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Camperalltag

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Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich zu Hause nicht gerade als größter Campingfreund bekannt war? Ich kann nicht einmal sagen warum, als Kind habe ich natürlich auch mal dieses zweifelhafte Vergnügen genossen, habe natürlich auch mal mit Freunden unterm freien Himmel campiert; zwar nicht so häufig, aber wirklich schlechte Erfahrungen kann ich auch nicht vorweisen. Irgendwie aber ist die ganze Campinggeschichte an mir vorbeigegangen – ein Outdoor-Jünger sieht anders aus. Daher verwundert es auch nicht besonders, dass die Umstellung zum Camperleben für mich eine der größten Erlebnisse der Fahrt war. Fünf Personen im Alter von 4 - 46 Jahre auf vielleicht 14 qm Camper für gut sechs Wochen und ohne größere Flucht- und Rückzugsmöglichkeiten stellten schon eine wahre Herausforderung dar. Ich kann ja nur für mich sprechen, es benötigte jedoch einen Haufen Zeit, viele starke Nerven, wohl austarierte Toleranz- und Kompromissbereitschaft, Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgeschick und manchmal auch einfach nur eine durchdringende Stimme, um dem alltäglichen Wahnsinn Herr zu werden. Ich möchte behaupten, nach zwei bis drei Wochen im Camperalltag angekommen zu sein. Und natürlich hatten diese neuen Erfahrungen auch ihre unbestritten guten Seiten. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass der Besuch eines Campingplatzes eine ganz wunderbare Gelegenheit bietet, das australische Leben an sich kennenzulernen. Auf australischen Campingplätzen laufen nämlich eine Menge älterer Menschen herum – furchtbar freundliche, nette und herzliche ältere Menschen übrigens, die dann auch noch mit einem derart trockenen Humor ausgestattet sind, dass man häufig nur noch laut lachen und ungläubig den Kopf schütteln kann über so viel Frohsinn. Und die machen dann praktischerweise auch gleich vier Monate Urlaub – oder am besten noch länger. Häufig bleiben sie mehrere Wochen am selben Ort, erkunden mit einem wie zufällig bereitstehenden Kleinfahrzeug die nähere Umgebung, verlieren dabei allerdings niemals ihr wahres Ziel aus den Augen: Dem australischen Winter ein Schnippchen zu schlagen und den südlichen Landesteilen so lange zu entfliehen, bis dort wieder ein aus ihrer Sicht erträgliches Klima herrscht. Die charmante Eigenbezeichnung „grey nomads“ trifft den Nagel unmissverständlich auf den Kopf. Schön auch, wenn sich der in der Regel fitte australische Pensionär im Schlafi oder im Morgenrock – manchmal auch gerne am Rollator – zur Morgenpflege über den Campingplatz Richtung Gemeinschaftstoilette bewegt und dabei fröhlich rechts und links in die Menge grüßt; oder wenn an der Wäscheleine ein buntes Sortiment verschiedenster Unterwäsche im heißen Outbackwind präsentiert wird. Das nenne ich eine unbeschwerte und wahrlich gemütliche Atmosphäre. Und wo sonst erhält man eine derartige Fülle schier unglaublicher Lebensweisheiten. Viel habe ich gelernt über das Einparken großer Fahrzeuge. Hier wurden uns die aktuellsten Tipps zu Umgebungszielen gesteckt oder Ratschläge zum weiteren Routenverlauf durchexerziert. Unvergessen bleibt die pfiffige Antwort auf eines meiner dringlichsten Probleme: Wie zum Teufel bekomme ich heraus, wie viel Gas in der verfluchten Gasflasche für den Camper noch ist? Die ebenso verblüffende wie naheliegende Antwort des erfahrenen, friedhofsblonden Campingnachbarn: „Kipp einfach eine Tasse heißes Wasser darüber. Bis zu der Stelle, wo sich eine leichte Reifschicht gebildet hat, reicht dann die kalte Flüssigkeit im Behälter“. Na also, das war also das überlebenswichtige Insiderwissen für den Campingdschungel, das für mich als absoluten Laien Gold wert war. Wie sagt man doch so schön: Reisen bildet. Stimmt! Das unterschreibe ich doch sofort und gerne. Ein anderer Erkenntnisgewinn hatte eher indirekt mit dem Campingplatz zu tun, aber nach drei Wochen hatte ich endlich auch herausgefunden, warum Frederik auf den Campingplätzen im Sanitärbereich immer auf dem mittleren der zahlreichen WC´s wortwörtlich thronen wollte: „Der König sitzt immer in der Mitte“, so Frederik. So schlecht konnte es um sein Selbstbewusstsein also gar nicht bestellt sein. Nachdem wir uns also aus den Bergen vorerst verabschiedet hatten, machte sich allgemeine Freude breit, bald wieder an der Küste sein zu können. Die Skyline der Goldcoast bei Brisbane befeuerte geradezu die Hoffnung auf wärmere Urlaubstage am Pazifik. Den drei Kindern konnte es jedenfalls nicht heiß genug sein. Bei Tweed Heads nächtigten wir auf einem nicht mehr als durchschnittlichen und zudem proppenvollen Campingplatz, der gleich an drei Seiten von mehr oder weniger stark befahrenen Straßen umschlossen war. Und ausgerechnet dieser Stellplatz hatte es den Mädels besonders angetan: „Das ist bislang das Beste am ganzen Urlaub, hier gibt es einen beheizten Pool!!!“. Nebenbei angemerkt: Der Pool war vergleichsweise winzig. Für Frederik hatte Tweed Heads eine ganz andere Bedeutung. Pessimisten würden behaupten, er wäre hier beinahe in eben diesem Minipool abgesoffen: Auf dem Schoß der großen Josefine sitzend fühlte er sich sicher genug, todesmutig die kleine Rutsche in den Pool in Angriff zu nehmen. Hatte Mama doch zudem versprochen, ihn unten aufzufangen. Allerdings hatte Mama die Rechnung ohne den Wirt gemacht und das Tempo der beiden falsch berechnet mit dem Resultat, dass Frederik ihr durch die Finger glitt und unvermittelt erste Taucherfahrungen sammelte – noch bevor er sich ernsthaft mit dem Schwimmen beschäftigt hatte. Zum Glück war ich nicht anwesend, dem Erzählen nach setzte unmittelbar, nachdem ihn Antje doch noch aus dem Wasser gefischt hatte und er die Wasserlinie durchbrach, die Schnappatmung aus und lautes Geschrei ein. „Nebelig“ lautete seine ebenso unorthodoxe wie nachvollziehbare Antwort auf die später gestellte Frage, wie es denn unter Wasser gewesen wäre. Hoffentlich hat ihn das nicht geprägt für das Leben – es wäre zu schade. Die Mädels genossen unterdessen jedenfalls das unbeschwerte Strandleben: Vorbei an ersten, von den Behörden absichtlich gelegten Buschfeuern und den spektakulären Glass-House-Mountains landeten wir schließlich am Dicky Beach in Caloundra, ein wenig nördlich von Brisbane gelegen. Zu dieser Zeit erfreute sich bei Valerie und Josefine ein neues Spiel großer Beliebtheit: das Hai-Spiel. Dazu näherte man sich selbstbewusst und mit entschlossenem Schritt der Brandung, um dann beim ersten Wasserkontakt plötzlich aus voller Kehle laut „Hai“ zu rufen, sich blitzschnell umzudrehen, um schnurstracks und unter lautem Gejohle wieder in trockenere, „sicherere“ Gefilde zu gelangen. Ich kann nur hoffen, dass nicht zu viele der anderen Strandbesucher von diesem Spiel Wind bekommen haben, zumindest keine deutschsprachigen, vielleicht hätte es sie ein wenig verunsichert – dieses Jahr sollte an der Ostküste das Jahr mit den meisten Haiattacken seit langem werden. Aus australischer Sicht ein wenig bodenständiger verhielt es sich mit dem Surfen. Australier ohne Surfen in der Dünung ist wie die Titanic ohne Eisberg, ein für Australier wohl kaum vorstellbarer Gedanke – das geht ganz einfach nicht. Das Surfbrett zählt hier fraglos zu den Alltagsgegenständen, welches so manch Sportbegeisterter gerne auch mit ins Bett nehmen würde, wenn er es nicht sogar macht. Natürlich wollte ich meine Kinder nicht ausgrenzen oder dass man mit Fingern auf sie zeigt. Und Spaß haben sollten sie ja auch. Also ging es zielsicher in den nächsten Surfshop, was in Australien in Strandnähe keine besondere Schwierigkeit darstellt, ein kurzes Fachgespräch wurde vorgetäuscht und die Spendierhose angezogen, um anschließend den über beide Ohren strahlenden Mädels ein neues Bodysurfbrett in die Arme zu drücken. Manchmal braucht es eben nicht viel, um die Kinder glücklich zu machen. Natürlich ging es gleich ins Wasser, das Brett ausprobieren. Und das klappte sogar recht gut und ihren Spaß hatten die Mädels auch. Aber leider mussten wir dabei mit einem weinenden Auge auch feststellen, dass es gar nicht mehr so viele Gelegenheiten zum Surfen geben würde. War das Meer zu Beginn der Reise an den südlicheren Stränden ohne Neoprenanzug noch zu kalt für uns, würde es bald weiter nördlich wegen der gänzlich unsympathischen und humorlosen Krokodile ganz unmöglich werden. Aber egal, man kann halt nicht alles im Voraus bedenken und an der Ostsee ist es ja außerdem manchmal auch ganz schön wellig. Mit oder ohne Surfbrett, unsere nächste Station sollte das noble Noosa sein. Für mein Empfinden war dieses Noosa gleich zwei Stufen zu edel – oder „mondän“, wie es so verharmlosend in unserem Reiseführer niedergeschrieben stand. Golfplätze rechts wie links, und die vielen kleinen Kanäle waren die Spielplätze der schnöseligen Dorfjugend mit ihren nervenden Wasserscootern. Sowieso schien es hier mehr Jachten als Autos zu geben, am besten zeigte man sich mit beidem und wenn dann eine dieser bereiften Benzinschleudern vorgeführt wurde, dann aber auch gleich die Nobelversion. Dieses Überkandidelte war absolut nicht mein Ding. Die Parkplatzproblematik setzte allem noch die Krone auf, was bedeutete, dass ich den fuß-faulen Frederik bei der Hitze eine gefühlte Ewigkeit von der Parkbucht bis hin zum ohnehin überfüllten Strand auf meinen schon arg strapazierten Schultern tragen musste. Irgendwie rundete das später von Frederik so beiläufig herausgehauene Fazit zum Tage die Befindlichkeiten in Noosa mal wieder stimmig ab: „Das war kein guter Tag, ich habe mein Kaugummi aus dem Mund verloren!“ Nett hingegen war der dortige Noosa-Head-National-Park. Relativ überschaubar lag er wunderbar auf der vorgelagerten Halbinsel. Zwar war auch der Park überlaufen, das hatte aber auch seine guten Gründe, garantierte doch der Rundweg am Wasser phantastische Ausblicke. Und es lockte vor allem die Aussicht auf freilebende Koalas. Mit Koalas verhält es sich in Australien übrigens so wie mit den Elchen in Schweden: „ Ja, Elche (Koalas) gibt es hier viele, die sehen wir schon häufiger, ja, ja.“ Und wenn sich dann mal tatsächlich ein solcher Elch (Koala) aus dem Unterholz schleicht, dann gibt es kein Halten mehr, alle spielen verrückt. Die Einheimischen vorne weg, indem sie die ahnungslosen Touristen mit einem lauten „Ahhh“ und „Ohhh“ und schussbereiten Smartphones aus der ersten Reihe verdrängen. Es wurde sogar schon von unkontrolliertem Ellenbogeneinsatz und herumwirbelnden Selfiestangen berichtet. Jedenfalls gab es am Parkeingang praktischerweise einen Kiosk, wo man sich mit Hilfe einer tagesaktuellen Liste über die momentanen Koalasichtungen informieren konnte. Letztendlich meinte es das Schicksal gut mit mir und ich konnte nicht nur den per Aushang angekündigten Koala im dritten Baum hinten links herumlümmeln sehen, sondern ich altes Falkenauge erspähte außerdem noch einen weiteren, nicht angekündigten Eukalyptusfreund in den unübersichtlichen Baumkronen, was mir von einer sichtlich beeindruckten Australierin Respekt und ein Sonderlob vor versammelter Mannschaft einbrachte: „Wow, du hast wirklich ein gutes Auge.“ Das ging natürlich runter wie Butter. Trotz Urlaubsstimmung und meiner offensichtlich noch immer messerscharfen Augen: Auch ich hatte natürlich meine Tage, an denen ich den funktionalen Zweck meines Daseins selbstkritisch hinterfragte. Ich ging stramm auf die 50 zu, hatte aber zumindest keinen Bauch. So weit, so gut. Hier jedoch, im körperbewussten Australien, bekam ich so manche altersbedingte Nachlässigkeit noch einmal täglich und ungefragt unter die Nase gerieben. Durchtrainierte Jünglinge trugen adonis-gleich ihre muskelbepackten Körper zur Schau oder joggten mit spielerischer Leichtigkeit leichtfüßig über den Strand. Mit ihren langen, sonnengebleichten Haaren, einem verführerischen dunklen Teint und steten Wassertropfen auf der Haut schienen diese sportlichen Schönlinge eine Symbiose mit ihren Surfbrettern eingegangen zu sein. Aber ich war doch der, der hier Urlaub machen wollte! Was blieb, war Trübsal zu blasen, Frust zu schieben und sich damit abzufinden, dass man halt doch keine 20 mehr war. Was aber in solchen Situationen noch besser funktionierte: Sich vor Augen führen, dass diese scheinbar ewigschönen Jünglinge auch einmal 20 Jahre älter werden würden und vielleicht drei Kinder großziehen sollten. Auch in Kalifornien sollte das übrigens nicht wesentlich besser werden. Auf den naheliegenden schnellen Griff zur nächsten Bierdose verzichtete ich dieses Mal noch! Zurück in die Gegenwart! Hinsichtlich unserer Tierabenteuer ging es nun Schlag auf Schlag so weiter. Das Örtchen Tin Can Bay stand für Beobachtung und Fütterung von freilebenden Delfinen. Allerdings wirkte das ganze Szenario schon recht skurril: Zu früher Morgenstunde versammelten sich erwartungsfrohe Kinder samt ihrer gutmütigen aber noch unausgeschlafenen Eltern bei dichtem und klammem Nebel an einem zur Fütterungsstation umfunktionierten Café. Einige Damen wateten in Khakiuniformen durch das knietiefe Wasser, andere waren mit Kaffeeausschank, Fischverkauf und Lautsprecheransagen beschäftigt. Das alles war ja irgendwie nett gemeint, wirkte aber dank des ganzen Drumherums ein wenig unwirklich und steif. Endlich trudelten auch die ersten Delfine ein und das Spektakel verströmte zugegebenermaßen eine gewisse Faszination. Für Valerie und Josefine war das natürlich ein echtes Erlebnis, Delfine in freier Wildbahn eigenhändig mit Fischen zu füttern. Mir genügten bei der morgendlichen Kälte ja schon ein heißer Kaffee und die Aussicht auf einige nette Fotos, den Rest habe ich quasi als Zugabe hocherfreut mitgenommen. Bei Frederik sah das schon etwas anders aus. Seine Gefühle bezüglich der Delfine waren bei dem alten Pokerface nur schwerlich zu ergründen; aufgrund seiner eher noch geringen Körpergröße befand er sich zudem wortwörtlich Auge in Auge mit den dort frei herumlaufenden Pelikanen. Das hätte auch ins Auge gehen können, denn wer, bitteschön, wollte denn eine Garantie dafür übernehmen, dass die Vögel sich nicht erschrecken oder Frederik mit einem Fisch verwechseln und mit ihren immensen Schnäbeln Unheil anrichten würden. Folglich galt es, auch auf diesen Nebenschauplatz immer ein wachsames Auge zu werfen, aber an diesem Morgen waren alle – Pelikane wie Frederik – viel zu lieb, als dass man sich ärgern wollte. Und natürlich weckte dieses erste Zusammentreffen mit Delfinen Begehrlichkeiten auf den größeren und bekannteren Bruder in Monkey Mia in der Sharkbay an der australischen Westküste, dem Frederik und ich auf unserer Männertour auch noch einen Besuch abstatten wollten. Unser Ausflug nach Frazer Island stand anschließend ganz im Zeichen der Natur. Dichter, immergrüner Regenwald mit riesigen, in den Himmel schießenden Kauri-Bäume, mannshohe Farne, sagenhafte Süßwasserseen, freilebende Dingos und erste, wenn auch nur kurz und noch in weiter Ferne gesichtete Wale machten die Insel nicht nur für Antje zu einem der schönsten Reisestationen überhaupt. Und wie es sich für die weltgrößte Sandinsel gehörte, bewegte man sich hier auch nicht einfach mit einem x-beliebigen Fahrzeug von A nach B; hier war eben alles eine Nummer größer und das adäquate Gefährt war folgerichtig ein robuster Allradbus der Marke mit dem Stern. Was wir im Voraus nicht wissen konnten, jedoch schnell am eigenen Leib erfuhren, war die Tatsache, dass hinter dem Steuer dieser PS-Wunder Wahnsinnige ihr Unwesen trieben. Die Bezeichnung „Tourguide“ diente ganz offensichtlich nur der Verschleierung. Diese Horde von Vollgasjunkies hatte augenscheinlich nichts Besseres im Sinn, als friedliebende Touristen über die Inselpisten zu jagen. Ob es nun der uneingeschränkte Sportsgeist, die Fahrerehre, reines Vergnügen oder eben der pure Wahnsinn war, der sie antrieb, sei dahingestellt. Jedenfalls schienen sie von dem Gedanken getrieben, die schon sportlich über die Insel zuckelnden Durchschnittstouristen in ihren kleineren Geländewagen einzuholen und quasi so lange an deren Stoßstange klebenzubleiben, bis diese entnervt, verängstigt, frustriert die nächste sich bietende Gelegenheit am Pistenrand nutzten, um die jetzt nur noch irrer dreinblickenden „Tourguides“ vorbeiziehen zu lassen. Überflüssig zu erwähnen, dass der Typ bei einer Pinkelpause vergaß, wieder durchzuzählen, und mich daher beinahe irgendwo in der Einsamkeit der Insel zurückgelassen hätte. Glücklicherweise vermisste meine Familie mich noch und intervenierte erfolgreich. Während so also die eine Hälfte der Touristen auf der Fahrt im Bus mit unguten Magengefühlen zu kämpfen hatte und sich noch einmal durch den Kopf gehen ließ, wann und was genau es denn zum Frühstück gegeben hatte, lauschte die andere Hälfte den Vorträgen des Guides und genoss dabei die Schönheit der Insel. Frederik verschlief die erste Stunde auf der Wackelpiste, beschränkte sich anschließend aber sofort wieder auf das Wesentliche: „Was es wohl zum Mittag gibt, wenn ich wieder in Potsdam zur Kita gehe?“ Buckelpiste hin, Naturerlebnisse her, die unvergleichlichen Süßwasserseen im Landesinnern von Frazer Island stellten dies alles noch einmal in den Schatten. Vor allem der bildschöne Lake McKanzie verschlug uns ob seiner Schönheit die Sprache. Auch wenn der nur wenige Meter breite Strand vergleichsweise klein ausfiel, würde es Lake McKanzie garantiert unter die Top-5 der schönsten Strände unserer gesamten Reise schaffen. Man muss diesen feinkörnigen, blendend weißen Sand und das kristallklare Wasser einfach gesehen und erlebt haben, dann kann man zu gar keinem anderen Urteil kommen. Einziger Wermutstropfen war das zum Fürchten kalte Wasser des Sees, dennoch haben sich alle in die Fluten gestürzt, sich zusammengerissen und für ein wackelfreies Erinnerungsfoto für Sekunden das Zittern eingestellt. Und auch die Warnungen, sich nicht zu weit zu entfernen, eine Dingo-Attacke würde nur Sekunden dauern, dann sei alles geschehen, wurde geflissentlich in den Wind geschlagen. Warum sollte man sich auch an so einem paradiesischen Ort mit so bösen Gedanken belasten wollen. Am folgende Tag ging es erneut Richtung Frazer Island, dieses Mal von der Wasserseite aus - Whale Watching stand auf dem Programm. Im Vorfeld meinte ich noch, einen kleinen Kulturbeitrag liefern zu müssen und fragte optimistisch in die Runde: „War es nicht Jona, der in der Bibel von einem Wal verschlungen wurde?“ Josefine: „Welcher Jona? Keine Ahnung.“ Und bevor ich weiter auf eine mangelnde Allgemeinbildung eingehen konnte, fügte Valerie hinzu: „Äh, was für eine Bibel?“ Seufz! Ich kann mich halt nicht um alles kümmern und schiebe diese kleine Wissenslücke einfach mal auf die atheistische Grundausbildung meiner im Osten sozialisierten Gattin. Schlussendlich konnten wir aber doch noch die vielen Buckelwale genießen, die teils zügig am Ausflugsboot vorbeizogen, teils sich nicht aus der Ruhe bringen ließen und friedlich an der Oberfläche vor sich hin trieben oder teilweise auch ihre aktive Seite zu entdecken schienen und kühne Sprünge vollführten – wir würden wohl eher „grandiose Bauchklatscher“ dazu sagen. Auf eine weitere geniale, gar nicht hoch genug zu bewertende Errungenschaft des kulturellen Zusammenlebens stießen wir direkt in der Gemeinschaftsküche auf unserem Campingplatz in Hervey Bay. Ein eher unscheinbares Hinweisschild vermittelte uns die zunächst etwas kryptisch wirkende Botschaft „2-Can-Club 4-5“. Nach kurzem Nachdenken fiel uns die naheliegende Auflösung wie Schuppen von den Augen: „2 Büchsen Bier zwischen 16.00 und 17.00 Uhr!“ Hier trafen sich also die australischen Lebenskünstler am frühen Nachmittag, um dem gemütlichen Teil der Freizeitgestaltung nachzukommen. Das passte zwar nicht 100%ig zu meiner lebensbejahenden Urlaubsdevise „2-Bier-vor-4“, trieb mir aber als von Pawlow gesteuertem Herdentier sofort den Speichel in den Mund. Warum also immer in die Ferne schweifen, wenn das Glück doch zum Greifen nah war. Das wäre doch bestimmt auch etwas für den heimischen Freundeskreis.


Frederik und ich

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