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1. Entstehung der Vorschrift

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Die Frage eines Eides, eines Gelöbnisses oder einer anderen Versprechensformel war seit den Anfängen einer deutschen Wiederbewaffnung nach dem 2. Weltkrieg eine der umstrittensten des späteren SG[1] überhaupt. Aus heutiger Sicht ist bemerkenswert, mit welcher Leidenschaft das Für und Wider einer Eidesleistung diskutiert wurden. Diese Debatte setzte bereits ein, als die ersten Konturen einer neuen „Wehrmacht“, der späteren Bw, erst schattenhaft am Horizont erkennbar waren. So kamen etwa die Teilnehmer einer Tagung „Gehorsam – Verantwortung – Eid des Soldaten“ des Instituts für Europ. Politik und Wirtschaft im Jahre 1952 zu dem Ergebnis, eine Eidespflicht sei nicht zweckmäßig,[2] eine Auffassung, die auch während der Beratungen des EVG-Vertrages in den späteren Vertragsstaaten viele Anhänger fand. Das Militärprot. zum EVG-Vertrag sah in Art. 17 vor, den „europäischen Soldaten deutscher Nationalität“ feierlich zu verpflichten. Die Leistung eines Eides würde, so die BReg,[3] bei vielen Soldaten schwere Gewissenskonflikte hervorrufen, da nicht bei allen Angehörigen der zukünftigen europ. SK „ein persönliches Verantwortungsgefühl dem lebendigen Gott gegenüber“ vorauszusetzen sei.[4]

Zum Verständnis auch aktueller und künftiger Überlegungen seien hier die wichtigsten Stationen von § 9 referiert. Hieraus wird deutlich, dass Vorsicht geboten ist, wenn der historische Gesetzgeber zur Interpretation von § 9 bemüht wird. Eine klare, durchgängige Linie ist weder den amtl. Materialien noch den Debatten in den Ausschüssen oder im Plenum des BT zu entnehmen. Vielmehr gaben persönlich erlebte und geprägte Einzelmeinungen von Parlamentariern letztlich den Ausschlag für die noch heute geltende Gesetzesfassung.

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In den Ressortentwürfen eines SG vom 14.3.1955[5], 21.4.1955 und 7.5.1955 war (in § 17 bzw. § 16 bzw. § 20) für alle Soldaten eine feierliche Verpflichtung in Form eines Gelöbnisses vorgesehen („Ich gelobe, als Soldat treu und tapfer zu dienen, gehorsam zu sein, Menschenwürde und Recht zu wahren und für mein Vaterland und die Freiheit mein Leben einzusetzen“). Damit sollte „klargestellt werden, dass es sich mit dem Ablegen des Gelöbnisses nicht um das Eingehen einer rechtlichen Verpflichtung handelt, sondern um ihre Bekräftigung“[6]. Offenbar aufgrund von Änderungsvorschlägen aus der anschließenden Ressortbeteiligung[7] wurde in der Kabinettvorlage vom 7.6.1955[8] (in § 16) erstmals zwischen länger dienenden Soldaten, die einen Diensteid leisten, und WPfl, die ein feierliches Gelöbnis ablegen sollten, differenziert. Das Kabinett beschloss indes in seiner Sitzung vom 27.6.1955, einen einheitlichen Diensteid für alle Soldaten einzuführen („Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren, treu zu dienen und Vaterland und Freiheit unter Einsatz meiner Person tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe“). Auf Nachfrage im BR am 30.6.1955 erklärte Min. Blank, das Kabinett habe damit zwei Kategorien von Soldaten vermeiden wollen.[9] Mit Schreiben des Präs des BR vom 22.7.1955 an den BK forderte der BR auf Antrag des Landes NRW schließlich, von allen Soldaten eine „Verpflichtung“ abzuverlangen. Durch die Abnahme eines Eides werde ein Unterschied zwischen der Zugehörigkeit zur „Wehrmacht“ und allen anderen Lebensbereichen herausgearbeitet, die nicht gerechtfertigt sei.

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Während diese Überlegungen andauerten, musste mit Blick auf die ersten freiwilligen Soldaten (die am 10.10.1955 durch BPräs Heuss ernannt wurden) gehandelt werden. Das Freiwilligengesetz vom 23.7.1955[10] sah in § 2 Abs. 2 eine schriftl. Verpflichtung dieser Soldaten vor („Ich verpflichte mich, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren und meine Dienstpflichten gewissenhaft zu erfüllen.“). Die inhaltl. Nähe zum Beamteneid (§ 64 Abs. 1 BBG) ist leicht erkennbar.

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§ 16 Abs. 1 des REntw.[11] v. 23.9.1955 übernahm den Kabinettsbeschl. v. 27.6.1955. Es entspreche der „Einheit des Soldatentums“, dass alle Soldaten den gleichen Eid leisteten.[12] Der BR wiederholte in seiner Stellungnahme[13] seine Forderung nach einer „Verpflichtung“ aller Soldaten, die von der BReg erneut[14] verworfen wurde.

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Bereits bei der 1. Lesung des REntw. im BT[15] zeigten sich die gegensätzlichen Positionen der dort vertretenen polit. Parteien: Während der Abg. Dr. Kliesing (CDU/CSU) die Einheit des Soldatentums verteidigte,[16] votierten der Abg. Merten (SPD) gegen einen Eid für alle Soldaten,[17] der Abg. Feller (GB/BHE) ähnlich wie der BR für eine bloße Verpflichtung der Soldaten[18] und der Abg. v. Manteuffel (FDP) für den REntw.[19]

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Mit welcher Intensität und welchem Ernst sich die Parlamentarier des Eidesthemas annahmen, spiegelt der Ber. des VertA zum Entw. des SG v. 29.2.1956[20] wider. Dieses Dokument ist ein bedeutsames Zeitzeugnis. Die ihm beigefügten[21] gutachterlichen Stellungnahmen von kirchlicher Seite[22] sind noch heute lesenswert. Der VertA beschloss schließlich mit großer Mehrheit, in § 7a ein feierliches Gelöbnis für alle Soldaten zu verankern mit dem Text[23] des heutigen § 9 („Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“).

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Die Debatte war damit noch nicht beendet. In der 2. Lesung des SG im Plenum am 6.3.1956 brachte der Abg. Dr. Kliesing die dann beschlossene[24] und bis heute geltende Fassung des § 9 ein mit der Begr., sonst würde im Verteidigungsministerium „die groteske Situation entstehen, dass der Hausmeister als Beamter des einfachen Dienstes den Treueid leisten muss, während die gesamte Generalität unvereidigt bleibt“.[25] Mit Cuntz[26] ist anzumerken, dass mit der im Plenum erzielten Lösung genau die groteske Situation erzielt wurde, die man vermeiden wollte: Der Bürobote, wenn er Beamter ist, wird auf das GG vereidigt, der GenInspBw nicht! Von den Soldaten wird nämlich kein Verfassungseid abverlangt. In der Sache ist dies unerheblich, da die Pflicht zur Verfassungstreue der Soldatinnen und Soldaten unabhängig vom Eid vorgegeben ist (§ 8). Die Eidesformel kann daher auch nicht als Ausdruck der z.T. früher vertretenen Einwände gegen einen Verfassungseid von Soldaten (keine Prüfungspflicht gegenüber verfassungswidrigen Befehlen)[27] gesehen werden.

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