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»Lieben Sie Brahms?«

Mit dieser Frage überrumpelt mich heute Morgen ein gewisser Herr Auf der Maur am Telefon. Noch erstaunter wäre ich nur gewesen, wenn sich Françoise Sagan persönlich aus dem Jenseits gemeldet hätte. Der Anrufer stellt sich als Präsident der Thuner Brahmsgesellschaft vor. Bisher habe ich nichts mit ihm zu tun gehabt. Ich kenne ihn vom Hörensagen: Doktor Moritz Auf der Maur. Er ist meines Wissens mit einem Lehraufrag für Kompositionslehre an der regionalen Musikschule betraut und funktioniert in der hiesigen Kultur- und Musikszene als umtriebiger Initiator. Aber sonst?

Einerseits möchte ihn nicht enttäuschen. Er lebt vermutlich für das Werk des deutschen Komponisten. Andererseits ist mir schleierhaft, was die ungewöhnliche Erkundigung soll. Seit wann interessiert sich Herr Auf der Maur für meinen persönlichen Musikgeschmack?

Er unterbricht mein Sinnieren. »Herr Feller. Wären Sie so freundlich, meine Frage zu beantworten?«

»Ich kenne mich mit Brahms vermutlich zu wenig aus«, versuche ich mich rauszureden.

Der Doktor steigt nicht darauf ein. »Kann man sich denn der Wirkung seines beglückenden Werks entziehen?«

Ich betrachte es nicht als meine primäre Aufgabe, den Präsidenten auf den Boden der disharmonischen Realität zurückzuholen und schweige.

Er insistiert aufs Neue: »Also, frisch heraus, Herr Feller: Lieben Sie Brahms?«

Mist! Ich komme offenbar nicht darum herum, Stellung zu beziehen. »Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, Herr Auf der Maur. Brahms figuriert in meiner Klassikhitparade nicht auf den Spitzenrängen. Wozu fragen Sie?«

»Sie arbeiten als Privatdetektiv, nicht wahr?«

Ich nicke. Natürlich entgeht das meinem Anrufer.

»Es handelt sich um einen Auftrag«, sagt er und klingt geheimnisvoll.

Meine Neugierde ist jedenfalls geweckt.

»Es ist mir zu Ohren gekommen, dass Sie sich in Sachen Urkunden gut auskennen.«

Ich verhalte mich jeglicher Form von positiver Verstärkung gegenüber grundsätzlich misstrauisch und antworte nur zögerlich. »Ja. Ich kenne mich mit Handschriften etwas aus.«

»Gut. Gerne würde ich mich mit Ihnen unter vier Augen unterhalten. Es handelt sich nämlich um eine delikate Angelegenheit.«

»Delikat tönt mehr nach einer kulinarischen Herausforderung. Eine solche suche ich in der Tat, Herr Auf der Maur.«

Er verdankt meine Bemerkung mit herzhaftem Gelächter. Ein heiterer Mensch. Wird man so, wenn man oft genug Brahms hört?

»Habe ich Sie richtig verstanden? Sie wollen mich als Detektiv engagieren?«

»Richtig. Als was denn sonst, Herr Feller?« Er grölt schon wieder.

Seine Rhetorik empfinde ich eher als Herabsetzung. Immerhin könnte man mich nach wie vor noch als Pädagogen einstellen. Als Privatlehrer für Nachhilfeunterricht in Deutsch und Geschichte. Neben den obligaten Reit-, Tennis- und Geigenstunden, den kostspieligen Shoppingtouren im Bälliz und dem inflationären Versenden von belanglosen SMS wird der Schülerschaft die Erfüllung der Promotionsbedingungen nicht selten prekär. Ein Privatpauker könnte nach dem Rechten sehen. Erfahrungsgemäß mangelt es dem Nachwuchs oft nur an Fleiß und geeigneten Lerntechniken. Nachhilfe wäre keine schlechte Idee. Eben hätte ich noch zur Verfügung gestanden. Ab heute ist das anders.

»Wann und wo wollen wir uns treffen?«, erkundige ich mich.

»Ich richte mich ganz nach Ihnen.«

»In dem Fall schaue ich am besten bei Ihnen zu Hause vorbei. Wo wohnen Sie, Herr Auf der Maur?«

»Ecke Blümlisalpstraße/Ringstraße. Die grüne Jugendstilvilla. Nicht zu verpassen. Sie kennen das Quartier?«

»Selbstverständlich, ich bin Thuner«, entgegne ich mit gespielter Entrüstung. Voreilig. Es existieren eine innere, eine mittlere und eine äußere Ringstraße. Welche ist gemeint? Später erst werde ich meine diesbezügliche Wissenslücke realisieren und darum eine ganze Weile im Seefeld herumirren.

»Ist Ihnen morgen Nachmittag recht? So um 13.30 Uhr zum Tee?«

»Ja, passt.«

»Schön. Ich erwarte Sie, Herr Feller. Seien Sie auf eine Überraschung gefasst!«

Brahmsrösi

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