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bb) Spaltung
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Eine Spaltung i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG kann sowohl durch eine Aufspaltung des Betriebs als auch durch die Abspaltung von Betriebsteilen erfolgen.[137] In Fällen der Aufspaltung wird der Ursprungsbetrieb aufgelöst. Der Betriebsrat erhält unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine zeitlich befristetes Übergangsmandat in den Betriebsteilen und behält nach § 21b BetrVG ein Restmandat für den Ursprungsbetrieb.[138] In Fällen der Abspaltung besteht der Ursprungsbetrieb fort. Sein Betriebsrat bleibt im Amt und hat hinsichtlich der Abspaltung nach §§ 111 ff. BetrVG mitzubestimmen. Für die abgespaltenen Teile hat er, sofern die Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorliegen, ein zeitlich befristetes Übergangsmandat (vgl. dazu auch Rn. 360).[139]
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Die Spaltung von Betrieben erfasst damit neben der unternehmensinternen Betriebsaufspaltung durch Änderung der Organisationsstrukturen auch die unternehmensübergreifende „Betriebsaufspaltung“, etwa im Wege einer Herauslösung eines Betriebsteils aus einer bestehenden Organisationseinheit und der Übertragung auf einen anderen Inhaber i.S.d. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB.[140] Das gilt selbst dann, wenn ein abgespaltener Betriebsteil anschließend in einen anderen Betrieb eingegliedert wird und dabei untergeht, d.h. seine Betriebsidentität beim Erwerber verliert.[141]
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Nach Ansicht des BAG soll es hierbei – anders als bei einer Teil-Betriebsstilllegung – nicht darauf ankommen, ob ein „wesentlicher“ Betriebsteil (vgl. dazu Rn. 54) betroffen ist.[142] Dies stellt nach Ansicht des BAG deshalb keinen Wertungswiderspruch dar, weil der unterschiedlichen Behandlung dieser Fälle die „typisierende gesetzgeberische Einschätzung“ zugrunde liege, eine Spaltung betreffe anders als eine Teilstilllegung regelmäßig nicht nur den stillgelegten Teil, sondern den gesamten Betrieb.[143]
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Ob sich die Übertragung des Betriebsteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge unmittelbar gemäß § 613a BGB (Asset Deal) oder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach dem Umwandlungsgesetz vollzieht (Spaltung gem. §§ 123 ff. UmwG)[144], ist nicht entscheidend, sofern hierdurch eine einheitliche Organisationseinheit in (mindestens) zwei verschiedene Einheiten aufgespalten wird. Nicht erfasst wird hingegen die in § 133 UmwG, §§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 106 BetrVG geregelte Aufspaltung von Unternehmen, etwa in Besitzgesellschaft (ohne eigenen Betrieb) und Betriebsgesellschaft.[145]
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Klargestellt hat das BAG allerdings, dass „Bagatellausgründungen“ ausgenommen sind, wenngleich es offen gelassen hat, unter welchen Voraussetzungen solche Bagatellausgliederungen vorliegen.[146] Ausreichend ist nach Ansicht des BAG jedenfalls, wenn es sich um eine veräußerungsfähige Einheit handelt.[147] Diese ist – so das BAG – regelmäßig erst bei einer „wirtschaftlich relevanten Größenordnung“ und einer „abgrenzbaren, eigenständigen Struktur“ gegeben. Die Ausgliederung im Zusammenhang mit einer solchen Übertragung erfüllt daher regelmäßig auch den Begriff der Spaltung. Welche Schwellenwerte hierfür maßgeblich sein sollen, hat das Gericht nicht abschließend entschieden. Zur Orientierung wird man aber auch hier die Zahlengrenzen des § 17 Abs. 1 KSchG heranziehen können. Dafür spricht, dass das Gericht in der Entscheidung von 1996 eine Spaltung i.S.d. § 111 Satz 2 Nr. 3 BetrVG a.F. (jetzt: § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG) auch deswegen bejaht hat, weil der Betriebsteil „fast den Voraussetzungen des § 17 KSchG“ genügte, die für die Bestimmung einer grundlegenden Änderung oder Verlegung eines wesentlichen Betriebsteils indiziell herangezogen werden. Mit zwei Arbeitnehmern mehr als nach § 17 KSchG maßgeblich werde der Schwellenwert nur „knapp“ unterschritten. Auch deshalb könne – so das BAG – von einer Bagatellausgliederung keine Rede sein. Auch weitergehende Abweichungen sind allerdings denkbar, so hat das BAG in der Entscheidung vom 18.3.2008 eine Bagatellausgliederung verneint, obwohl in dem abgespaltenen Betriebsteil lediglich 10 von 390 Arbeitnehmern beschäftigt wurden.[148]
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Geht die Spaltung eines Betriebs mit einem Betriebsteilübergang einher, besteht nicht per se eine Sozialplanpflicht. Hier gilt nichts anderes als bei der Übertragung des gesamten Betriebs. Danach kann der Betriebsrat gemäß § 112 BetrVG nur wegen der wirtschaftlichen Nachteile „infolge der geplanten Betriebsänderung“ einen Sozialplan verlangen. Sonstige Nachteile, die nicht aus der Betriebsänderung selbst folgen, gehören nicht dazu (z.B. eine Verringerung der Haftungsmasse bei dem Betriebserwerber sowie dessen befristete Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs 2 BetrVG, vgl. dazu auch nachstehend unter Rn. 165 ff.).[149]
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Wenn sich die Maßnahme darin erschöpft, die betriebliche Tätigkeit eines Betriebsteils zu beenden, ohne dass dessen Substrat erhalten bleibt, liegt keine Spaltung vor, sondern eine teilweise Schließung eines Betriebs, die nicht von § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG erfasst wird.[150] Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Ausführung bestimmter Aufgaben selbst einstellt und diese sodann von einer anderen Gesellschaft fortgesetzt werden. Solange es sich lediglich um eine Auftragsnachfolge handelt und die Voraussetzungen für einen Betriebsteilübergang weder durch Übernahme von Personal noch etwaigen wesentliche Betriebsmittel erfüllt sind, scheidet in solchen Fällen die Annahme einer mitbestimmungspflichten Spaltung aus.[151] Der Betriebsteil wird dann nicht zum Zwecke der Veräußerung ausgegliedert, sondern es wird der in diesem Betriebsteil verfolgte Zweck eingestellt.[152]
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Da es auf die Spaltung von Betrieben und nicht auf die Spaltung von Unternehmen ankommt, greift § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG auch dann nicht ein, wenn ein Betrieb nach einer Unternehmensaufspaltung unberührt bleibt und als Gemeinschaftsbetrieb der beiden Unternehmen fortgeführt wird.[153]
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Dies eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten im Zuge von Umstrukturierungen, wobei in der Praxis häufig nicht die Vermeidung etwaiger Interessenausgleichsverhandlungen im Vordergrund stehen, sondern auch andere strategische Erwägungen, etwa die Überlegung, hierdurch einen längerfristigen unternehmensübergreifender Einsatz von Mitarbeitern jenseits der Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu ermöglichen.