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Revolution im Paradies

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Schon einmal etwas von Bundaberg gehört? Was in good-old-Germany bestenfalls unwissendes Kopfschütteln heraufbeschwört, provoziert in Australien ein wissendes Lächeln, kennt doch das Örtchen Bundaberg in Down-Under wohl jedes Kind - oder eher jeder vor dem Gesetz Erwachsene. Bundaberg ist nämlich die Heimat der Bundaberg Destille, in der mittels verschiedenster chemikalisch-thermischer Abläufe aus Zuckerrohr Rum gezaubert wird – in Bundaberg versucht man es zumindest! Als ich also feststellen musste, dass das Städtchen auf unserer Route links liegen gelassen würde, fiel meine Trauer zunächst durchaus üppig aus. Wer lässt sich schon gerne im Urlaub den Besuch einer Schnapsbrennerei entgehen? Aber vielleicht geschah das alles auch intuitiv oder folgte gar einem großen Plan, denn wenn man erst einmal nähere Bekanntschaft mit dieser Plörre gemacht hatte, konnte der Bogen, den man um Bundaberg samt seiner Produkte schlagen sollte, gar nicht mehr groß genug ausfallen. Das war mir noch nie passiert: Ich war die Sache generalstabsmäßig angegangen, hatte ein handliches Fläschchen Rum im vertrauten Beer-Wine-Sprit-Shop erworben, diese im campereigenen Eisfach zwischengelagert und mir zudem noch eine Cola besorgt, um dann voller Vorfreude am Ende des Tages und nach langer Fahrt über eine ebenso heiße wie die Kehle austrocknende Piste ein ganz und gar wundervolles Getränk zu verköstigen. Um die Sache gleich auf den Punkt zu bringen: Das Zeug war ungenießbar und selbst mit Cola und Konsorten nicht zu ertragen! Letztlich habe ich die noch fast volle Flasche bei der Rückgabe des Campers im Müll entsorgt. Ich wiederhole mich nur ungern: Das ist mir noch nie passiert…! Unser nächstes größeres Ziel sollte jedenfalls der Carnarvon National Park werden. Dafür nahmen wir auch bewusst eine längere Etappe über zunehmend staubiger werdende Outbackpisten in Kauf. Das hatten wir bewusst so geplant, denn irgendwie gehört so ein Pistenerlebnis ja auch zu einem Australienurlaub dazu und sollte mal kennengelernt und erlebt werden – von genießen will ich mal lieber nicht sprechen. Jedenfalls entstand gleich zu Beginn dieser Tour eines der schönsten Tierfotos der Reise. Keine geringere als die wundervolle Red-Bellied-Black-Snake durfte als Motiv herhalten. Einziger Knackpunkt an der Sache: Das Foto war ein fake, denn als Antje die Schlange sichtete, war diese wohl schon beim Sonnenbad auf dem kuschlig-warmen Asphalt gestört worden und hatte bereits Bekanntschaft mit dem Reifenprofil eines deutlich schwereren Fahrzeugs gemacht. Bis wir dann nach einem alles andere als rasanten Wendemanöver endlich auch wieder dort waren, hatte ein weiteres schweres Gefährt das üble Werk fortgeführt und das arme Tier zum zweiten Mal geplättet. Viel zu bewundern gab es da also nicht mehr. Dennoch hieß es: „Alle Mann raus aus dem Camper, Schlange bewundern!“ Also alle Mann raus aus dem Camper; das, was von der Schlange noch übrig und noch nicht in den Asphalt eingearbeitet war, würdevoll begutachten, für ein Foto herrichten und schleunigst wieder in den Camper einrücken, bevor der nächste Verkehrsteilnehmer uns irgendwie auf den Leib rücken konnte. Damit aber noch nicht genug der Aufregung. Ganz im Sinne von Murphys Law sollten wir natürlich genau dann ein Problem mit unserem bis dahin doch so treuen Camper bekommen, als wir uns am weitesten von der Zivilisation entfernen wollten. Und ausgerechnet auch noch genau dann, als die auto- und linksfahrtechnisch eh schon verunsicherte Antje hinter dem Steuer saß, um uns durch das Outback zu kutschieren. Jedenfalls wechselte eines der Lämpchen am Armaturenbrett ohne Vorwarnung auf gelb. Nun hieß es Ruhe bewahren, links – nicht rechts!!! - ranfahren und schauen, ob uns das schlaue Büchlein im Handschuhfach weiterhelfen könnte. Außerdem leuchtete die Warnlampe ja nur gelb und nicht rot, die Kinder nörgelten oder quengelten nicht, wir hatten noch Tageslicht und es kamen uns noch Autos entgegen – so aussichtslos schien die Lage also bei weitem nicht. Im Nachhinein ist man ja immer schlauer: Das wohl eher zu vernachlässigende Dörfchen Theodore sollte allein schon deshalb in Erinnerung bleiben, weil hier wohl das Übel seinen Lauf nahm. Zunächst einmal waren wir einfach nur froh, nach einer längeren Strecke endlich mal wieder eine Ortschaft zu sehen und tanken zu können. Hinterher fragt man sich dann natürlich, ob man nicht hätte skeptisch werden sollen, weil die Tanke in Theodore die einzige auf unserer gesamten Reise sein sollte, an der man nicht selber zapfen durfte, sondern einem das mehr oder weniger geschulte Personal die Arbeit abnahm. Jedenfalls stellte sich heraus, dass uns hier offensichtlich gepanschter Sprit untergejubelt worden war, auf den der bislang so verwöhnte Motor eben mit einer gelben Warnleuchte reagierte. („gepanschter Sprit“, „Farben wechseln“? Stelle ich da gerade einen Zusammenhang zwischen mir und einem Verbrennungsmotor her? Schließlich schalteten bei mir auch alle Geschmacks-Warnlampen mindestens auf gelb, als mein bislang so verwöhnter Gaumen von diesem gepanschten Sprit namens Bundaberg-Rum malträtiert wurde. Warum sollte es mir also anders ergehen als dem Campermotor…). Egal, zurück zum Lauf der Geschichte! Laut VW-Handbuch waren wir nun also im schlimmsten Fall von giftigen Abgasen bedroht – was aber nicht der Grund für unsere ruhigen und schläfrigen Kinder gewesen wäre. Und da sich die Situation nicht verschlimmerte, schafften wir auch noch die schlappen 80 km bis zum nächsten Örtchen Rolleston. Die freundliche Bedienung der lokalen Tanke konnte uns dann gleich an einen ebenso kompetenten wie freundlichen Automechaniker verweisen. Mit der nun schon berühmt-berüchtigten australischen Gelassenheit nahm er uns dann dankenswerterweise die ärgsten Befürchtungen: „Nö, helfen könne er uns nicht wirklich, da wir ja einen VW fahren würden, er aber nicht befugt sei, dessen Elektronik überprüfen zu können. Das könnte sonst eventuell teuer für uns werden. Aber wohin wir denn wollten? Ah, nach Süden in den Carnarvon N.P., und anschließend wieder weiter nach Norden. Gut, das seien doch nur schlappe 400 km, vielleicht ein wenig mehr, aber in Emerald gäbe es doch eine Lizenzwerkstatt von VW. Also er würde einfach weiterfahren, das würde schon nicht so schlimm werden und zur Not könnte man ja dann in Emerald immer noch die Werkstatt aufsuchen und weitersehen…“ Warum also lange grübeln, so machten wir es dann schließlich auch. Dank dieser frisch gewonnen Selbstsicherheit gönnten wir uns eine Nacht im schönen Rolleston, um uns anschließend auf den Weg zum Carnarvon N.P zu machen. Und auch Rolleston, nicht viel mehr als eine Straßenkreuzung mit einigen Häusern, der Tankstelle, einem Campingplatz, einem Windrad und natürlich die Autowerkstatt nicht zu vergessen, hielt natürlich noch weitere bemerkenswerte Kuriositäten für uns parat. Zum einen gab es da den eingezäunten öffentlichen Spielplatz, auf dem der Besucher mittels eines offiziellen Hinweisschildes „No Horses In Fenced Area“ daran erinnert wurde, doch bitte keine Pferde mit auf den Spielplatz zu nehmen! Ja, schade eigentlich, das hätte bestimmt lustig werden können. Zum anderen beobachtete Frederik auf einer der Straßen zwei Vögel bei der Balz, wobei einer der beiden ganz entzückend mit dem Bürzel hin und her wackeln konnte. Das muss Frederik so fasziniert haben, dass er sich ebenfalls zu einem Po-Wackler hinreißen ließ und dabei unsere große Freude darüber bemerkte. Diese war offenbar so offenkundig, dass er im weiteren Verlauf der Reise seine Technik perfektionierte und uns von nun an häufiger damit erfreute – vorzugsweise natürlich, wenn er irgendeinen Quatsch verzapft hatte, ein Meckern drohte und er genau wusste, dass er mit einem Po-Wackler sofort wieder die Lacher auf seiner Seite hatte. Dass wir es dann noch bis zum Nationalpark geschafft haben, überrascht nun nicht mehr wirklich. Der Wagen hielt durch und auf den finalen Kilometern der staubigen Piste wurden wir noch einmal anständig durchgerüttelt. Kein Wunder also, dass nach all der Aufregung der schattige Campingplatz direkt in einer Flussschleife wie eine paradiesische Oase im ausgedorrten Nichts anmutete. Schon hüpften die für uns ersten wirklich großen Kängurus direkt vor der Nase über den Weg und die offensichtlich Touristen gewohnten Kerle ließen uns auch gleich bis auf wenige Schritte heran. Eine andere Gruppe von Beutelträgern hatte es sich direkt am Fluss bequem gemacht, lümmelte dort herum und ließ sich von Vögeln fiese Parasiten aus dem Pelz pflücken. Der sich ankündigende Frühling war Ursache für einen regen Betrieb am Beutel, wo ein ständiges Kommen und Gehen keinen zur Ruhe kommen ließ. Aber es guckte nicht nur der eine oder andere Kopf aus einem Beutel. Am nachhaltigsten blieb mir die Pfote in Erinnerung, die wie ein kahler Ast aus dem Mutterbauch ragte. Man muss es einfach selber mal gesehen haben, um zu realisieren, wie bizarr das nun wieder aussah. Damit aber nicht genug mit dem Tierleben auf dem Campingplatz. Als des Nachts sich die Blase bei mir nachdrücklich meldete und ich bei wieder einmal frostigen Temperaturen über den halben Campingplatz zu den sanitären Anlagen stapfen musste, war dies selbstverständlich auch eine prima Gelegenheit, den funkelnden Sternenhimmel mit seinen mir größtenteils unbekannten Sternenbildern zu bestaunen. Doch galt es, vorsichtig zu sein, denn auch in Bodennähe lauerte Überraschendes: Watschelte da doch ganz unverschämt ein Schnabeligel seelenruhig über den Boden – der erste in meinem Leben. Und was lehrt uns das? Immer ein wachsames Auge haben und nicht zu lange den Sternenhimmel nach Sternschnuppen absuchen, man weiß nie, was einem auf dem Erdboden entgegengewackelt kommt. Unter anderem war der Carnarvon-Park auch bekannt für seine Schnabeltiere, die man hier wohl leichter zu Gesicht bekommen sollte als anderswo. Folglich hieß es am frühen Morgen – gefühlt also kurz nachdem ich beinahe auf den Po-wackelnden-Watschel-Schnabeligel gelatscht wäre – raus aus den Federn und hin zum Fluss. Beim schummrigen Dämmerlicht war allerdings nicht viel auszumachen. Aber irgendetwas musste ja der Grund für die leichten Wellen und die „Ahhs“ und „Ohhs“ der Handvoll Mitbeobachter sein. Also von mir aus auch gerne ein Schnabeltier. Aber wäre nicht einer meiner frühmorgendlichen Mitstreiter so hartnäckig dabei geblieben, dass es „zu mindestens 100 %“ eines dieser skurrilen Schnabeltiere gewesen sein müsste – für mich wäre es auch als Biber oder Bisamratte durchgegangen. Warum sich jedoch darüber groß den Kopf zerbrechen, letztendlich wurde ich noch mit ein paar netten Fotos und lecker heißem Kaffee beim Frühstück in der Morgensonne belohnt. Gewandert sind wir dann im Nationalpark übrigens auch noch. Antje benötigte mal eine Auszeit, wollte mal ihr eigenes, gewöhnlich höheres Tempo anschlagen und wohl auch einen Hauch von Freiheit genießen. Also hieß es, getrennte Wege zu beschreiten, Antje die lange Tour durch die Hauptschlucht, Stefan mit den Kindern eine kürzere Variante hoch auf den nächsten Berg. Ein Highlight auf einer solchen Tagestour bestand dann regelmäßig darin, Frederik mal nicht auf den Schultern durch den Busch tragen zu müssen, mal Zeit für sich zu haben oder sich auch mal in aller Ruhe ins Gebüsch schlagen zu können, um dort unaufschiebbaren Dingen nachzukommen. Natürlich nur so lange, bis Frederik dann aufgeregt angelaufen kam, der mir beispielsweise unbedingt einen Stein zeigen wollte, der „ganz, aber wirklich ganz bestimmt aussieht wie ein Fahrradsattel“. Auf die Idee muss man erst einmal kommen! Wir also wieder gefühlte hundert Meter zurück, um einen Stein gezeigt zu bekommen, der für ein ungeübtes oder phantasieloses Auge wie meines auch nur aussah, wie alle anderen Steine in der Umgebung. Auf die Perspektive kommt es halt an. Festzuhalten ist noch, dass es im Carnarvon N.P. zur ersten ernsthaften Meuterei von Josefine kam: Es hatte sich schon frühzeitig angedeutet, Wandern war nicht Josefines Ding. Diese Art der Fortbewegung entsprach ganz und gar nicht ihrer Vorstellungen von Urlaub. Während Valerie noch für einiges zu begeistern war, standen für die Große Strandleben, Shoppingsehnsüchte oder ihr Tablet oben auf der Agenda. Aber was soll man auch erwarten von jemandem, der auf seine „Alles-ist-möglich-Reisewunschliste“ Ziele wie London, Paris oder Pisa setzt. Glücklicherweise war Josefine noch nicht so geschickt, Valerie auf ihre Seite zu ziehen, so dass es für uns Erziehungsberechtigte ein Leichtes war, die aufmüpfige Fine so gut es ging zu ignorieren und sie einfach am Camper zurückzulassen. So also vergingen unsere Tage in der Oase Carnarvon National Park, den es früher oder später auch wieder zu verlassen galt. Der Wagen ließ uns nicht im Stich, so dass wir in Emerald keinen Grund mehr sahen, eine Werkstatt aufzusuchen. Auf unserem Weg nach Norden hielt die Landschaft in diesem Teil des Landes auch keine großen Überraschungen für uns parat, höchstens die Zahl der am Straßenrand liegenden toten Kängurus versprach noch Aufregung und Abwechslung – die Stunden im Auto zogen sich ein wenig. Wenigstens Frederik wusste sich bei Laune zu halten, indem er mit seinen als Pistolenersatz dienenden Stöcken aus dem Auto heraus auf alles schoss, was draußen an seinem Fenster vorbeirauschte: Bäume, Strommasten und Vögel, vor allem Vögel. Einen Vogel hat er jedoch nicht erwischt, ich habe ihm die Arbeit abgenommen: Durch den Autoverkehr aufgeschreckt hatte der große, für mich allerdings nicht näher zu bestimmende Greifvogel nichts Besseres im Sinn, als den Weg über die Fahrbahn zu wählen – wo sich dann sehr zum Leidwesen des Federviehs unsere Wege kreuzten. Den lauten Knall haben die Kinder gar nicht bemerkt, die Windschutzscheibe blieb heil und Blut floss auch keines, der Vogel hatte aber seinen letzten Flügelschlag unternommen. Zum Glück sollte dies unsere einzige Begegnung mit größerem Getier auf der Fahrbahn bleiben. Das Städtchen Clearmont entpuppte sich dann als ein überraschend schönes Nachtquartier. Gleich zur Begrüßung hieß es, ob wir nicht noch ein wenig warten wollten, gleich sei doch Zeit zur Vogelfütterung. Es folgte eine Szene aus Hitchcocks „Vögel“, nur in schön: ungezählte Papageien, flankiert von einigen Kakadus, machten sich über die bereitgestellte (Körner-)Beute her. Mittendrin vor allem Valerie, mit Abstrichen Josefine und Frederik als Beobachter aus gebotener Distanz. Die Resultate waren dann nette Erinnerungsfotos und glücklich-stolze Kinderaugen. Der wunderbar einsame und ruhige Übernachtungsplatz bot sich dann gleich zum Lagerfeuer an. Die bei der Feuerholzsuche im trockenen Gras einige Schritte vor mir raschelnden Gräser und Zweige haben mich jedoch leicht grübeln lassen. Vorsichtig formuliert hatte mich etwas der Mut verlassen – wahrscheinlich hatte ich aber die Buchsen gestrichen voll. Ob nun eine Eidechse, eine Ratte, eine Schlange oder ein anderes, für arglos-unwissende europäische Touristen gefährlich-giftiges Getier durch das hüfthohe Gras schlich, der Sache auf den Grund gegangen bin ich jedenfalls nicht mehr. Schließlich muss man ja auch nicht alles wissen wollen und Feuerholz hatte ich schon zur Genüge zusammengetragen. Manchmal reicht es vollkommen aus, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Mein Selbstvertrauen hatte ich vollends wiedererlangt, als es mir anschließend gelang, gleich mit dem ersten Streichholz das Lagerfeuer zum Lodern zu bringen. Bekanntlich soll man ja den Tag nicht vor dem Abend loben. Und das traf mal wieder exakt den Nagel auf den Kopf. Denn die zugegebenermaßen wunderbar sternklare Nacht bescherte mir erneut ein dermaßen kaltes Bett, dass ich schon wieder wortwörtlich um meinen Schlaf zittern musste. Ich wiederhole mich nur ungern: Ich kann mich an keinen Urlaub erinnern, bei dem ich so gefroren habe. Die Kombination aus Frederiks nächtlichem Kuschelbedürfnis und meinem leichten Schlaf tat ihr Weiteres dazu, mich aus dem warmen Bettchen zu treiben. An Schlaf war nicht wirklich zu denken. Aber die Weisheit „den Tag nicht vor dem Abend zu loben“ hatte ja auch ihre guten Seiten, sprich den Tag. Denn was gibt es Schöneres, als nach genau so einer Nacht – viel zu wenig Schlaf und viel zu große Frostbeulen – sich morgens unter eine so heiße Dusche zu stellen, unter der man sonst wohl nur Ferkeln ihre borstige Haut abziehen würde. Einfach grandios. Ich hatte also unbestritten auch meine schönen Momente. Und wenn man sich dann mit Musik und heißem Kaffee wieder in seine idealerweise noch warme Decke einmummeln kann und boxenden und wild herumjagenden Jungkängurus in der Morgensonne bei ihren Rangkämpfen unter Halbstarken zusehen darf – nicht ohne zuvor noch den beiden vorpubertierenden Mädels eine Ladung Männerdeo in ihre Schlafkoje gejagt zu haben – ja, dann ist es wirklich schön. Solche Momente werde ich gewiss nie und niemals vergessen. Bevor wir dann unser nächstes Ziel Mackay erreichen sollten, wurden wir von einer beinahe schon liebgewonnenen Tradition eingeholt: Meine Ansage: „In zwei Stunden sind wir da“, war natürlich vollkommen falsch, ich hatte mich mal wieder dicke verschätzt. Dass wir dann zu relativ vorgerückter Stunde keinen freien Campingplatz mehr gefunden haben, führte nur kurzfristig zu Verstimmungen. Denn die Entscheidung, dann doch gleich unser eigentliches Ziel, den Cape Hillsborough National Park anzusteuern, war das Beste, was uns passieren konnte. Auf dem Anfahrtsweg noch geschickt eine kleine Ehekrise umschifft, als wir uns bei unangenehm sinkendem Benzinpegel nicht über den exakten Straßenverlauf einigen konnten, erreichten wir Cape Hillsborough rechtzeitig zu einem prächtigen Sonnenuntergang. Klammern wir mal diese traumhafte, sichelförmige Bucht mit ihren bizarren Felsformationen kurz aus – empfohlen worden war uns der Nationalpark vor allem wegen seiner zutraulichen Kängurus, die sich frühmorgens am Strand tummeln sollten. Also ging es dann beim nächsten Sonnenaufgang gegen kurz nach 6.00 Uhr zum fröhlichen Happening an den Strand. Mit von der Partie war neben Antje und mir auch Valerie, die für solche Events noch etwas übrig hatte. Frederik hatten wir praktischerweise gleich schlafen gelassen und bei Josefine versuchten wir es um diese Uhrzeit schon gar nicht mehr, sie hatte sich schon lange für das Ausschlafen entschieden („Ich stehe doch in meinen Ferien nicht zu so einer Zeit auf!!!“). Zusammen mit einer angenehmerweise überschaubaren Gruppe von Mitcampern beobachteten wir also zu früher Stunde, wie die tiefenentspannten Tiere sich nicht aus der Ruhe bringen ließen und ihre Spuren im feuchten Sand zogen. Die nebligen Felsformationen im Hintergrund des ganzen Geschehens meinte ich das letzte Mal im Kino beim King-Kong-Film mit Naomi Watts gesehen zu haben. Das alles strahlte eine eigene, famose Stimmung aus und diesen Schwung wollten wir nun nach dem Frühstück zu einem familieninternen Erkundungsgang in die unmittelbare Nachbarschaft nutzen. Doch da hatten wir die Rechnung ohne Josefine gemacht. Sie hatte ganz andere Pläne, war doch eine solche Unternehmung für ihre innere Uhr noch immer entschieden zu früh. Es war also an der Zeit für die zweite Meuterei der Revoluzzerin Josefine. Dass wir dann grandiose Ausblicke, riesige Schildkröten, eine Schule Delfine und herrliche Sandbänke erleben durften, interessierte die daheim-gebliebene Josefine nur herzlich wenig. Nicht mal nachgefragt oder Interesse geheuchelt hat sie. Schade eigentlich, aber wenigstens konsequent von ihr – wenn man der Geschichte überhaupt irgendetwas Positives abgewinnen möchte. Auch sonst wuchs uns Cape Hillsborough für einige Tage dank purer Erholung und authentischer Campingplatzstimmung ans Herz. Die Mädels bearbeiteten zum Beispiel eine Kokosnuss mit Zange und Schraubenzieher so lange, bis sie schließlich zum Kern vordrangen und enttäuscht – ok, eher entsetzt – feststellen mussten, dass das fürchterlich stinkende Gebräu in der Nuss bereits vergoren und folglich ungenießbar war. An einem anderen Tag vertrieb man sich die Zeit mit Eisschlecken, Minigolf oder neugierigem Herumknabbern an frisch vom Straßenrand gemopsten Zuckerrohrstangen – die Gegend um Mackay zählt zu den weltweit größten Anbaugebieten von Zuckerrohr. Unerreichbare Dialoge wie der folgende lockerten den Alltag zwangsläufig auf: Tochter X: „Wo ist Mama?“ Papa: „Duschen.“ Tochter X (mit ungläubigem, ja fast schon wahnsinnigem Blick): „Duschen??? Das war sie doch gerade gestern!!!“. Ganz oben auf meiner persönlichen Das-hätte-es-doch-nicht-gebraucht-Liste anzusetzen war sicherlich auch das Vergnügen, nach langer Zeit endlich mal wieder deutschen Stimmen im Sanitärbereich lauschen zu dürfen und dabei unbewusst Zeuge solch gewaltiger, sprachakrobatischer Ausbrüche zu werden: „Malte, ich gehe jetzt kacken!“ Punkt. Dem sei nichts hinzugefügt.Mit der mehr oder weniger um die Ecke liegenden Stadt Mackay verknüpften die Mädels vergleichsweise hohe Erwartungen, hatten sie doch von Nationalparks insgesamt die Nase gestrichen voll. Um etwas Dampf vom Kessel zu nehmen, gaben wir dem Drängen der beiden Mädchen nach und setzten eine Einkaufstour auf die Tagesordnung. Die Wahl fiel dabei auf das aus 270 Läden zusammengesetzte Caneland-Shopping-Center. Was als grandioses Shoppingereignis geplant war, endete jedoch als einziger Reinfall. Statt Shoppingsehnsüchte zu erfüllen wurde Frust geschoben: Es war nicht so, dass wir uns bei dem erdrückenden Läden-Boutique-Shop-Angebot nicht hätten entscheiden können; es gab einfach keine Auswahl, rein gar nichts, wo man mal etwas hätte an- oder ausprobieren können, oder wofür es sich gelohnt hätte, Shops abzuklappern, zu warten und zu vergleichen. Es war wirklich frustrierend, eine einzige Enttäuschung. Also zogen wir unverrichteter Dinge wieder ab; mit langen Gesichtern und um eine Erfahrung reicher – die man sich aber auch hätte schenken können. Was blieb, war ein Besuch beim unvermeidlichen Hungry Jack´s, wie man Burger King in Down Under so schön nennt. Wir stopften uns dort voll, was erfahrungsgemäß nicht allzu schwer fiel, und zogen uns dann nicht mehr ganz so ernüchtert wieder an den Strand zurück. Da die Mädchen in der Folge einigermaßen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden waren, nutzen wir diesen Augenblick der Schwäche, um einen kleinen Schwenker in die so positiv angekündigte Berglandschaft des Eungella Nationalparks durchzudrücken – es sollte unser letzter Abstecher Richtung kühlere Gefilde werden. Zugegeben, der Broken River mit seinen verspielten Schnabeltieren ließ die Endorphine noch einmal in die Höhe schnellen. Aber abends kamen wir dann noch mit einem deutschen Pärchen ins Gespräch, das uns vom warmen und abwechslungsreichen Norden vorschwärmte. Die Nacht auf dem Stellplatz ohne Strom und folglich auch ohne Heizung gab mir schließlich den Rest. Nicht nur unsere unmittelbare Umgebung erstrahlte am Morgen im frostigen Weiß; bereits in der Nacht verlangte Frederik mehrmals nach mir und der Boden im Camper fühlte sich so an, als ob es geschickter gewesen wäre, nicht barfuß sondern besser gleich auf Schlittschuhen zwischen unseren Betten zu pendeln. Noch vor dem Frühstück zog ich bibbernd die Reißleine, schloss mich der dritten und finalen Meuterei um die Wortführerin Josefine an und steuerte den Wagen durch die aufgehende Morgensonne Richtung Strandleben und Wärme.


Frederik und ich

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