ein paar unsichere Schritte zu einer antiken Truhe hin. Als er ihren Deckel öffnet, kommt eine verchromte HIFI-Anlage der Luxusklasse zum Vorschein. Ein gezielter Griff und mein Gastgeber hält triumphierend das Gesuchte in der Hand.
»Voilà! Die Aufnahme eines slowakischen Kammerensembles.« Er reicht mir die Einspielung in der Kunststoffhülle. »Bitte, Herr Feller.« Hiernach händigt er mir das verlangte Notenheft aus.
»Merci, Herr Auf der Maur.«
»Das Finanzielle ist im Vertrag geregelt. Falls Sie damit einverstanden sind, können Sie gleich unterzeichnen.« Er hält mir das Schreiben in zweifacher Ausführung und eine Füllfeder hin. Das Gewicht des kostbaren Schreibzeugs unterstreicht die Bedeutung des Auftrags. Ich zögere nicht eine Sekunde und schmeiße einen schwungvollen Haken unter die Vereinbarung.
»Einen Wunsch hätte ich allerdings noch«, wage ich anzufügen.
»Der wäre?«
»Dürfte ich für ein paar Tage auch die Originalpartitur mitnehmen?«
Sein Gesichtsausdruck drückt unmissverständlich Bedenken aus. Er verzieht die Mundwinkel zwar zu einem erzwungenen Lächeln, zeigt in der Augenpartie aber nicht die geringsten Fältchen. »Ich zöge es vor, Ihnen eine gute Fotokopie mitzugeben. Hier in diesem Briefumschlag liegt sie bereit.«
»Die nehme ich gerne. Ich halte es jedoch für erforderlich, dass Sie mir die Vorlagen zusätzlich anvertrauen. Die taktilen Qualitäten von Papier und Tusche beispielsweise kann ich nur am Original erfahren. Ich werde es mit der allergrößten Vorsicht behandeln. Für die sichere Aufbewahrung garantiere ich persönlich.«
Auf der Maur atmet schwer. Er hebt die buschigen Augenbrauen. Gleichzeitig rollt er seine schmalen Lippen nach innen. Hiernach nickt er kurz. »Einverstanden.« Er holt einen dunkelblauen Kartonschuber, dem er eine hellbraune Aktenmappe aus feinem Ziegenleder entnimmt. Vorsichtig legt er die Notenblätter hinein. Endlich überreicht er mir das Ganze. Feierlich.
Was die Papiere wohl wert sind?
»Fast hätte ich es vergessen«, fügt der Präsident an. »Der Überbringer des Materials gibt uns maximal eine Woche Zeit. Danach erwartet er einen Entscheid. Das bedeutet, dass Sie nicht darum herum kommen, unverzüglich nach Polen zu reisen. Am besten tätigen Sie noch heute eine Voranmeldung an der Krakauer Universitätsbibliothek.«
»Verstehe. Eine letzte Frage. Was für einen allgemeinen Eindruck hat der Mann auf Sie gemacht?«
»Sie meinen den Notenboten mit den Notenbogen?«, fragt Auf der Maur und schmunzelt. Dazu schweift sein Blick zum Entree, als stünde der gestrige Besucher noch heute auf dem schweren Teppich. »Nun, er hat einen ruhigen, fast schüchternen Eindruck hinterlassen. Groß, schlank, dunkle Haare. Er trug Bluejeans, ein offenes schwarzes Hemd und ein dunkles Leinensakko. Im Nachhinein hat er mich an diesen Schauspieler erinnert, diesen … ähm … wie heißt der doch gleich …«
Ich nicke erwartungsvoll.
»Er glich dem freundlichen Hotelier im amerikanischen Hinterland, der dort unfreundlicherweise eine Frau ersticht.«
»In der Dusche etwa?«
»Genau dort.«
»Sie sprechen von Anthony Perkins in ›Psycho‹?«
»Voilà! Diesen Hitchcock-Streifen meine ich.«
»Keine besonders vertrauensbildende Referenz für unseren Notenboten«, finde ich.
*
Mein Assistent organisiert die Reise nach Krakau. Danach äußert er einen besonderen Wunsch.
»Hanspudi, könntest du in Polen allenfalls Unterstützung gebrauchen?«
Ich winke ab. »Nein danke. Ich fliege kurz hin, gehe schnurstracks in die Bibliothek und kehre so rasch als möglich zurück. Das ist alles. Ich kann’s gut allein. Du brauchst mich nicht zu begleiten.«
»Ich habe nicht an mich gedacht«, erwidert er. »Ich möchte dich bitten, unseren Adoptivsohn Stefan mitzunehmen. Wie du weißt, wurde er vor 15 Jahren in der Nähe von Krakau geboren.«
Die Vorstellung, bei meiner gezielten Mission einen Halbwüchsigen mitzuschleppen, behagt mir nicht besonders. Ich werde kaum Zeit finden, mich um ihn zu kümmern. Andererseits kann ich einem Freund diesen Wunsch nicht abschlagen. Umso weniger, als er in der Zwischenzeit den leidigen Auftrag des Rathauswirts zu erledigen verspricht. Also willige ich ein.
Jüre bedankt sich und ergänzt: »Selbstverständlich komme ich für Stefans Kosten selbst auf.«
»Das brauchst du vermutlich nicht. Ich werde Auf der Maur die Notwendigkeit eines Begleiters schon plausibel machen.«