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9) Letzte Hoffnung

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Dresden, Februar 1990

Lorenz Jakobi hegte eine letzte Hoffnung. Als er die Fernsehberichte über die Öffnung der Mauer gesehen hatte und die ersten Trabis und Wartburgs mit ihren blauen Abgaswolken in Stuttgarts Straßen zu riechen waren, dämmerte es ihm, dass in Deutschland eine historische Veränderung stattfand. Der Kunstmarkt war von ihr genauso erfasst wie viele andere Bereiche. Es wäre doch möglich, dass auch er selber davon profitieren könnte? Vielleicht war die Galerie noch zu retten. Er musste sich beeilen. Dresden war auf einmal ein realistisches Ziel.

Die Transitautobahn war in erstaunlich gutem Zustand. Er erreichte Dresden in kürzerer Zeit als er es sich anhand einer Straßenkarte vorgestellt hatte. Der Zwinger oder die Semper-Oper interessierten ihn nicht, sondern er suchte sofort die Galerie Schulze auf. Das Wasser stand ihm bis zum Hals.

Die Verlegung seiner eigenen Galerie in den Königsbau am Schlossplatz sah nur von außen wie ein Erfolg aus. Die Bilanz nach fünf Jahren war düster. Die Folgen des Wasserschadens vom letzten November waren katastrophal. Die adretten Typen von der Bank waren gnadenlos. Erst ließen sie ihn warten und dann schickten sie einen dieser Jungmanager, der frisch aus dem Führungsseminar entsprungen war.

„Sie haben noch drei Monate Zeit, uns einen Bürgen zu benennen. Eine andere Möglichkeit dürfte für Sie kaum bestehen. Danach werden wir die Vollstreckung unserer Forderungen betreiben.“

„Aber wie stellen Sie sich das vor?“

„Es tut mir leid, Herr Jakobi, aber die Sicherheit des Vermögens unserer Kunden ist oberstes Prinzip seit der Gründung des Hauses im Jahre 1859. Das werden Sie sicher verstehen.“

Arschloch, dachte Lorenz und nach ersten Mordphantasien entwickelte er Überlegungen, wie die veränderte politische Situation ihm vielleicht aus der Bredouille helfen könnte. In Dresden musste es immer noch ein Reservoir an Lithografien geben. Dieser Versager Abelein hatte in den letzten Jahren erstaunlich viele Dix-Grafiken angeboten. An solche musste er doch direkt kommen können. Wenn er Abelein als Zwischenhändler umgehen könnte, blieb mehr bei ihm hängen.

Pah, das reichte nie für den Riesenschuldenberg. Wenn es ihm aber gelänge…. In der Akademie war die Neue Sachlichkeit Jakobis Prüfungsschwerpunkt gewesen. Otto Dix war nicht nur kunstgeschichtlich eine interessante Figur. König hieß die Frau, mit der er dort eine zweite Familie gegründet und jahrzehntelang unterhalten hatte. Die Beziehung hatte über 40 Jahre bis zum Tod des Malers bestanden. Wer konnte wissen, was da vorhanden war. Die Erben würden bald begreifen, was für so ein Werk rauszuholen war. Es musste ihm gelingen, vor diesem Zeitpunkt an die Sachen zu kommen. Dieser ganze Versuch war ein Griff nach dem Strohhalm, aber besser als nichts.

Jakobi betrat den Laden in der Salzstraße. Der Inhaber der Galerie Schulze empfing zum dritten Mal Besuch aus Stuttgart.

„So, die Katharina wollen Sie sehen? Na, über Westbesuch freut sie sich sicher!“

„Lebt sie noch in Dresden?“

„Die ist aus der Wohnung ihrer Mutter nicht ausgezogen. Das Umziehen ist ja bei uns gar nicht so einfach.“

Jakobi war gespannt, was er bei ihr vorfinden würde. Vielleicht war es sinnvoll, vorher in der Druckerei Ehrhardt vorbeizuschauen. Abelein hatte neulich von einem Mitarbeiter erzählt, der Falk Heinrichs hieß. Den musste er sprechen. Vielleicht bekam er noch eine Chance. In den Trümmern der gezeichneten Stadt sah er ein erstes Hoffnungspflänzchen keimen.

Martha vor dem Spiegel

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