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On the road

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„Von Sonnenstrahlen wachgeküsst“ – ein herrlicher Gedanke. Und genauso durften wir es auf unserem ersten Campingplatz in Umina Beach erfahren. Abends schliefen wir noch leicht aufgeregt bei Regen ein, der nächste Morgen begrüßte uns dann ganz entspannt mit Sonnenschein und Vogelgezwitscher. Der erste Gang galt selbstverständlich dem Strand, wohin es am frühen Morgen bislang nur einige wenige Leute geschafft hatten. Grundsätzlich hätte der Strand aussehen können wie er wollte, aber es war nun einmal mein erster „richtiger“ Strand an der australischen Ostküste, daher darf ich ihn auch als Traumstrand verklären. Vielleicht war es ja auch wirklich so: eine sichelförmige, von üppig-grünen Hügeln gesäumte Bucht mit einem breiten, weißen Sandstrand, der so gut wie menschenleer die ersten Sonnenstrahlen begrüßte. Leichter Dunst schwebte über einer sanften Dünung, zwei bis drei Schwimmer teilten sich mit einem Stand-up-Paddler die weite Wasserfläche. Und wem das jetzt ein wenig zu kitschig klingt, dem sei gesagt, dass einen die Realität schon schnell genug wieder auf den ernüchternden Boden der Tatsachen holt. Stellen sich zum Beispiel die faszinierenden und verspielten Minikängurus vom Vorabend keine zwölf Stunden später bei Tageslicht als stinknormale Kaninchen heraus, ist man trotz aller berechtigten Australieneuphorie auch schnell wieder geerdet. In die gleiche Kategorie fielen übrigens die zahlreichen, im Straßenverkehr niedergemetzelten Kängurus, Koalas und sonstige Vertreter der doch so kuscheligen australischen Fauna, deren Anblick von nun an auf den Straßen ein zuverlässiger Begleiter sein sollte. Beim Frühstück konnten wir dann zudem die ganze Vogelvielfalt bewundern: Papageien, Ibisse, Kookaburras, Kakadus und sonstiges, von uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu identifizierendes Vogelvieh zog über unserem Camper hinweg oder präsentierte sich an der offenen Seitentür. Und wer noch nicht wusste, warum der Kookaburra bei uns auch als „Lachender Hans“ bezeichnet wird (übrigens: was für eine unoriginelle, ja langweilige Bezeichnung), dem wurde dies spätestens beim ersten Lachen/Zwitschern/Schreien klar. Nach diesem gelungenen Start in den Tag lieferte die Weiterreise weitere hinreißende Eindrücke. Besonders der kleine Zwischenstopp an der Pazifikküste bei Newcastle mit dem scheinbar perfekt abgestimmten Zusammenspiel von Sonne, Sand und Brandung hinterließ bei uns allen tiefe Spuren. Majestätisch, gewaltig, gelassen, fantastisch, beeindruckend, imposant, atemberaubend…, die Liste ließe sich beliebig fortführen und man fragte sich nicht, OB, sondern WANN man hier mit dem Surfen beginnen sollte. Weiter ging es entlang von Städten mit so wundervoll klingenden Namen wie Nambucca Heads oder Coffs Harbour. Das reizende Coffs Harbour sollte auch deshalb in lebhafter Erinnerung bleiben, da Frederik dort am Strand eine Trillerpfeife gefunden hatte. Nun glaubte er nicht nur, dass Mama und Papa nach seiner Pfeife tanzen sollten und auf sein Kommando zu hören hätten, sondern auch, dass die heimischen drei Pelikane von Coffs Harbour, die sich gerade unglücklicherweise in Hörweite befanden, sich von ihm herumkommandieren lassen würden. Was folgte, war ein permanentes Pfeifkonzert, verzweifelte Pelikane, ein breites Grinsen auf Frederiks Gesicht und leicht irritierte Eltern. Vielen Dank auch. Am dritten Campertag war es dann soweit. Es zeichnete sich ja bereits ab, nachdem die ersten brenzligen Situationen gerade noch mehr oder weniger bewusst umschifft oder glücklich abgewendet werden konnten: Die Neonbeleuchtung an der Tankstellendecke wurde von mir mit dem Camper zielgenau abrasiert. Ungläubig starrten wir uns an. Sollte ich das etwa gewesen sein, sollte ich für den Lärm und die herumliegenden Glasscherben verantwortlich sein? Was soll ich sagen? Kurz zuvor war ich noch leicht verunsichert bei der überdachten Durchfahrt unseres Campingplatzes ausgestiegen, um nachzusehen, wie es sich denn mit der Deckenhöhe so verhält. Das meinte ich offensichtlich nicht mehr nötig zu haben – oder war es einfach, dass ich leichtfertig keinen Gedanken mehr daran verschwendet hatte, nicht mehr mit dem ollen Ford Galaxy durch das heimische Potsdam zu kutschieren? Jedenfalls schlich ich nun leicht verunsichert und mit fragendem Blick kleinlaut aus dem Wagen. Zu meiner freudigen Überraschung folgte nun ein Paradebeispiel australischer „Don´t-worry-Mentalität“, von der sich viele eine Scheibe abschneiden könnten. Der junge Aussi an der Tankstelle ruhte geradezu in sich, verkörperte die Gelassenheit in Person: „Die Tanke wird in zwei Monaten sowieso renoviert, lass mal gut sein, ich fege das gleich mal weg.“ Dem folgte beiläufig noch ein „Fahr einfach wieder rückwärts heraus, damit die restlichen Leuchten noch heile bleiben“. Auf meinen versöhnlichen Small-talk-Versuch „Das passiert hier doch sicherlich öfter mit Touristen, oder?“, reagierte er nur erneut mit einem breiten Grinsen und einem tiefenentspannten „Nööö!“ Getankt haben wir dann aber auch noch. Ach ja, am selben Abend habe ich dann noch schnell beim Kochen den Rauchmelder im Camper ausgelöst. Ein zielsicherer Griff an die Decke und das Ding schwieg für den Rest der Fahrt. „Don´t worry, eben!“ Man lernt ja schließlich dazu. Eine Erfahrung ganz anderer Art war es dann, Bekanntschaft mit den legendären Roadtrains in Down Under zu machen. Mit bis zu 53,5 m Länge und 135 t Gewicht pflügen sie über die Straßen des Landes. Die aufgedonnerten Zugmaschinen sind sicherlich nicht nur etwas für PS-Nerds. Eigentlich fühlt man sich im Caravan schon sicher und erhaben, thront man doch ein wenig höher als der Großteil der Mitstreiter im Verkehr. Die Roadtrains setzen aber noch mal einen drauf. Die herausgeputzten Kühler mit ihren monströsen Bullbars versprühen eine beeindruckende und zugleich furchteinflößende Stimmung, wenn man bedenkt, dass sie im normalen Tagesgeschäft dazu dienen, stoische Kängurus von der Straße zu schieben. Und wenn einem dann so ein Roadtrain mit vielleicht 100 km/h begegnet, vielleicht auch noch auf einer engen Straße und Seitenwind, kann das einem schon einmal den kalten Schweiß auf die Stirn treiben. Glücklicherweise gab es aber auch viele andere, ausschließlich schöne Erlebnisse, die für die langen Stunden auf der Straße entschädigten. Auf jeden Fall gehört eine Fahrt über die Great Dividing Range von Ost nach West dazu. Der Start dafür erfolgte an einem der ungezählten Traumstrände der Pazifikküste. Schon nach wenigen Augenblicken schlängelte man sich durch ein sattes Grün die Serpentinen zum Küstenbergland hoch. Palmen, riesige Farne, Weine, Schlingpflanzen und auch Eukalyptus dominierten die Pflanzenwelt. Licht fiel höchstens noch durch die Schneise, die sich die Straße abenteuerlich durch den Regenwald bahnte. Und Gott sei Dank kamen uns hier keine Roadtrains entgegen, das hätte noch einmal eine richtige Herausforderung werden können. Auf der anderen Seite des Hauptkammes änderte sich dieses Szenario schlagartig. Das trockenere Klima gestattete Palmen und Farnen kaum noch Spielräume und langsam nahm der Eukalyptus überhand. Kurze Zeit darauf vollzog sich auch der Farbwechsel zu bräunlicheren Tönen, die uns dann so schnell nicht mehr verlassen sollten. Von Kilometer zu Kilometer wurde die zunehmende Trockenheit augenscheinlich, einzelne Eukalyptusbäume warfen Schatten auf die nun steppenartige Landschaft mit ihren schier endlosen Weiden. Rinder, Rinder, Rinder, dazwischen mal wieder Rinder und dann wieder Rinder und auch ein paar Schafe und ebenfalls einige Kängurus – diese leider eher leblos am Straßenrand – waren die einzige Abwechslung im Outback. Hätte man ausreichend Sprit, Trinkwasser und Zeit, wir hätten prima bis ins rote Herz Australiens durchstarten können oder auch gleich weiter bis zur Westküste des Kontinents. Wie gesagt, alles eine Frage der Planung und der Straßenbedingungen. Schon diese wenigen Kilometer auf den Highways Australiens reichten aus, um festzustellen, dass man mit seinen Zeitprognosen auf der Reise vorsichtig sein sollte. Wir – naja, ok, ich verschätzte mich so gut wie immer bei einer Zeitangabe für das nächste Etappenziel, fast immer kamen wir später an und das sollte auch im weiteren Verlauf der Reise so bleiben. Letztendlich war es ja auch müßig zu spekulieren, ob es denn an meinem sicherlich vorsichtigeren Fahrstil, am ungewohnten Camper oder an den nicht vertrauten Straßen lag oder daran, dass selbst der „Pacific Highway“, der ja eigentlich zügigen Verkehrsfluss versprechen soll, mitten durch die kleinsten Ortschaften führt und häufig durch Ampeln blockiert wird. An dieser Stelle sei aber auch einmal ausdrücklich ein Wort hinsichtlich des Kreisverkehrs verloren: Offensichtlich durften sich hier die Söhne und Töchter des Erfinders des Kreisverkehrs mal richtig austoben. Überall fand man sie, fast immer wohl-geformt und harmonisch an die Befindlichkeiten des Reisenden angepasst; mal auch mit Schwungnehmenden Vorschleifen, um die Geschwindigkeit schon im Vorfeld auf ein angemessenes Limit reduzieren zu können. Ein wahres Fest für eingefleischte Fans des Kreisverkehrs, die sich dann auch gerne mal bei einer Extrarunde erwischen lassen.


Frederik und ich

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